Sperberauge
Radio SRF gegen Kantonsgericht
Vor zwei Monaten hat «Infosperber» über das Bündner Kantonsgericht berichtet, das seine Urteile erst publiziert, wenn sie rechtskräftig sind beziehungsweise jene Urteile im Archiv verschwinden lässt, welche das Bundesgericht aufgehoben hat (siehe: «Mangelnde Transparenz beim Bündner Kantonsgericht»). Mit dieser restriktiven Praxis ist das Bündner Kantonsgericht nicht allein. Die Gerichte in den meisten Kantonen haben vielfältige Tricks entwickelt, um allzu neugierige JournalistInnen abzuwimmeln oder hinzuhalten.
Die Praxis der Kantons- und Bezirksgerichte ist im krassen Widerspruch zu den gesetzlichen und verfassungsmässigen Bestimmungen: Artikel 30 der Bundesverfassung hält klar und deutlich fest: «Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung sind öffentlich.» Und das Bundesgericht folgert in einem Leitentscheid vom 23. März 2013 (1C_390/2012): «Die Justizöffentlichkeit bedeutet eine Absage an jegliche Form der Kabinettsjustiz, will für Transparenz der Rechtsprechung sorgen und die Grundlage für das Vertrauen in die Gerichtsbarkeit schaffen.»
Das Regionaljournal Graubünden von Radio SRF hatte vom Kantonsgericht Graubünden die Begründung eines aktuellen und eines älteren Urteils verlangt. Beide Male ging es um einen Unfall im Eiskanal des Cresta Runs. Brisant daran war, dass das Kantonsgericht vor sechs Jahren zu einem ganz anderen Schluss gekommen war und erst nach Intervention des Bundesgerichts über die Bücher ging.
Jetzt hat Radio SRF gegen die Weigerung des Kantonsgerichts eine Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht, um «die Frage zu klären», wie es auf der Homepage des Regionaljournals Graubünden heisst. Die Erfolgschancen sind sehr gut, denn die rechtliche Lage ist klar. Deshalb ist mit einem Leitentscheid aus Lausanne zu rechnen, der für die journalistische Praxis Signalwirkung haben dürfte.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine