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Aussenhandel mit Strom ist wichtig für die Schweiz – doch die Marge sinkt © Oran Viriyincy/flickr/cc

Die Stromproduzenten fahren ins Jammertal

Hanspeter Guggenbühl /  Sind die Margen klein, darben die Produzenten. Diese banale Regel lässt den Gewinn der Schweiz beim Stromexport einbrechen.

Die Ernte war gross: 2013 erzeugten die Schweizer Kraftwerke 66,2 Milliarden Kilowattstunden (kWh) Elektrizität. Das ist die höchste Produktion seit dem ausserordentlich nassen Rekordjahr 2001. Der Stromverbrauch im Inland erreichte ebenfalls den zweithöchsten Wert seit je. Trotz diesem hohen Verbrauch verzeichnete die Schweiz 2013 immer noch einen Exportüberschuss von stattlichen 2,4 Milliarden kWh.
Doch bei den Stromern verhält es sich wie bei den Bauern: Eine überschüssige Ernte machte nicht automatisch reich. So sank der Gewinn (Export-Saldo) der Schweiz im Aussenhandel mit Strom in den letzten Jahren stetig, nämlich von 2,1 Milliarden Franken im Jahr 2008 auf nur noch 327 Millionen Franken im Jahr 2013. Das ist der tiefste Wert in diesem Jahrtausend (siehe Grafik).

Selbst im Jahr 2005, als das Atomkraftwerk Leibstadt monatelang still stand und die Schweiz mehr Strom importieren musste, als sie exportieren konnte, erzielte die Schweiz im Aussenhandel mit Strom einen höheren Gewinn. Das zeigt die neuste Elektrizitätsstatistik des Bundesamtes für Energie (BFE).
Sinkende Marge im Aussenhandel
Der Strom-Aussenhandel war für die Schweiz bis vor drei Jahren ein lukratives Geschäft und lieferte einen wesentlichen Anteil an den Ertrag der grossen staatlichen Stromproduzenten Axpo, Alpiq, BKW und EWZ. Das Konzept dahinter: Die Schweizer Elektrizitätswirtschaft importiert billigen Strom mehrheitlich nachts und mehrheitlich aus Frankreich. Und sie exportiert Strom mehrheitlich tagsüber, wenn die Marktpreise generell höher sind, und mehrheitlich nach Italien, wo das Niveau der Strompreise über dem europäischen Schnitt liegt.
Den Hauptgrund für den sinkenden Profit im Aussenhandel bildet die mittlere Marge zwischen importiertem und exportiertem Strom. Diese schrumpfte von annähernd vier Rappen im Jahr 2008 auf noch einen halben Rappen im Jahr 2013 (siehe Grafik).

Die Exportpreise folgten damit dem (in früheren Berichten geschilderten) Preiszerfall auf dem europäischen Strommarkt. Weniger stark hingegen sanken die Importpreise. Grund: Die Schweiz importiert einen wesentlichen Teil ihres Stroms aus ihren Beteiligungen an französischen Atomkraftwerken. Im Unterschied zu den sinkenden Marktpreisen sind die Kosten des Atomstroms gestiegen.
Korrelation zum Strompreis – und die Ausnahmen
Zwischen den Preisen auf dem europäischen Strommarkt und den Geschäftsergebnissen der grossen Schweizer Stromproduzenten besteht zwar ein Zusammenhang: Ist das Preisniveau hoch, so erzielen die Stromproduzenten hohe Margen und Profite. Sinken die Preise so schmelzen Margen und Gewinne. Von dieser allgemeinen Tendenz gibt es allerdings folgende Abweichungen:

