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Die Baskin Nekane Txapartegi sitzt seit einem Jahr in Zürich in Auslieferungshaft © cc

Spaniens Unversöhnlichkeit im Baskenland

Alexander Gschwind /  Die Schweiz will die baskische Aktivistin Nekane Txapartegi an Spanien ausliefern. Ein höchst fragwürdiger Entscheid.

Am Wochenende hat die baskische Separatistenbewegung ETA militar ihre angeblich letzten Waffenverstecke offengelegt und deren Koordinaten der französischen Polizei übermittelt. Dabei handelte es sich offenbar um 120 Schusswaffen, drei Tonnen Sprengstoff und Tausende Schuss Munition. Die Waffenübergabe war wie schon der einseitige Waffenstillstand der ETA vom 20.Oktober 2011 von internationalen Vermittlern erreicht worden, wobei Vertreter der irischen Sinn Fein-Partei um Gerry Adams eine entscheidende Rolle spielten. Deren Vorbild im Nordirland-Konflikt hatte denn auch die besonneneren Kräfte im baskischen Untergrund zur Aufgabe bewegt. Damit ist ein weiterer wichtiger Schritt getan zur Beendigung des Basken-Konfliktes, der in den letzten fünf Jahrzehnten über 800 meist unbeteiligte Terror-Opfer gefordert hatte.
Keine Amnestie für über 600 ETA-Häftlinge
Trotzdem vermochte die schrittweise Kapitulation der Separatisten auf spanischer Seite bisher nicht das Geringste zu bewirken. Noch immer schmoren in spanischen Hochsicherheits-Gefängnissen mehr als 600 ETA-Häftlinge unter skandalösen Bedingungen meist weitab ihrer engeren Heimat und mit nur höchst eingeschränktem Kontakt zu Anwälten, Angehörigen und Freunden. Ihre Strafmasse erreichen oft absurdeste Höhen, die in einem Menschenleben gar nicht abgesessen werden können. Zustände, die bis in die Gegenwart von internationalen Menschenrechts-Organisationen, dem Menschenrechts-Kommissar des Europarates wie dem UNO-Sonderberichterstatter gegen die Folter (seit November 2016 dem Schweizer Juristen Nils Melzer) in deren offiziellen Berichten immer wieder angeprangert wurden.
Von einer nachhaltigen Praxis-Änderung in Justiz und Strafvollzug will Spaniens konservative Regierung Rajoy all dieser Proteste und Appelle zum Trotz ebenso wenig etwas wissen wie von einer auch seitens der gemässigten baskischen Öffentlichkeit immer wieder eingeforderten Amnestie. Auch nach der Waffenübergabe bestätigte Rajoys Sprecher diese unversöhnliche Haltung am Samstag erneut. Ohne definitive Selbstauflösung der ETA und deren öffentliche Entschuldigung für ihre Bluttaten gebe es nichts zu verhandeln. Als wären beide Bedingungen de facto nicht längst erfüllt: Als handlungsfähige Organisation besteht ETA militar schon seit Jahren nicht mehr und Hunderte ihrer ehemaligen Aktivisten haben sich inzwischen auch öffentlich für ihre Taten entschuldigt und vom Terror distanziert. Dass Dialog und Versöhnung Konzessionen und Selbstkritik beider Seite erfordern, wird in Madrid weiterhin hartnäckig ignoriert.
Foltervorwürfe wurden nicht untersucht
Als wären all diese Vorwürfe mangelnder Rechtsstaatlichkeit im Umgang mit Basken nicht längst öffentlich bekannt und bestens dokumentiert, verfügte das eidgenössische Bundesamt für Justiz am 23. März 2017 die Auslieferung der baskischen Aktivistin Nekane Txapartegi an Spanien. Diese war 1999 in einem Monsterprozess zusammen mit 46 weiteren Angeklagten der Kollaboration mit ETA bezichtigt und wegen der Weitergabe zweier gefälschter Pässe an Untergrundkämpfer zu mehr als 11 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Im März dieses Jahres hat Spaniens oberster Gerichtshof diese drakonische Strafe um nahezu zwei Drittel (!) reduziert, was allein schon Bände spricht über das ursprüngliche Strafmass…
