Ingenbohl

Im schwyzerischen Ingenbohl sind die Mietzinse höher als in Arth, Einsiedeln oder Schwyz – und trotzdem erhalten Bezüger von Ergänzungsleistungen nicht mehr. © Gemeinde Ingenbohl

Schwyz geizt bei der Anrechnung von Mietkosten

Esther Diener-Morscher /  Ein Schwyzer kämpft für höhere Ergänzungsleistungen. Doch der Kanton will die maximal anrechenbaren Mietkosten nicht erhöhen.

«Armutspolitik auf dem Buckel von AHV- und IV-RentnerInnen trotz praller Staatskasse»: Das wirft der Schwyzer Urs Beeler den Kantonsbehörden vor. Beeler ist Verleger der Schwyzer Online-Publikation Mythen-Post.

Konkret kritisiert Beeler, dass der Regierungsrat die anrechenbaren Mietzinsmaxima bei den Ergänzungsleistungen nicht erhöhen will.

Die Ergänzungsleistungen (EL) berücksichtigen, dass die Mietzinse je nach Wohnort unterschiedlich hoch sind. Deshalb betragen die maximalen Mietkosten zur Berechnung der EL für Alleinstehende 1465 Franken in den grossen Städten, 1420 Franken in mittelgrossen Städten und 1295 Franken auf dem Land.

Die drei unterschiedlichen Mietzinsregionen legt der Bund fest. Doch die Kantone können vom Bund verlangen, dass in Gemeinden mit hohen Mietzinsen das anrechenbare Mietzinsmaximum um zehn Prozent erhöht wird.

Die teuren Schwyzer Orte

Beeler wollte genau das vom Schwyzer Regierungsrat: Die Behörden sollen dem Bund ein Gesuch stellen, damit dieser die anrechenbaren Mietzinsmaxima in den Ortschaften Ingenbohl, Morschach, Steinen, Steinerberg, Lauerz und Gersau um zehn Prozent erhöht.

Doch die Regierung will das nicht. Sie ist der Ansicht, dass die Mietzinslimiten genug hoch seien. Urs Beeler wehrt sich nun mit einem Offenen Brief dagegen. Er ist überzeugt, dass die sechs genannten Ortschaften in einer zu tiefen Mietzinsregion eingereiht sind.

Ihm gehe es um Fairness, sagt er. IV- und AHV-Rentner sollen in der teuren Gemeinde Ingenbohl gleich hohe Ergänzungsleistungen erhalten wie solche in Schwyz, Seewen, Ibach oder Rickenbach.

Diese Ortschaften gelten als Stadtregionen. Deshalb gilt dort ein höheres Mietzinsmaximum. Übers Jahr gerechnet beträgt der Unterschied gut 1500 Franken. Dieser Betrag werde den EL-Bezügern in der Gemeinde Ingenbohl und den anderen betroffenen Gemeinden des Kantons Schwyz vorenthalten. Beeler kommt zum Schluss: «Man spart auf Kosten derjenigen, die sonst schon auf dem Existenzminimum leben.»

Regierungsrat gönnte sich Lohnerhöhung

Besonders stossend ist für ihn, dass sich der Regierungsrat des Kantons Schwyz seit 2023 pro Kopf jährlich 50’000 Franken mehr Salär gönne, «aber offenbar nicht gewillt ist, die offenkundige Ungerechtigkeit im EL-Bereich zu beseitigen, obwohl mehr als genug Geld vorhanden wäre und bei einer Anpassung des EL-Wohngeldes einen guten Teil der Kosten ohnehin der Bund mitzutragen hätte».

Allein die Salär-Erhöhung sei höher als das, was ein AHV- oder IV-Bezüger mit Ergänzungsleistungen im Kanton Schwyz jährlich zur Existenzsicherung erhalte – die Prämienverbilligung eingeschlossen.

