Hohe Hürden für eine Welt ohne Atomwaffen
Im New Yorker UNO-Gebäude tagt ab heute die neunte Überprüfungskonferenz des 1970 in Kraft getretenen Vertrages über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen (Nuclear Non-Proliferation Treaty, NPT), auf Deutsch oft auch «Atomwaffensperrvertrag» genannt. Ein Erfolg der vierwöchigen Konferenz mit einer im Konsens aller 191 Vertragsstaaten verabschiedeten Abschlusserklärung ist sehr ungewiss.
Denn die Bedingung, unter der bei der letzten Überprüfungskonferenz im Mai 2010 im letzten Moment überhaupt nur eine gemeinsame Abschlusserklärung zustande kam, wurde bis heute nicht erfüllt: Vor fünf Jahren beauftragten die Vertragsstaaten auf Antrag Ägyptens und der Arabischen Liga UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon, im Jahr 2012 eine Konferenz über die Schaffung einer Zone frei von atomaren, chemischen und biologischen Massenvernichtungswaffen im Nahen und Mittleren Osten durchzuführen «unter Beteiligung aller Staaten der Region». Das Vorhaben scheiterte an der strikten Weigerung Israels, der einzigen Atomwaffenmacht der Region, an einer solchen Konferenz teilzunehmen. Die USA unterstützten die israelische Regierung in ihrer ablehnenden Haltung.
Bereits bei den drei Vorbereitungstagungen für die diesjährige NPT-Konferenz machten Ägypten und andere Staaten deutlich, dass sie ohne Garantien für eine Durchführung der Konferenz über eine massenvernichtungsfreie Zone keiner Abschlusserklärung zustimmen werden.
«Nukleare Teilhabe» Deutschlands
Eine weiteres Risiko für einen Erfolg der Überprüfungskonferenz liegt in den milliardenschweren Programmen, mit denen die USA und Russland derzeit ihre atomaren Waffenarsenale aufrüsten. Für die überwältigende Mehrheit von rund 75 Prozent der NPT-Vertragsstaaten ist diese Aufrüstung ein klarer Verstoss gegen die vertragliche Verpflichtung aller fünf offiziellen Atomwaffenmächte (USA, Russland, China, Frankreich und Grossbritannien), ihre Arsenale «vollständig abzurüsten».
Zu den zumeist als «Modernisierung» verharmlosten Aufrüstungsprogrammen gehört auf amerikanischer Seite auch das Vorhaben, die in der Eifel lagernden Atombomben vom Typ B61 durch neue Systeme zu ersetzten, die zielgenauer sind und eine grössere Zerstörungskraft besitzen. Der Deutsche Bundestag hatte bereits im Mai 2010 mit Zustimmung fast aller Abgeordneten von der CSU bis zur Linkspartei die Bundesregierung aufgefordert, die USA zum vollständigen und ersatzlosen Abzug der B-61-Bomben aus Deutschland zu veranlassen.
Diesem Auftrag des Parlaments ist die Bundesregierung jedoch nicht nachgekommen. Denn mit dem Abzug aller US-Atomwaffen aus Deutschland würde auch die sogenannte «nukleare Teilhabe» Deutschlands in der Nato beendet. Das bedeutet in der Praxis, dass im Kriegsfall auch Kampfflugzeuge der Bundesluftwaffe mit Atombomben der USA ausgerüstet werden könnten. Gleiches gilt auch für andere europäische Nato-Staaten, in denen noch amerikanische Atomwaffen stationiert sind (Niederlande, Belgien). Eine grosse Mehrheit der NPT-Staaten bewertet die «nukleare Teilhabe» dieser Staaten schon lange als Verstoss gegen den Atomsperrvertrag.
Für ein weltweites Verbot von Atomwaffen
Seit der letzten Überprüfungskonferenz im Mai 2010 haben drei internationale Konferenzen die verheerenden humanitären Folgen eines Einsatzes von Atomwaffen deutlich gemacht. Auf Initiative Österreichs fordern inzwischen 125 der 191 NPT-Staaten die Aushandlung eines völkerrechtlichen Vertrages zum weltweiten und ausnahmslosen Verbot von Atomwaffen, wie er bereits für chemische und biologische Massenvernichtungswaffen existiert. Die Regierungen der Nato-Staaten lehnen diese Verbotsinitiative jedoch ab mit der Begründung, damit würde «der Atomwaffensperrvertrag geschwächt». Unterstützt wird die Verbotsinitiative von Hunderten Nichtregierungsorganisationen der «Internationalen Kampagne zur Abschaffung atomarer Waffen» (ICAN).
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Andreas Zumach ist spezialisiert auf Völkerrecht, Menschenrechtspolitik, Sicherheitspolitik, Rüstungskontrolle und internationale Organisationen. Er arbeitet am europäischen Hauptsitz der Uno in Genf als Korrespondent für Printmedien, wie beispielsweise die tageszeitung (taz), Die Presse (Wien), die WoZ und das St. Galler Volksblatt, sowie für deutschsprachige Radiostationen und das Schweizer Fernsehen SRF. Bekannt wurde Zumach 2003 als Kritiker des dritten Golfkrieges. Im Jahr 2009 wurde ihm der Göttinger Friedenspreis verliehen.