  • Einen wesentlichen Teil ihrer Stromproduktion verkaufen die im internationalen Handel tätigen Stromfirmen auf Termin. Darum schlagen sich steigende oder sinkende Preise erst mit einer Verzögerung von ein bis zwei Jahren voll im Geschäftsergebnis nieder. So lag der durchschnittliche Schweizer Exportpreis im Jahr 2013 (6,22 Rappen/kWh) immer noch deutlich über den mittleren Spotpreisen an der europäischen Strombörse (rund 5 Rappen/kWh). Das lässt erwarten, dass die magersten Jahre den Schweizer Stromerzeugern noch bevorstehen. Denn die Terminpreise stagnieren bis mindestens 2016 auf tiefem Niveau.
  • Die Geschäftsergebnisse hängen auch von der Produktionsstruktur und von den Investitionen ab, welche die einzelnen Firmen tätigten. Beispiel: Axpo und Alpiq mussten in den letzten Jahren Milliarden abschreiben, weil sie mit dem Bau oder Kauf von Gaskraftwerken in Italien sowie Investitionen in Pumpspeicher-Kraftwerke viel Geld in den Sand setzten. Das schmälerte ihre Gewinne (Axpo) oder mehrte ihre Verluste (Alpiq) zusätzlich. Im Vergleich dazu können Stromhändler, die über keine eigenen teuren Kraftwerke verfügen, von der Preisbaisse profitieren.

Die wichtigsten Ursachen des Preiszerfalls
Die Verzögerung zwischen Tages- und Terminpreisen lässt die Erträge der Schweizer Stromproduzenten in den nächsten Jahren also weiter abbröckeln. Für diese Preisbaisse gibt es vor allem drei Ursachen:

1. Die Wirtschaftskrise liess den Strombedarf in Europa seit 2008 um rund fünf Prozent sinken. Dieser Rückgang der Nachfrage wurde verschärft durch ein wachsendes Angebot. So hatten die Stromproduzenten ihre Kraftwerkkapazität in den Vorjahren ausgebaut, um eine «Stromlücke» zu vermeiden. Das Resultat: Die Stromschwemme.
2. Kohlestrom ist in den letzten Jahren billiger geworden, weil die Marktpreise für Kohle in Europa gesunken und die Preise für CO2-Zertifikate eingebrochen sind. Die tiefen Kosten des Kohlestroms sind massgebend für die aktuellen Marktpreise für Bandstrom. Grund: Kohlekraft deckt annähernd die Hälfte des europäischen Stromkonsums.
3. Die Subventionsspirale: Strom aus Kohle-, Atom-, Öl- und Gaskraftwerken wird seit Jahrzehnten direkt und indirekt subventioniert; indirekt, weil die ökologischen Schäden und Risiken der nicht erneuerbaren Energieträger sozialisiert werden. Um den «dreckigen» Kohlestrom und den risikobehafteten Atomstrom zu ersetzen, subventionieren viele Staaten neuerdings auch die Produktion von Strom aus Wind-, Solar- und Biomassekraftwerken mit kostendeckenden Einspeisevergütungen (KEV). Damit steigt das Überangebot und drückt zusätzlich auf die Marktpreise. Resultat: Die Rendite von nicht subventionierten Kraftwerken, insbesondere Wasserkraftwerken, wird kleiner. Investitionen in Anlagen, die es zum Ausgleich der schwankenden Produktion von Solar- und Windkraftwerken braucht, werden unterlassen.
Missglückte Marktöffnung
Starke Preisschwankungen sind an sich nichts Neues: In den 1990er- und frühen 2000er-Jahren, als es ebenfalls ein Überangebot an Elektrizität gab, waren die Handelspreise sogar tiefer als heute. Doch damals litten die Stromproduzenten weniger darunter. Denn damals war der Stromhandel begrenzt auf wenige grosse, international vernetzte Stromfirmen; regionale Verteilwerke und Endverbraucher hingegen konnten den Strom nur bei jenen Lieferanten beziehen, die über das Gebietsmonopol verfügten. Der Grossteil der Elektrizität wurde damals unter Monopolbedingungen zu Monopoltarifen abgesetzt. Das erlaubte es den grossen Stromkonzernen, tiefe Handelspreise mit höheren Monopoltarifen zu kompensieren.
Für die Öffnung dieses begrenzten Stromhandels kämpften vor allem industrielle Stromverbraucher. Unter ihrem Druck hoben die EU-Staaten und später auch die Schweiz die Monopole auf. In der Schweiz fand diese Marktöffnung aber nur halbbatzig statt: Zutritt zum Markt – und damit die freie Wahl des Lieferanten – erhielten ab 2009 nur Grossverbraucher und Verteilwerke. Um die Kleinverbraucher zu schützen, schrieb der Bundesrat per Verordnung vor: Die Stromtarife für im Monopol verbleibende Konsumenten müssen sich an den Gestehungs- respektive Produktionskosten der Stromlieferanten orientieren.
Das Fatale an dieser Regulierung: Grossverbraucher konnten in der Schweiz zwischen Monopol und Markt wählen. Solange die mittleren Produktionskosten der Kraftwerke tiefer waren als die – ab 2004 stark gestiegenen – Marktpreise, profitierten sie von tiefen Monopoltarifen. Als aber ab 2011 die Marktpreise unter das Niveau der Gestehungskosten und der Monopoltarife sanken, wechselten immer mehr Verteilwerke und Grossverbraucher in den Markt und profitieren heute von den tiefen Marktpreisen.
Folge: Die Stromproduzenten müssen wachsende Mengen an Strom zu Marktpreisen verkaufen, die unter ihren Gestehungskosten liegen. Das reduziert ihre Einnahmen und Gewinne. Auf der andern Seite stiegen und steigen ihre Gestehungskosten, zum Beispiel durch teure Investitionen in neue (Pumpspeicher-)Kraftwerke, oder durch höhere Rückstellungen für die Entsorgung der Atomabfälle.
Ein Markt auf Staatskosten
Das Fazit dieser Entwicklung: Tiefe Preise auf dem subventionierten Strommarkt und steigende Produktionskosten lassen die Gewinne und Finanzpolster der grossen Stromkonzerne schmelzen. Gewinner sind Händler und die Grossverbraucher, die Zutritt zum halbbatzigen Strommarkt haben. Verlierer sind die Kleinkonsumenten, deren Monopoltarife mit den Produktionskosten leicht gestiegen sind. Verlierer ist aber auch der Staat. Denn über 80 Prozent des Kapitals der darbenden Schweizer Stromfirmen befinden sich im Besitz von Kantonen und Gemeinden.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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Die Politik der Stromkonzerne

