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Oswald Grübel im Interview mit "Der Sonntag" © AZ

UBS-Grübel fordert staatliche Regulierungen

Christian Müller /  Schuld an der Finanzkrise von 2008 waren zu large Regulierungen, sagt Oswald Grübel. Das heisst, genau gelesen: Es müssen neue her!

Man nennt es «selektive Wahrnehmung»: Jeder liest aus einer Information das heraus, was ihm selber das wichtigste ist. In einem sich über drei (!) Zeitungsseiten hinziehenden Mega-Interview in der Zeitung «Der Sonntag» vom 11. September sagte UBS-Boss Oswald Grübel wörtlich: «Wir, als kleines Land mit dem Franken, können gegenüber dem Euro keinen Wechselkurs diktieren. Das ist auf lange Sicht unmöglich.» Der Satz bezog sich auf den Entscheid der Schweizerischen Nationalbank SNB, den Wert des Euros nicht unter CHF 1.20 sinken zu lassen.

Klar: Der Satz ging etlichen Politikern und Wirtschaftsvertretern ins Auge und lieferte so der Aargauer Zeitung am Montag darauf gleich auch den Frontseiten-Aufhänger: «Unnötiges Seitenfeuer aus der Wirtschaft» stand da als Headline – ein Zitat des CVP-7×24-Kommentators Pirmin Bischof, amtierender Nationalrat und Kandidat fürs Stöckli aus der zum AZ-Hoheitsgebiet gehörenden Ambassadorenstadt am Jura-Südfuss.

Eine andere Aussage Grübels ist aber viel überraschender

»In der Finanzkrise 2008 musste der Staat eingreifen, weil die Märkte versagten – auch die UBS musste gerettet werden», lautete eine, offenbar als Provokation gedachte, «Frage» der interviewenden Journalisten im grossen Interview. Die Antwort Grübels, wörtlich: «Inzwischen ist belegt, dass die Finanzkrise zum Grossteil aufgrund politischer Entscheide entstanden ist. Man hat zu viel Leverage (Renditesteigerung durch Verschuldung; die Red.) zugelassen, man hat bei Immobilien erlaubt, dass Kredite mit mehr als 100 Prozent Belehnung aufgenommen werden konnten. Die Banken sind da natürlich kräftig mitschuldig, sie hätten sich aus solchen Geschäften heraushalten sollen.»

Diese Aussage des obersten operativen Chefs einer der grössten international agierenden Grossbanken der Welt muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Der Staat hat gewisse (Bank-)Geschäfte zugelassen und ist damit der Hauptschuldige an der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008. Die Banken haben sich dieser erlaubten Freiheiten bedient und sich dabei an der Finanz- und Wirtschaftskrise «mitschuldig» gemacht!

Die Aussage Grübels könnte ebensogut von einem Politiker aus den Reihen der Sozialdemokraten stammen: Der Staat hat Geschäfte erlaubt, die eigentlich verboten gehört hätten! Die Schuldigen an der Krise sind also jene, die die entsprechenden «politischen Entscheide» gefällt haben – oder mit anderen Worten: die den Banken zu viel Freiheit gegeben haben!

Die Aussage Grübels ist eine Forderung an die Politik: Verbietet endlich, was verboten sein sollte!

Bis jetzt galt unter den Vertretern einer liberalen Wirtschaftsordnung das Gegenteil: Der Staat soll sich bitte raushalten! Die freie Marktwirtschaft regelt sich schon selbst. Eingriffe und Regulierungen sind vom Teufel. Wenn ein Politiker einen Regulierungsvorschlag macht, ist, etwa im neoliberalen Wirtschaftsteil der NZZ, ganz schnell von einem «Regulierungs-Tsunami» zu lesen.

Leider haben die interviewenden Journalisten des «Sonntag», Chefredaktor Patrik Müller (sonst ein kluger Kopf!) und Beat Schmid, nicht nachgehakt: «Was, lieber Herr Grübel, sollten die Staaten denn künftig verbieten, damit die Banken – bzw. die Banker – sich nicht vertun und sich nicht an neuen Krisen ‹mitschuldig› machen? Die Leerverkäufe? Den Eigenhandel? Die Währungsspekulation? Die Hedge Funds?»

So ganz konsequent mochte UBS-Boss Oswald Grübel im Interview dann doch nicht sein. Die höheren Eigenkapital-Forderungen etwa mochte er gar nicht loben und machte sie vorsichtshalber schon mal für ein schlechteres Abschneiden der Schweizer Grossbanken im internationalen Wettbewerb verantwortlich. Auch in anderen Punkten blieb Oswald Grübel widersprüchlich: Die kleine Schweiz ist zwar nicht stark genug, sich gegen die grossen Währungen EURO und USD zu verteidigen. Sie darf aber ihre Währung nicht an den Euro binden, da sie sonst ihre Unabhängigkeit verliert. Wie jetzt: nicht stark genug? Oder doch stark genug, unabhängig zu bleiben?

Kein Interview ohne Homestory-Komponente

Das Mega-Interview im «Sonntag» erschien nicht etwa im Wirtschaftsteil, sondern im Bund «Menschen», da, wo gewöhnlich die Home- und People-Stories zu finden sind. Oswald Grübel allerdings eignet sich für eine Home-Story nicht, nicht nur weil er als Banker in der Welt der Diskretion und Intransparenz lebt, er hat wohl auch wirklich wenig Privatleben. Am Wochenende gehe er oft an von der UBS gesponserte Anlässe, sagte er, und, auf seine Zeit nach der Pensionierung angesprochen: nein, einen Garten zum Rosenzüchten habe er nicht, er werde weiterhin im Büro vor dem Bloomberg-Bildschirm sitzen. (Offensichtlich getreu dem UBS-Claim: «Wir werden nicht ruhen.»)

In einem Punkt seines Privatlebens allerdings gab er eine Anwort. Wenn er jetzt schon 40 Jahre in der Schweiz arbeite und ein bekennender Schweiz-Fan sei, warum er denn noch keinen Schweizer Pass habe, war die Frage. Grübels Antwort, wörtlich: «Man hat ihn mir bisher nicht angeboten.»

Auch diese seine Antwort erstaunt. Man hätte sie von einem 68jährigen, einem Top-Wirtschaftskapitän, nicht erwartet. Eher von einem 18jährigen: von einem Angehörigen der sogenannten «Anspruchsgeneration».


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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