Parlamentarischer Poker um Energie und Ökostrom
«Der Gesamtenergiebedarf der Schweiz wird ab 2030 mindestens zur Hälfte aus erneuerbaren Energien gedeckt.» Das fordert die Cleantech-Initiative der SP, über die der Nationalrat am 12. März beraten wird. Die bürgerliche Mehrheit der nationalrätlichen Energiekommission (UREK) beantragt, die Initiative dem Volk zur Ablehnung zu empfehlen. Es folgt damit dem Antrag des Bundesrates.
Gleiches Ziel, aber fünf Jahre später
Der Bundesrat, so betont er in seiner Botschaft ans Parlament, steht der «Stossrichtung der Initiative» zwar «positiv gegenüber»: Er will Energie sparen und vermehrt auf erneuerbare Energie umsteigen. Mit seiner «Energiestrategie 2050» wählt er aber einen eigenen Weg. Seine bevorzugte Perspektive, «Neue Energiepolitik genannt», zeigt: Im Jahr 2050 soll die Schweiz nur noch 55 Prozent soviel Endenergie verbrauchen wie im Jahr 2010. Und dieser verbleibende Bedarf lässt sich zu rund 70 Prozent mit erneuerbarer Energie decken.
Der Bundesrat geht bis 2050 also weiter als die SP-Initiative bis 2030. Doch das Zwischenziel von fünfzig Prozent erneuerbarer Energie erreicht die bundesrätliche Strategie erst 2035, also mit fünfjähriger Verspätung auf die SP-Initiative (siehe Grafik oben). Dieses Tempo will der Bundesrat nicht beschleunigen. Darum lehnt er die Cleantech-Initiative ab.
Höhere Subventionssumme für Ökostrom-Projekte
Ebenfalls in der zweiten Sessionswoche wird der Nationalrat gemäss Traktandenliste über eine Parlamentarische Initiative seiner Energiekommission beraten. Diese verlangt, dass die Abgabe zur Finanzierung der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) erhöht wird, nämlich von heute 1,0 auf 1,5 Rappen pro verbrauchte Kilowattstunde (kWh) Strom. Gleichzeitig sollen Industriebetriebe, bei denen die Stromkosten mehr als fünf Prozent des Umsatzes betragen, von dieser Abgabe ganz oder teilweise befreit werden. Unter dem Strich steigt damit die Subventionssumme für Ökostrom-Projekte um rund 200 Millionen Franken pro Jahr. Zur Erinnerung: Die KEV wurde 2009 eingeführt mit dem Zweck, noch nicht rentablen Strom aus Sonne-, Wind-, Biomasse- und kleinen Wasserkraftwerken quer zu subventionieren.
Diese Parlamentarische Initiative erfüllt sowohl die Wünsche von Grünen, Linken und Cleantech-Branchen, die mehr Geld für die Förderung von Ökostrom fordern, als auch die Forderungen von energieintensiven Betrieben, die weiterhin möglichst billigen Strom für ihre Produktion begehren. Die höhere Abgabe zur Finanzierung der KEV soll vor allem die rund 20 000 Photovoltaik-Projekte bevorzugen, die heute auf der KEV-Warteliste blockiert sind.
Ein zwiespältiges politisches Gegengeschäft
Die neue KEV-Regelung will das Parlament mit einer Teilrevision des Energiegesetzes vorzeitig umsetzen, weil die umfangreiche Gesamtrevision des Energiegesetzes, die der Bundesrat mit seiner Energiestrategie vorsieht, noch längere Zeit in Anspruch nehmen wird. Hier beginnt nun der politische Deal: Die Revisionsvorlage, so beantragt die nationalrätliche Energiekommission, kann nur in Kraft treten, wenn die SP ihre Cleantech-Initiative zurück zieht. Die SP selbst erwägt zwar den Rückzug ihrer Initiative zu Gunsten der neuen KEV-Regelung, aber erst dann, wenn diese Revision im Energiegesetz rechtskräftig verankert ist. Das bestätigte auf Anfrage SP-Nationalrat Roger Nordmann.
Auf den ersten Blick wirkt dieses Gegengeschäft ziemlich schief: Dem hehren Ziel einer fünfzig Prozent erneuerbaren Energieversorgung insgesamt, welche die Cleantech-Initiative fordert, steht eine relativ bescheidene Erhöhung der Subventionssumme für Ökostrom gegenüber. Die nähere Analyse aber zeigt: Die SP-Initiative bewirkt in der Praxis wohl weniger als auf dem Papier. Denn erstens rennt sie eine halb offene Türe ein, weil sich das Ziel einer fünfzig Prozent erneuerbaren Energieversorgung mit der Energiestrategie des Bundesrates mit fünfjähriger Verspätung ebenfalls erreichen lässt. Zweitens besteht generell keine Gewähr, dass langfristige Ziele, die Volksinitiativen in die Verfassung schreiben, in der Praxis auch erfüllt werden; davon zeugt etwa der unerfüllte Verfassungsartikel von 1994 zum Alpenschutz. Aus dieser Sicht mag es taktisch klug sein, die Cleantech-Initiative preis zu geben, zumal das Risiko besteht, dass das Volk diese Initaitve ablehnt.
Viel Subventionen für wenig Ökostrom
Auf der andern Seite bringt die Erhöhung der KEV-Abgabe ebenfalls weniger, als sie verspricht. Denn es ist nicht Geldmangel, der die Produktion von Ökostrom limitiert. So benötigt der Bund zurzeit nur die Hälfte der heute schon gesetzlich möglichen Abgabe (0,45 Rappen/kWh), um die KEV zu finanzieren. Grund: Die Mehrzahl der Wind- und Wasserkraft-Projekte, die Anrecht auf eine KEV hätten, lassen sich aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes nicht verwirklichen.
Diese Phantomprojekte blockieren die Ausschüttung des bewilligten Geldes und verbannen realisierbare Photovoltaik-Projekte auf die Warteliste. Zudem liesse sich mit einer Senkung der überrissenen KEV-Vergütungen schon mit dem heute vorhandenen Geld mehr Ökostrom produzieren. Der SP-Energieexperte und ehemalige Nationalrat Rudolf Rechsteiner fordert darum, dass die KEV für alle Technologien auf 20 Rappen pro kWh limitiert wird, um so die Warteliste abzubauen. Zum Vergleich: Heute vergoldet die KEV kleine Wasserkraftwerke und Photovoltaik-Anlagen, die in den Genuss der KEV kommen, mit 30 bis 40 Rappen pro kWh. Damit bringt sie den Besitzern eine Rendite, die zwei bis dreimal höher ist als der Zins einer Bundesanleihe.
Das Fazit: Beim Deal zwischen der Cleantech-Initiative mit langfristigem Ziel ohne Gewähr und der Parlamentarischen Initiative mit 0,5 Rappen/kWh höherer KEV-Abgabe geht es – im Vergleich zur Energiestrategie des Bundesrates – um eine kleine Wurst.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Die KEV soll rasch und deutlich angepasst werden. Vergleiche Papier Photovoltaik auf der Homepage Energie-cluster.ch.
Von Interesse ist auch das Papier zum plusenergie-Gebäude.