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Der Schweizer Atomfilz wurde nach Fukushima professioneller und schlagkräftiger © -

Ex-Bundesbeamte leiten den Chor der Atomlobby

Kurt Marti /  Die PR-Agenturen Farner Consulting und Burson Marsteller heizen für die Atomlobby ein. Unter der Leitung ehemaliger Staatsbeamten.

In der vergangenen Nationalratsdebatte zum Atomausstieg prägten die SVP-Nationalräte Albert Rösti, Hans Killer, Guy Parmelin, Adrian Amstutz, Hans Fehr, Jean-Pierre Grin, Maximilian Reimann und die FDP-Nationalräte Christian Wasserfallen, Jacques Bourgeois und Bruno Pezzatti die Pro-Atom-Debatte. Sie sind alle Mitglied der atomfreundlichen «Aktion für vernünftige Energiepolitik Schweiz» (Aves) mit Geschäftsstelle bei der PR-Agentur Farner Consulting an der Aarbergergasse 56 in Bern. Aves-Geschäftsführer ist der Farner-Mitarbeiter Beat Ruff.

Vom BFE zur Farner Consulting

Die Aves zählt laut eigenen Angaben 6000 Mitglieder, davon 60 National- und Ständeräte, mehrheitlich aus der SVP und FDP. Mit dabei sind auch acht CVP-Parlamentarier, erstaunlicherweise auch die beiden «Atomaussteiger» Urs Schwaller und Pirmin Bischof, die nach Fukushima die Motion «Schrittweiser Ausstieg aus der Atomenergie» unterschrieben haben. Aves-Präsident ist der SVP-Nationalrat Albert Rösti und im Vorstand sitzen die Nationalräte Christian Wasserfallen (FDP) und Hans Killer (SVP).

Beat Ruff, Farner Consulting, früher BFE

Der Farner-Mitarbeiter und Aves-Chorleiter Beat Ruff ist in Energiefragen kein Anfänger, denn er hat seine Sporen beim Bundesamt für Energie (BFE) abverdient. Pikanterweise nicht im Bereich der Atomenergie, sondern im Ressort zum Atomstrom-Ersatz: Von 2005 bis 2010 war er nämlich Stabsmitarbeiter von EnergieSchweiz, dem «Programm für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz». Im Jahr 2005 tönte es in einer von Ruff redigierten BFE-Publikation wie folgt: «Wenn um das Jahr 2020 die ersten Kernkraftwerke altershalber vom Netz genommen werden, ist es unerlässlich, bereits heute darüber nachzudenken, wie die dadurch entstehende Versorgungslücke geschlossen werden kann.»

Swisselectric diente als Aufwärmbecken

Im krassen Gegensatz zu Ruffs damaligem grünen Engagement im BFE fordert die von ihm heute geführte Aves, dass die Schweizer Atomkraftwerke unbefristet weiterlaufen sollen und dass die Subventionen für die neuen erneuerbaren Energien «gestoppt» werden. Nach seinem Weggang vom BFE wärmte sich Ruff in den Jahren 2010 bis 2013 bei der Swisselectric für seine modifizierte neue Rolle auf. Die Swisselectric, zu der auch die Swissnuclear gehört, ist ein weiteres PR-Vehikel der Strom- und Atomlobby und offenbar ein beliebtes Absprunggebiet für BFE-Mitarbeiter.

Michel Piot, Swisselectric, früher BFE

Denn auch Michel Piot, der ehemalige BFE-Leiter der Sektion Energieversorgung, landete dort und ist für die Bereiche Strommarkt und Energiestrategie 2050 zuständig. An einem Aves-Anlass vom letzten November zeigte er, dass er das PR-Brevier der Strom- und Atombranche gut gelernt hat: Die geplante Energiestrategie 2050 sei ein subventionierter Ausstieg aus der CO2-freien Stromproduktion in der Schweiz und führe zu einer Verschlechterung der Versorgungssicherheit, der Wirtschaftlichkeit und der Umweltverträglichkeit.

Vom Finanzdepartement zu Burson Marsteller

Zum Club der ehemaligen Staatsangestellten im Solde der Atomlobby gehört auch Beat Bechtold. Der frühere Mitarbeiter des Eidgenössischen Finanzdepartements arbeitet heute für die PR-Agentur Burson Marsteller und in dieser Funktion ist er Geschäftsführer des Nuklearforums Schweiz, dem Propaganda-Instrument der Atomindustrie. Keine Berührungsängste zur Atomlobby hat traditionsgemäss das BFE, welches Mitglied des Nuklarforums ist und freiwillig einen jährlichen Beitrag von 3‘600 Franken an die Atom-Werbung leistet.

Beat Bechtold, Burson Marsteller, früher Finanzdepartement

Die Grenzen von BFE und Atomfilz, von Aufsicht und Beaufsichtigten sind fliessend. Deshalb erstaunt es nicht, dass Fausto Medici, der stellvertretende Leiter Safeguards in der BFE-Abteilung Aufsicht und Sicherheit, ebenfalls Mitglied beim Nuklearforum ist. Schliesslich sass auch die Energieministerin Doris Leuthard früher im Vorstand der Schweizerischen Vereinigung für Atomenergie (SVA), der Vorläuferin des Nuklearforums.

Metamorphose bei der Economiesuisse

Ein weiterer ehemaliger BFE-Mitarbeiter, der heute mit Herzblut für die Atomkraft weibelt, ist Urs Näf, stellvertretender Leiter des Bereichs Infrastruktur, Energie und Umwelt der Economiesuisse. Anlässlich der Jahresversammlung 2012 des Nuklearforums warnte Näf vor «aufgeblähten Subventionen für neue Energietechnologien» und machte sich gleichzeitig stark «für die Forschung im Bereich der nuklearen Technologien», wie das Nuklearforum in einer Medienmitteilung erfreut festhält. Auf der Internetseite der Economiesuisse propagiert Näf einen «Produktionsmix aus Wasser- und Kernkraft». Schon 2008 warnte Näf vor einer Stromlücke im Jahr 2012 und war Feuer und Flamme für den Bau neuer Atomkraftwerke, die klimafreundlich und kostengünstig seien.

Urs Näf, Economiesuisse, früher BFE

Näfs energiepolitische Position war nicht immer so. Nach der Tschernobyl-Katastrophe gehörte er Ende der 80er Jahre zur Projektgruppe «Energiestadt» aus der Küche der Atomkritiker, namentlich der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES) und des WWF. In der Tageszeitung taz vom 27. Mai 2002 wurde Näf, der damalige Leiter der BFE-Sektion Energiemarkt und Versorgung, im Zusammenhang mit einer Lenkungsabgabe auf Atomstrom wie folgt zitiert: «Für die Zeit nach der Atomkraft müssen wir schließlich heute die Alternativen fördern.» Laut taz war für Näf längst klar, dass eine Steuer auf Atomstrom notwendig würde. 2005 wechselte Näf zur Economiesuisse und justierte entsprechend sein Koordinatensystem.

Atom-Doyen instrumentalisiert die Akademien

Der Doyen jedoch unter den BFE-Aussteigern ist ohne Zweifel der ehemalige BFE-Direktor Eduard Kiener. Im Gegensatz zu Ruff, Näf und Piot brauchte er keine Feinjustierung bezüglich der Atomenergie. Mehr als zwei Jahrzehnte (1977 bis 2000) stand Kiener an der Spitze des BFE und galt immer als strammer Fürsprecher der Atomenergie.

Eduard Kiener, Atomlobbyist im (Un)ruhestand, früher BFE

Wenige Monate nach der Fukushima-Katastrophe nahm der damals 74-jährige Kiener unbeirrt die Zügel in die Hand und hielt vor der Aves-Generalversammlung eine Brandrede für neue Atomkraftwerke in der Schweiz. Ein Jahr später instrumentalisierte er zusammen mit weiteren Gesinnungsgenossen die Akademien der Wissenschaften, die im August 2012 im Medienzentrum des Bundeshauses ihre Studie «Zukunft Stromversorgung Schweiz» präsentierten, deren weitaus grösstes Kapitel die atomare Zukunft lobpreiste.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)

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10 Meinungen

  • am 15.12.2014 um 10:52 Uhr
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    Vielleicht folgen Ruff & Co. einfach dem Geld? Vielleicht haben Sie aber auch eingesehen, dass die sog. «Energiestrategie» von UVEK/BFE ein Luftschloss ist, das im Blackout enden würde?

  • am 15.12.2014 um 13:31 Uhr
    Permalink

    Sauhäfeli, Saudeggeli

  • am 15.12.2014 um 16:27 Uhr
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    Wer von diesen Lobbyisten ist bereit, für eine total unbewohnbare Schweiz gerade zu stehen: 1 Kernschmelze bei 1 AKW, auch KKW genannt, genügt, um die Schweiz und die umliegenden Länder weitgehend unbewohnbar zu machen. Nein, nicht für 1 Jahr, sondern für tausende von Jahren.
    Diese Beführworter sollen ihr ganzes Vermögen für vorerst einmal 10 Jahren auf einem Sperrkonto deponieren ( Bei 5% Zins)
    Wer meldet sich bei Frau Bundesrätin Leuthard ?
    Heinrich Elmer

  • am 15.12.2014 um 17:02 Uhr
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    Beeindruckender Club an Lobbyisten. An sich liesse sich über Kernenergie sachlich diskutieren. Das Widerliche ist, dass diese Herren sich nicht als Lobbyisten in Talkshows und Presse zu erkennen geben. Verlogenheit der Politik total. Sogar Hr. Wasserfallen hat in der letzten Arena von Physik gesprochen, die sich nicht betrügen lasse. Aber bei der FDP sehe ich in letzter Zeit wenig Bemühung um die in der Physik unbedingt erforderliche Objektivität. Die FDP wird ausscheiden, genau wie in Deutschland, weil sie den Bürger für Dumm verkauft.

