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Politiker Oleh Ljaschko, Mitbegründer des rechtsextremen Bataillons Asow © http://rpl.kiev.ua/

Rechtsextreme in der Ukraine auf dem Vormarsch

Red. /  Die Rechtsradikalen sind stärkste Partei der Ukraine und an der Ostfront kämpfen Neo-Nazi-Bataillone gegen die Separatisten.

Fünf Monate nach dem von Berlin energisch geförderten Umsturz in Kiew sehen Umfragen in der prowestlich gewendeten Ukraine eine Partei der extremen Rechten als stärkste politische Kraft. Wie aktuelle Erhebungen des Kiewer Internationalen Instituts für Soziologie zeigen, könnte die Radikale Partei des Rechtsaussen-Politikers Oleh Ljaschko gegenwärtig bei Wahlen mit 23,2 Prozent der Stimmen rechnen – mehr als jede andere Partei. Ljaschko hatte bereits bei den Präsidentenwahlen vom 25. Mai mit 8,3 Prozent quasi aus dem Nichts einen Überraschungserfolg erzielt. Seine Popularität beruht vor allem darauf, dass er sich mit brutalen Aktionen aus dem Kampf gegen Regimegegner in der Ostukraine in Szene setzt.

Am 7. Mai etwa hatte Ljaschko auf seiner Website ein Video publiziert, das ihn zeigt, wie er einen beinahe nackten, blutenden Gefangenen verhört – einen ostukrainischen Aufständischen. Auf der Liste von Ljaschkos Radikaler Partei für die Kiewer Stadtratswahlen kandidierten im Mai führende Mitglieder der faschistischen Organisationen «Sozial-Nationale Versammlung» und «Patriot der Ukraine». Zu seinen 23,2 Prozent kämen laut der Umfrage 5,7 Prozent für die faschistische Partei Swoboda und 1,9 Prozent für den gewalttätigen Prawy Sektor (Rechter Sektor) hinzu. Insgesamt erhielten Parteien der extremen Rechten damit fast ein Drittel der Stimmen.

Zensur für russische Filme und Bücher

Charakteristisch für die Aktivitäten, die die von Berlin unterstützte Regierung in Kiew – den aktuellen Rechtstrend nutzend – entfaltet, sind umfassende Bemühungen, jeglichen russischen Einfluss so weit wie möglich zu eliminieren. Der jüngste Schritt beinhaltet Restriktionen auf dem Gebiet der Kultur. So teilt die staatliche Kinoagentur mit, sie werde Filme aus Russland in Zukunft genauestens «prüfen», bevor sie für die Ukraine zugelassen würden. Erste Produktionen sind bereits der Zensur zum Opfer gefallen.

Auch der Verkauf von Büchern aus Russland soll strikt beschränkt werden. In der Ukraine würden bislang nur ein Fünftel aller verkauften Bücher im Land selbst hergestellt, lässt sich Oleksandr Sytsch, stellvertretender Ministerpräsident der Kiewer Regierung, zitieren. Tatsächlich werden in der gesamten postsowjetischen Welt russische Bücher aufgrund der nach wie vor verbreiteten Russisch-Kenntnisse bis heute stark rezipiert. Man sei «gezwungen, den ukrainischen Verbraucher vor fremdenfeindlichen Verlagsprodukten zu schützen», behauptet der Vize-Ministerpräsident nun: «Wir führen eine Lizensierung russischer Bücher und eine Quote für ausländische Bücher ein». Sytsch ist Mitglied der faschistischen Partei Swoboda, deren Chef Oleh Tjahnybok einst mit der Aussage von sich reden gemacht hat, die Ukraine müsse von einer «jüdischen Mafia aus Moskau» befreit werden.

Einschränkung der politischen Rechte

Swoboda nähert sich auch der Verwirklichung eines zweiten ihrer Kernanliegen: dem Verbot der Kommunistischen Partei der Ukraine (KPU). Im Kampf gegen die KP hatte zunächst die Swoboda-nahe paramilitärische Organisation C14 unmittelbar nach dem Umsturz vom 22. Februar deren Kiewer Hauptquartier der Kommunistischen Partei besetzt; auch weitere KP-Büros wurden von faschistischen Organisationen attackiert. Als die Besetzer am 10. April aus den Räumlichkeiten in Kiew abzogen, steckten sie sie in Brand. Swoboda hat sich zunächst im ukrainischen Parlament um ein Verbot der KPU bemüht, scheiterte jedoch aus formalen Gründen: Nur ein Gericht kann ein Parteiverbot aussprechen.

Inzwischen liegt ein Antrag auf Auflösung der KPU bei der Justiz. Das Parlament hat zusätzliche Schritte gegen die Partei unternommen: Es hat die Mindestgrösse für eine Fraktion nachträglich auf eine Zahl von Parlamentariern festgelegt, die diejenige der kommunistischen Abgeordneten übersteigt, und der kommunistischen Fraktion den Fraktionsstatus entzogen. Parteichef Petro Symonenko und eine ganze Reihe weitere KP-Aktivisten sind in den letzten Monaten mehrfach körperlich brutal attackiert worden – auch im Parlament. Oleh Ljaschko hat darüber hinaus auch ein Verbot der Partei der Regionen des gestürzten Präsidenten Wiktor Janukowitsch gefordert.