Urs Beelers Kampf gegen die falschen EL-Mietzinsregionen dauert schon lange. Und das Schwyzer Verwaltungsgericht hat ihm auch schon bestätigt, dass der teure Wohnort Ingenbohl nicht zum Land gehöre; so wenig wie Bisisthal und Muotathal zum Stadtgebiet gehörten, obwohl das die Einteilung so vorsehe.

Der Präsident des Schwyzer Verwaltungsgerichts, Achilles Humbel, hielt vor drei Jahren fest: «Der Einwand des Beschwerdeführers erscheint nicht ganz unberechtigt.»

Das Mietpreisniveau in Ingenbohl sei höher als in Arth, Einsiedeln, Muotathal, Reichenburg, Schwyz, Schübelbach, Tuggen und Wangen. Und diese Gemeinden sind allesamt der Mietzinsregion «Stadt» zugeteilt. Neben Ingenbohl erwähnte Humbel auch Gersau, Steinen und Morschach – allesamt Orte mit hohen Mietkosten, die aber dem Land zugerechnet werden.

Das Problem ist, dass das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) nicht von sich aus nachträgliche Korrekturen der Mietzinsregionen vornehmen kann. Das könnte nur der Schwyzer Regierungsrat mit einem Gesuch erwirken.

Doch dieser will nicht.

Andere Kantone haben korrigiert

Basel-Stadt hingegen wollte: Auf Gesuch der Kantonsbehörden hin hat das BSV Anfang dieses Jahres die anrechenbaren Mietzinsmaxima für die Gemeinden Bettingen und Riehen erhöht.

Auch in der Waadtländer Gemeinde Oron über dem Genfersee gelten höhere Mietzinslimiten.

Umgekehrt hat Neuenburg erfolgreich eine Senkung der Limiten beantragt: In den Gemeinden La Chaux-de-Fonds, Le Locle, Val-de-Ruz und Val-de-Travers gelten neu tiefere Mietkostenmaxima als in Neuenburg.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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2 Meinungen

  • am 18.06.2024 um 11:39 Uhr
    Permalink

    Trick 08/15 des Kanton SZ, resp.schweizweiten SVP-Versuchlabors, zusammen mit dem Verantwortlichen der AHV/IV Stelle SZ, um so die sozial schwachen und handicapierten Mitmenschen gezielt aus dem Kanton ‹vertreiben› zu können!

    Nicht umsonst prahlt der KT SZ mit der geringsten IV-Rate sowie der besten Wiedereingliederungsrate!

    Wenn man gegenüber diesen Mitmenschen den Sparhammer auspackt und zuschlagen lässt, wird man solche Mitmenschen eben schnell los. Leider ein föderalistischer Schwachpunkt im Schweizer Sozialversicherungssystem beim verfassungsrechtlichen Schutz sozial schwacher und handicapierter Mitmenschen. Erinnert zudem an die Vorgehensweise gewisser Krankenkassen, um teure Patienten Profit und kostenoptimierend an die Konkurrenz ‹verlieren›, resp. abschieben zu können.

    Somit als Bankrottversagen der «Judikative» zu bezeichnen. Wenn man aber kein Bundesverfassungsgericht hat, können die Kantone dies leider nach deren Vorstellungen legal betreiben …

  • am 18.06.2024 um 12:41 Uhr
    Permalink

    Ich würde wetten, dass bei der Abstimmung zur 13. AHV Rente der Regierungsrat des Kantons Schwyz mit der Begründung, man solle die ‚bedürftigen‘ RentnerInnen unterstützen und nicht mit ‚Giesskanne‘ eine Ablehnung empfohlen hat, wenn nicht öffentlich vor der Abstimmung, dann in der seinerzeitigen Vernehmlassung.
    Jetzt wäre das DIE Gelegenheit, den Worten Taten folgen zu lassen, es folgen aber Untaten! Erbärmlich, aber nicht erstaunlich.

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