Versammlungsverbot

Die FAZ berichtete im Juni 2023: «Ein Aktivist in Frankfurt wird von Polizisten aufgrund des damaligen Versammlungsverbotes im April 2020 weggeschickt.» © FAZ/dpa

Es ist Zeit, Corona-Sündern zu vergeben 

Bernd Hontschik /  Allein in Stuttgart im Lande des Grünen Winfried Kretschmann wurden Verstösse gegen Corona-Vorschriften mit Millionen gebüsst.

Red. Der Autor dieses Gastbeitrags ist Chirurg und Publizist in Frankfurt.

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Bernd Hontschik

Corona ist schon längst nicht mehr in aller Munde. Auch unser aller Alltag ist kaum noch davon betroffen. Es sei denn, man war ungehorsam. 

Ein Jahr ist es her, dass die letzten Corona-Schutzvorschriften gefallen sind. Seitdem gibt es den Begriff der Corona-Sünder. Das sind Menschen, die sich nicht an die immer wieder neu erlassenen Corona-Vorschriften gehalten haben. Diese Menschen wurden mit Bussgeldbescheiden daran erinnert, dass man nicht einfach machen kann, was man will. 

Das Tragen von Masken war eine Zeitlang Pflicht. Nichtbefolgung löste Bussgeldverfahren aus. Von über 16’000 Bussgeldverfahren in Stuttgart betrafen über 2100 Verstösse gegen die Maskenpflicht, und ausserdem fast 11’000 Bussgeldverfahren wegen Verstössen gegen Ansammlungsverbote. So wurde Stuttgart mit der Ahndung von über 13’000 Verstössen zum Spitzenreiter mit Strafen in Höhe von 3,4, Millionen Euro. In Karlsruhe waren es immerhin noch über 1,2 Millionen Euro, in den anderen grösseren Städten Deutschlands waren die Zahlen entsprechend. 

Der frühere Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, war Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz vom Oktober 2020 bis September 2021. Nun hat nun vorgeschlagen, über die Massnahmen und deren Bestrafung noch einmal nachzudenken, insbesondere wenn man heute weiss, wie unsinnig einige davon waren. 

Statt mit erlaubten fünf Menschen mit sechs erwischt

In Berlin wurde kürzlich ein Bussgeldbescheid gegen einen jungen Mann erlassen, der damals statt mit den erlaubten fünf mit sechs Menschen erwischt wurde. Auch Bussgelder für eine fünfzehnminütige Überschreitung der Ausgangssperre, die ab 22 Uhr galt, erscheinen aus heutiger Sicht masslos übertrieben. Besonders krass war die Bestrafung von Coronasündern, die in München im Englischen Garten allein und ein Buch lesend auf einer Parkbank sassen. Doch obwohl das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig schon im April 2020 urteilte, dass die strengen Ausgangsbeschränkungen in Bayern unverhältnismässig und unwirksam waren, sieht man für eine nachträgliche Amnestie keinen Grund. 

Eine Amnestie würde den «Verlust des Vertrauensschutzes« für diejenigen bedeuten, die sich an die Regeln hielten, heisst es. Der Verstoss gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz würde auf das Unverständnis der Bürger stossen, hiess es ausserdem. Was für ein grandioser Irrtum! Die unbeirrte Fortsetzung von Fehlern erhöht die Akzeptanz der Fehler nicht, im Gegenteil. 

Einander viel verzeihen

An dieser Stelle fällt mir unser damaliger Gesundheitsminister Jens Spahn ein, von dem zumindest seine Aussage: «Wir werden einander viel verzeihen müssen» in der allgemeinen Erinnerung geblieben ist. Sogar ein Buch mit diesem Titel hat er noch 2022 geschrieben. Wenn es also mit dem Vergessen und Vergeben schon nichts wird, sollten wir zumindest mit dem Verzeihen Ernst machen: 