Nach ihrer Verhaftung war Txapartegi von der berüchtigten paramilitärischen Polizei Guardia Civil während fünf Tagen in Isolationshaft versetzt worden ohne Kontakt zu Anwalt oder Ärzten wie dies die spanische Antiterror-Geseszgebung nach wie vor zulässt gegen alle internationale Proteste. Als sie danach endlich einer Untersuchungsrichterin vorgeführt wurde, beklagte sie sich über Folter und sexuellen Missbrauch: Unter anderem seien ihr ein Plastiksack über den Kopf gesteckt, Stromstösse versetzt und eine Hinrichtung mit ihr vorgetäuscht worden. Die Richterin weigerte sich diese Vorwürfe auch nur zu protokollieren, geschweige denn zu untersuchen. Nach der Überstellung Txapartegis nach Madrid bestätigte ein ärztlicher Bericht allerdings deren Aussagen, die auch im Jahresbericht von Amnesty International von 1999 als glaubwürdig gewertet wurden.
Ein politischer Entscheid?
Unabhängig vom konkreten Fall erklärte der schweizerische UNO-Delegierte gegen die Folter, Nils Melzer, jüngst gegenüber der NZZ, dass traumatisierte Folteropfer nur selten zu widerspruchsfreien Aussagen fähig seien. Gerade deswegen dürfe an den Nachweis ihrer Vorwürfe kein allzu hoher Anspruch gestellt werden, und deren Aufklärung müsse durch unabhängige Drittstellen umso grössere Dringlichkeit zukommen.
Das schweizerische Bundesamt für Justiz handelte und handelt im Fall Txapartegi freilich genau umgekehrt und verhöhnt damit alle rechtsstaatlichen Grundprinzipien wie die humanitäre Tradition unseres Landes. Umso bitterer als der Verdacht naheliegt, dass dahinter rein politische Motive – Nicht-Brüskierung eines wichtigen EU-Landes und Handelspartners – stehen. Angesichts der Tatsache, dass der Auslieferungs-Entscheid noch durch mehrere Instanzen bis zum Europäischen Menschenrechtsgerichtshof angefochten werden kann, bliebe immer noch genügend Zeit zu besserer Einsicht.
Kein Kurswechsel zu erwarten
Dass von spanischer Seite keinerlei Einsicht und Umkehr zu erwarten ist, belegt das Verhalten der Regierung Rajoy auch seit deren Neubestellung im November letzten Jahres. Damals erhielt diese das Vertrauen des Parlamentes nur dank ausdrücklicher Dialogbereitschaft gegenüber den ethnischen Minderheiten Kataloniens wie des Baskenlandes. Beiden Regionen gegenüber fährt sie freilich auch seither weiterhin einen knallhart unversöhnlichen und zentralistischen Kurs ohne die geringsten Rücksichten auf deren Empfindlichkeiten. Im Falle des Baskenlandes ist dies umso unverständlicher als dessen regionale Regierung im Gegensatz zu Katalonien konsequent auf alle Unabhängigkeits-Parolen verzichtet und stattdessen auf eine schrittweise Erweiterung des Selbstverwaltungs-Statutes von Guernica setzt. Nicht zuletzt unter dem Eindruck der Sinnlosigkeit des jahrzehntelangen ETA-Terrors und dessen ebenso blutiger Repression durch den spanischen Zentralstaat.
Höchste Zeit also, dieses dunkelste Kapitel im seit jeher belasteten Verhältnis zwischen Kastiliern und Basken endlich zu beenden. Dafür allerdings bedürfte es freilich gerade in Madrid eines entschiedenen Kurswechsels. Von ideologischen Erben der Franco-Diktatur wie Rajoy und seinen Parteifreunden ist ein solcher leider nicht zu erwarten, weshalb sie auch mit der Kritik an den finsteren Methoden des Caudillo bis heute nichts anzufangen wissen. Auch von der sozialistischen Opposition haben sie keinerlei Druck zu befürchten, hatte deren Ex-Premier Felipe Gonzalez ETA doch in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts mit einer eigentlichen Todesschwadron nach südamerikanischem «Vorbild» bekämpft und damit mehr als zwei Dutzend politische Morde auf dem Gewissen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Alexander Gschwind ist promovierter Jurist und war von 1978 bis 2013 Auslandredaktor und Iberien-/Nordafrika-Korrespondent von Schweizer Radio SRF. In seinem Buch «Diesseits und jenseits von Gibralter» (Blaukreuz-Verlag Bern 2015) schildert er unter anderem auch ausführlich die Exzesse des schmutzigen Krieges zwischen ETA und spanischen Sicherheitskräften im Baskenland.

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