Elektrizitätsgesellschaften verdienen am Verkaufen von möglichst viel Strom. Es braucht endlich andere Anreize.

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2 Meinungen

  • am 14.08.2014 um 12:57 Uhr
    Permalink

    In der guten Zusammenstellung von HPG fehlt noch ein weiteres wichtige Argument: Der Wechselkurs CHF zum €.
    Seit 2008 ist der Schweizer Franken gegenüber dem Euro 23% teurer geworden und wird (auf unser Risiko) seit 2011von der SNB gestützt! Das muss sich ja auch auf den Schweizer EVU Erträgen auswirken! Dieses Argument wird von der Elektrizitätswirtschaft unterschlagen!
    Man jammert lieber über die «bösen» neuen erneuerbaren Energien in Europa (EEG) die man unterschätzt und bis jetzt in der Schweiz erfolgreich gebremst (KEV) oder verhindert hat.

    Thomas Nordmann

  • am 14.08.2014 um 21:57 Uhr
    Permalink

    Alles klar, mindestens die Probleme und ihre Ursachen.
    Und wie könnte ein vernünftiger Weg aus der Sackgasse aussehen?
    80% der Anlagen gehören «uns", wir und unsre Nachkommen tragen auch das Verstrahlungs-Risiko, wir bezahlen als Kleinkonsumenten übersetzte Monopolpreise, damit sich die Grossabnehmer im gedrückten Markt bedienen können… diese wehren sich gegen Lenkungsabgaben, weil damit die Produktionskosten ins unermessliche stiegen….
    Durch Stillegung der AKW würde sich der Markt schnell erholen und Strom wieder zur wertvollen Schlüsselenergie….

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