  • Wir sollten Karl Lauterbach verzeihen, dass er unter Tausenden von wissenschaftlichen Studien immer nur die zitiert hat, die in seine rigide Lockdown-Politik gepasst haben. 
  • Wir sollten Winfried Kretschmann verzeihen, dass er seine Landsleute offen zur Denunziation aufgefordert hat, wenn sie Coronasünden beim Nachbarn bemerkten. 
  • Wir sollten den Minister:innen verzeihen, welche die Ständige Impfkommission zu übereilten Falschaussagen zwingen wollten. 
  • Wir sollten den Impfeuphemisten verzeihen, die immer wieder ankündigten, dass es mit Corona und all den Auflagen vorbei sein werde, sobald eine Impfung zur Verfügung stehe. 
  • Wir sollten dem frisch erfundenen, bis dato unbekannten Organ der sogenannten Ministerpräsidentenkonferenz verzeihen, dass sie die Bediensteten des Gesundheitswesens zu Impfungen zwingen wollten. 
  • Wir sollten auch den Journalist:innen und Redaktionen verzeihen, die Kritiker:innen der offiziellen Corona-Politik nicht mehr zu Wort kommen liessen, nicht mehr interviewten und in keine Talkshow mehr einluden. 
  • Wir sollten den Gesundheitspolitiker:innen aller Couleur verzeihen, welche die Erkenntnisse des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages einfach ignorierten, der schon vor Jahren eine Pandemie kommen sah und vorbeugende Massnahmen aufzählte. 
  • Nicht einmal der unverdächtige Heribert Prantl fand Gehör, als er den undemokratischen und unerträglichen Umgang mit unseren im Grundgesetz garantierten Grundrechten anprangerte. Das müsste also auch verziehen werden. 

Es gibt noch viel mehr zu verzeihen. Wir müssten nur endlich damit anfangen. 

___________________
Diese Kolumne erschien am 25. April in der Frankfurter Rundschau.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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12 Meinungen

  • am 6.05.2024 um 12:01 Uhr
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    Ich finde den Artikel grundsätzlich recht gut. Allerdings sehe ich nicht ein, weshalb jetzt primär denjenigen Verzeihen werden sollte, welche immer gegen diejenigen ausgeteilt haben, welche jetzt von Bussen etc betroffen sind.
    Zuerst sollte es meiner Meinung nach eine Amnesie inkl. Beendung von noch laufenden Prozessen und Rückzahlung sämtlicher Bussen geben.
    Auch sollte man sich zuerst einmal für den Druck, den man verfassungswidrig gemacht hat, entschuldigen. Erst wenn dies geschehen ist, können wir über verzeihen sprechen.
    Verzeihen kann man nicht einfordern. Man kann nur darum beten, dass es einem verziehen wird.

  • am 6.05.2024 um 14:14 Uhr
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    Wir sind in der Schweiz mit weit weniger strengen Massnahmen als in den meisten europäischen Ländern gut davon gekommen. Aber auch bei uns gäbe es einiges zu verzeihen.

  • am 6.05.2024 um 14:16 Uhr
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    Hervorragend!

  • am 6.05.2024 um 14:44 Uhr
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    Ich werde bei folgenden Punkten grundsätzlich nicht verzeihen:
    – die Idee, sobald es ein sogenanntes Vaczin gegen irgendwas gibt, müssten ALLE erstmal damit geimpft werden; hinterher wird man schon sehen, ob es unterm Strich was genutzt hat.
    – die Unart, im Zusammenhang mit Menschen von einer Herdenimmunität zu sprechen.
    – die pietistisch Anwandlung derer, die die Pandemie dazu nutzen wollten, den Menschen ein staatlich verordnetes Pflichtgefühl zum Gehorsam gegenüber dem Staat einzuimpfen.

  • am 6.05.2024 um 15:14 Uhr
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    Die Voraussetzung für eine Vergebung ist das Eingeständnis der Täterschaft, des Staates einer verfehlten panischen Überreaktion.
    Heute noch werden Impfschäden nur als Long covid akzeptiert, da die impfenden Ärzte die Patienten hätten aufklären müssen, was sie nicht machten und jetzt müssen sie die Folgen ihres Tuns diagnostizeren.
    Es braucht Jahrzehnte, bis dieses Thema sachlich geklärt werden kann.
    .

  • am 6.05.2024 um 16:33 Uhr
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    «Wenn es also mit dem Vergessen und Vergeben schon nichts wird, sollten wir zumindest mit dem Verzeihen Ernst machen: […]»
    Herr Hontschik zählt viel auf, was den Impf- und Maßnahmen-Befürwortern zu verzeihen wäre. Aber müsste dem Verzeihen nicht das Eingeständnis (teilweise schwewiegender!) Fehler vorausgehen? Wo hat wer Fehler eingeräumt und um Verzeihung gebeten?
    Die im Artikel zitierte Begründung dafür, dass auch heute noch Menschen für Verstöße gegen bereits damals erkennbar unsinige Vorschriften bestraft werden, zeugt von keiner Einsicht. Und Immer noch müssen Soldaten der deutschen Bundeswehr die Corona-Gentherapie dulden!
    Den Tätern und ihren juristischen Stützen vor einer Einsicht und Umkehr zu verzeihen hieße: Macht ruhig weiter so!