«Befreiung der weissen Rasse»

Während die KPU verboten werden soll, muss die Organisation «Sozial-Nationale Versammlung» nichts dergleichen befürchten. Sie ist 2008 als Zusammenschluss mehrerer faschistischer Gruppen gegründet worden und hat sich im November 2013 anlässlich der Maidan-Proteste am Aufbau des Prawy Sektor (Rechter Sektor) beteiligt. Laut eigenen Angaben kämpft sie «für die Befreiung der gesamten Weissen Rasse von der Herrschaft des internationalistischen spekulativen Kapitals» – eine bekannte antisemitische Chiffre – und für «harte Bestrafung sexueller Perversionen und aller Kontakte zwischen Rassen, die zur Auslöschung des weissen Mannes führen».

Anton Heraschtschenko, ein leitender Berater des ukrainischen Innenministers, bescheinigt der Sozial-Nationalen Versammlung ausdrücklich, sie sei «keine Neonazi-Organisation», sondern eine «Partei ukrainischer Patrioten». Anlass seiner Äusserungen war der Hinweis einer Reporterin der BBC, ein Anführer der Vereinigung, Andrij Biletsky, kommandiere derzeit das Bataillon Asow, eine mehrere hundert Mann starke Einheit, die vom ukrainischen Innenministerium für den Krieg in der Ostukraine gegründet und ausgerüstet worden ist. Tatsächlich kämpfen im Bataillon Asow zahlreiche Aktivisten der Sozial-Nationalen Versammlung und ihres paramilitärischen Flügels, des «Patriot der Ukraine». Letzterer wurde in den 1990er Jahren von einem gewissen Andrij Parubij geführt. Parubij trägt heute als Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats der Ukraine in hohem Masse Verantwortung für den Krieg im Osten des Landes.

Rechtsextreme Bataillone Asow, Dnipro und Donbass

Das Bataillon Asow hat jüngst international für Aufsehen gesorgt. Berichten zufolge gehören der Einheit auch Neonazis aus dem europäischen Ausland an, etwa aus Italien, Frankreich und Schweden. Das Bataillon wird offenbar professionell trainiert; unter anderem ist zu hören, ihm stehe ein Spezialkräfte-Ausbilder aus Georgien zur Verfügung. Es gilt als eines von drei im Aufbau begriffenen Spezialkommandos der prowestlich gewendeten Ukraine – neben dem Bataillon Dnipro und dem Bataillon Donbass. In ihm kämpft unter anderem der schwedische Neonazi Mikael Skillt. Skillt, ein Mitglied der faschistischen Svenskarnas Parti, berichtet, er nehme «mindestens» dreierlei Aufgaben in der Einheit wahr: Er kommandiere «eine kleine Aufklärungseinheit», sei «als Scharfschütze» aktiv und wirke zuweilen «als Sonderkoordinator, um Häuser zu säubern und in zivile Gebiete einzudringen».

Der Mann, der laut Gerüchten inzwischen von ostukrainischen Aufständischen gefangengenommen worden sein soll, war zuvor sechs Jahre lang Scharfschütze in den schwedischen Streitkräften. Er will sich erst seit März an den Kämpfen in der Ukraine beteiligt haben. Allerdings gibt er an, mit mindestens zwei Scharfschützen gesprochen zu haben, die während der Maidan-Proteste vom Kiewer Gewerkschaftshaus aus – dieses galt als Hauptquartier der damaligen Opposition – gezielt auf Polizisten schossen. «Ihr Auftrag war es, die Berkut-Scharfschützen auszuschalten», erklärt Skillt. Die Todesschüsse vom Maidan, die vom Westen propagandistisch genutzt wurden, um den Sturz des damaligen Präsidenten Wiktor Janukowitsch zu legitimieren, sind unter der Umsturzregierung nie umfassend aufgeklärt worden; Berlin hat dahingehend nie Druck ausgeübt.

Faschisten profitierten von staatlicher Amnestie

Das Bataillon Asow ist Oleh Ljaschko eng verbunden, dessen Radikale Partei zur Zeit bei Wahlen fast ein Viertel aller Stimmen erzielen könnte. Ljaschko gilt als einer seiner Gründer; er lässt sich für Internet-Videos bei gemeinsamen Aktionen mit Asow-Kämpfern filmen. Über die Liste seiner Radikalen Partei wurde am 25. Mai der stellvertretende Kommandeur des Bataillons Asow, Ihor Mosiychuk, in den Kiewer Stadtrat gewählt. Für den Mann hatte sich Ljaschko schon zuvor eingesetzt. Mosiychuk war am 10. Januar 2014 gemeinsam mit zwei weiteren Faschisten wegen eines für August 2011 geplanten Sprengstoffanschlags zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden.