  • am 15.12.2014 um 17:32 Uhr
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    Kernschmelze in einem der drei Alt-AKWs, Folge: Endgültiges Aus der Ernährungssicherheit in der Schweiz, wie dies unsere Bauern wünschen. Was ist nur aus der ehemaligen achtenswerten konservativen BGB geworden? Eine vom Geldadel getriebene SVP, die sich erfolgreich gegen Transparenz in der Parteienfinanzierung wehrt, sich scheinbar für die Ängste unserer MitbürgerInnen sorgt, für die freie Marktwirtschaft einsteht und in der (ach so sauberen) Atomenergie (wer’s glaubt, zahlt einen Thaler) der Planwirtschaft huldigt.

  • am 15.12.2014 um 20:17 Uhr
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    Es sind nicht nur diese Männer, welche die Zeichen der Zeit nicht erkennen und einer zwar fazinierenden aber auf Dauer nicht beherrschbaren, nicht zukunftsfähigen Technologie nachtrauern. Es sind, ausser weniger konsequenter Umweltfans, wir alle.

    In vielen Orten kann man seit Jahren Oekostrom kaufen, Solar, Wind oder Wasser und somit auf Atomstrom oder Schlimmeres rechnerisch verzichten. Trotzdem tun dies nur wenige, und wenn noch so viel Werbung dafür gemacht wird und die Preisdifferenz zum schmutzigen Strom noch so klein ist.

    Allerdings gehen immer mehr Stromanbieter dazu über, ihren Kunden gar keinen Atomstrom mehr zu liefern. Ich nehme jedoch an, dass die PR-Agenturen versuchen, auch kleinere Entscheidungsträger der Anbieter zu «bestechen», und sei es nur mit einem Mittagessen oder freundlichen Worten.

  • am 16.12.2014 um 15:09 Uhr
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    Es ist das Geld. Einer der hier vorgestellten hat in seinem Leben bis vor einiger Zeit immer den Linken, den Antikapitalisten und den Revoluzzer gegeben. Aber wie man sieht, werden diese Ideale ganz schnell über Bord geworfen. Und wenn dieser besagte Mensch den Artikel liest und diesen Kommentar, dann bin ich gespannt, wie unsere nächste Begegnung verläuft. Denn immer wortstark und in voller Überzeugung ist er für seine Ideale eingetreten. – Aber warum sollte es dem kleinen Mann anders gehen, als dem grossen? Schröder und Fischer haben nun Putin gerne. Aber natürlich nur, weil dieser ein so sympathischer Mann ist.

  • am 24.07.2015 um 00:07 Uhr
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    In den USA is dieses Phaenomen «Revolving Door» genannt. Die Tuere, die Politiker hin zur Privat Industrie und zurueck in die Macht Positionen der Politik ist ein inakzeptabel und eine legalisierte Mafia. Eine Person mit Prinzipien wuerde nie solch unaethisches Verhalten zeigen. Heute jedoch zaehlt nur Gier und Profite und nur die gesamte Union von AktivistInnen Weltweit kann ein Ende zu diesem Problem schaffen.

    Jedoch, wie und MalcomX vor seinem Tod sagte.. zuerst muss man die Aufmerksamkeit der Menschen, oder auch sogenannten Schafe fangen. Erst dann kann man ueber «Action» sprechen.

    Berichte ueber dieses Problem und die wiederholte Offenbarung dieses Skandal gehen leider nur soweit..

  • am 24.07.2015 um 07:23 Uhr
    Permalink

    Da es eine Drehtüre ist, geht es in beide Richtungen: Von der Gen- und Pharmalobby wechseln zum Beispiel auch PR-Leute in die Bundesämter.

    Oder konkret: GenSuisse hat zum Beispiel mithilfe von Burson-Marsteller jahrelang den Glyphosat-Verkauf gepusht. B-M war auch die Hausagentur von Monsanto.

    Nun ist es amtlich, dass Glyphosat auch für höhere Organismen höchst ungesund ist.

    (http://www.srf.ch/konsum/themen/umwelt-und-verkehr/glyphosat-die-nr-1-unter-den-pestiziden-soll-krebs-verursachen)

    Jetzt sitzen aber im BAG teilweise die gleichen Leute (um das zu Regulieren), die Glyphosat jahrelang bei GenSuisse gepusht haben.

    So werden wir natürlich vollends zu Sklaven der Wirtschaft.

    Das ist mehr ein Wirtschaftlich-politischer Komplex – sehe da keine «revolving door» mehr.

  • am 24.07.2015 um 07:53 Uhr
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    …und NGO’s à la GenSuisse sind in Russland verboten (wie auch die Einfuhr genveränderter Organismen). Hier heisst es dann «Putin ist demokratiefeindlich». Während diesen Ablegern von Monsanto und Co hier, im Mäntelchen einer harmlos anmutenden Stiftung, Tür und Tor zur Politik jederzeit offen stehen.

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