  • am 7.05.2024 um 10:07 Uhr
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    Man hatte doch damals Angst vor etwas Unbekanntem, wenigstens die meisten Leute. Im Bekanntenkreis sind Menschen gestorben.
    Ich hatte eine Mitschülerin in der ersten Klasse, die an Kinderlähmung erkrankte, und die erst ein Jahr später wieder zur Schule kam. Sie zieht seit da ein Bein nach. Ich habe sie letzten Sommer in der Badi gesehen und sie gefragt, ob sie nicht geimpft gewesen sei. Aber es gab die Polio-Impfung noch nicht.
    Ausserdem hatten wir prächtiges Frühlingswetter und durften, im Gegensatz zu den Nachbarländern spazieren gehen.
    Die Maske war nicht beliebt, aber erträglich. Ich versteh die heutige gehässige Diskussion aus diesen Gründen nicht. Im Nachhinein ist man immer klüger.

    • am 7.05.2024 um 21:22 Uhr
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      Es geht halt schon darum, dass man die eine Seite komplett ignoriert, angegriffen, verunglimpft und wenn man sich zu stark exponiert hat, aus beruflich und wirtschaftlich kaputt gemacht hat.
      Ich habe kein Problem damit, wenn sich jemand impfen geht, wenn jemand die Massnahmen alle vernünftig fand etc. Dies ist jedem seine persönliche Sache.
      Aber wenn man Grundgesetzwidrig Menschen diskriminieren, dann sollte man absolut sicher sein, dass man richtig ist und sicher nicht sämtliche Stimmen, welche eher in Richtung Entspannung gehen, verunglimpfen.
      Ich bin persönlich auch ein Befürworter von Impfungen. Aber nur, wenn sie korrekt getestet wurden und man die Langzeit(neben)wirkungen kennt. Dies war bei den Covidimpfungen nicht der Fall. Dies ist für mich ein genügendes Argument, die Impfung nicht zu nehmen. Weshalb ich dadurch für recht viele Bekannte zu einem Nazi, Covidiot etc wurde weiss ich auch nicht.

      • am 8.05.2024 um 08:48 Uhr
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        einverstanden mit Ihrer Sichtweise und Meinungen.
        Impfstoffskepsis war schon in den ersten Tagen von sehr wenigen Ärzten geäussert !

      • am 8.05.2024 um 11:05 Uhr
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        Danke Herr Hersberger. Daumen hoch (wenn es das noch gäbe).

    • am 8.05.2024 um 13:38 Uhr
      Permalink

      Das Verhalten der Behörden in den ersten Monaten, wo also die Angst vor dem Unbekannten tatsächlich noch nachvollziehbar war, wird ja heute kaum wirklich kritisiert.
      Der Irrsinn ging eigentlich mit der Verfügbarkeit der Impfung so richtg los. Da war das Virus nicht mehr ganz neu, und man wusste schon einiges. Beispielsweise wusste man, dass die Gefahr für Jüngere sehr klein war. Man wusste auch, dass die Impfhersteller nur Schutz vor schwerer Erkrankung versprachen, aber keinen Schutz vor Übertragung. Warum die Geimpften trotzdem vor Angst in die Hose machten und forderten, nun müssten sich auch noch alle anderen impfen, war damals nicht nachvollziehbar, und ist es bis heute nicht.
      In der Schweiz lief es viel besser als in unseren Nachbarländern, aber viel schlechter als in Schweden. Es gäbe auch bei uns viel zu verzeihen. Vielleicht müssten einige der damals Verantworlichen öffentlich um Verzeihung bitten.

  • am 7.05.2024 um 15:13 Uhr
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    Um verzeihen zu können, braucht es die Einsicht, dass man andern Schaden zugefügt hat. Ich sehe nur Politiker und Wissenschaftler, die sich vor der Verantwortung verkriechen, von Einsicht keine Spur.

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