Noch am Abend des 10. Januar kam es bei ultrarechten Protesten gegen das Urteil zu Zusammenstössen mit der Polizei, die Berlin, Brüssel und Washington nutzten, um der Regierung Janukowitsch übermässige Gewalt gegen die «Demokratiebewegung» vorzuwerfen. Die Proteste blieben erfolglos, doch profitierten Mosiychuk und seine Mittäter unmittelbar nach dem Kiewer Umsturz von der Amnestie, die das prowestlich gewendete ukrainische Parlament am 24. Februar 2014 «politischen Gefangenen» zukommen liess. Dafür, dass Mosiychuk an der Amnestie teilhaben durfte, aus der Haft entlassen wurde und sich am Aufbau des Bataillons Asow beteiligen konnte, hatte sich massgeblich Ljaschko eingesetzt.

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Dieser Artikel ist die gekürzte Fassung eines Beitrages, der auf der Plattform «German-Foreign-Policy.com» erschienen ist.

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3 Meinungen

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 16.08.2014 um 11:11 Uhr
    Permalink

    Für den ukrainischen Bürgerkrieg möchte ich, bei kulturgeschichtlicher Sympathie für die Russen in Sachen Krim, mal eines festhalten: Bei einem Bürgerkrieg, siehe spanischer Bürgerkrieg, sind die Waffenträger der vordersten Front beidseits keine Unschuldslämmer. Sowohl die linken Kämpfer wie die rechten waren unvorstelllbare Schweine, in keiner Weise von der Waffen-SS abzugrenzen, wie Orwell, selber ein Linker, im Buch «Mein Katalonien» gezeigt hat. Dass man Mönche und Nonnen in Säcken ertränkte, war linker Standard.

    Über deb ukrainischen Bürgerkrieg kann man dieser oder jener Meinung sein. Dass dort Typen, die mit der Bezeichnung «rechtsradikal» zu PNOS-Rütlisängern verharmlost werden, in vorderster Front am Werk sind ist ebenso klar wie dass der selbsternannte Verteidigungsminister der Gegenseite so etwa auf dem Niveau der bekannten Serben- und Kroatenverbrecher des Jugoslawienkriegs operiert. Für die politische Einschätzung dieses Krieges steht dies nicht im Vordergrund. Für mich persönlich ist von allen Personen, die mit diesem Krieg zu tun haben, Wladimir Putin noch eine vergleichsweise berechenbare Person, einigermassen intelligent, aber seinerseits das absolute Gegenteil eines Unschuldslammes. Selbstverständlich können wir uns in diesen Einschätzungen täuschen. Gut ist, dass Christian Müller unlängst vor Ort war. Meine Absicht, noch dieses Jahr die ehemaligen Schweizer Dörfer auf der Krim aufzusuchen, erwies sich bei den gegebenen Umständen als nicht verantwortbar.

  • am 16.08.2014 um 18:27 Uhr
    Permalink

    @Pirmin Meier
    Ihr Umgang mit Genozid-Fakten:
    SPANIEN
    – Sie zitieren Orwell mit Details von antiklerikaler Gewalt von links. Die gab es zu tausenden: 6’000 Priester (nicht zu zehntausenden).
    – Linke Morde werden auf 20’000 bis 75’000 geschätzt. Zählungen (22 Provinzen) kommen auf 38’000. Extrapolation + 1/3
    – Rechte Morde werden auf 50’000 bis 200’000 geschätzt. Zählungen (24 Provinzen) kommen auf 75’000. Extrapolation + 1/3
    – Rechte Hinrichtungen nach dem Sieg von Franco + 23’000 (offizielle Zahlen).
    – Wenn man denn wirklich rechts vs. links rechnen will, dann sind die rechten Morde also dreimal so hoch wie die linken.
    UKRAINE
    – Die Ukraine liegt in der europäischen Genozidzone zwischen Baltikum und Schwarzem Meer. Hier sterben nach dem 1.Weltkrieg+ Wirren in Genoziden 14 Millionen Zivilisten (ganz Europa 17 Millionen)
    – Millionen davon in der Ukraine (Achtung verschiebt sich nach dem WK 2 massiv nach Westen, zulasten Polen, zugunsten SU).
    – Fakten aus Spanien (etwa 150’000 Morde) auf die Ukraine zu übertragen ist sicher keine gute Idee.

    Werner T. Meyer

    Quellen: Michael Mann «Fascists"
    Timothy Snyder «Bloodlands"

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 16.08.2014 um 22:47 Uhr
    Permalink

    Ich zähle keine Morde Herr Meier, sondern verweise auf das Hasspotential der Bürgerkriege. Darauf kommt es an. Da sind die Verhältnisse in Spanien und und in der Ukraine, früher auch in Russland und China, durchaus zu vergleichen. Eine relativ positive Ausnahme, wiewohl immer noch zu gut und zu romantisch dargestellt, war der Schweizer Bruderkrieg von 1847. Übrigens spielt es, von den Opfern zwar abgesehen, keine Rolle, ob insgesamt der sog. Faschismus oder noch ausgepräger nur sogenannt der sog. Kommunismus mehr Opfer gefordert habe. Wichtig ist das Hasspotential von Ideologien. Die Beschreibungen von Orwell sind übrigens phänomenal wirklich. Auch da geht es nicht um die Zahl der Toten.

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