Kommentar

Inseln – wie Finanz-Paradiese zur Hölle werden

Christian Müller © zvg

Christian Müller /  Inseln sind Symbole der Freiheit – in jedem Sinne des Wortes. Aber nicht alle Freiheiten werden von Allen gern gesehen.

Wer von uns hat nicht schon davon geträumt, eine Insel zu besitzen? Eine Insel, das Symbol der Freiheit! Der Freiheit in jeder Form, angefangen von Robinson Crusoe, der auf seiner Insel im Mündungsgebiet des Orinoco in aller Freiheit sein neues Leben beginnt, über die «Île du Levant» vor der südfranzösischen Küste, wo die Liebhaber der Freikörperkultur in aller Freiheit ihr Nudisten-Dasein ausleben können, bis zu den Kanalinseln Jersey und Guernsey, wo man in aller Freiheit sein Geld verstecken kann.

So ist es denn kein Zufall, dass Inseln die beliebtesten Plätze nicht nur für Ferien und Freizeit, sondern auch für Finanz-Machenschaften aller Art sind. Während zum Beispiel die Bananen aus Guatemala mit dem Schiff immer direkt nach Europa kommen, machen die Begleitpapiere – die Rechnungen für die Bananen – immer den Umweg über die Caiman-Islands in der Karibik, wo der Gewinn des Bananenhandels regelmässig hängen bleibt. Denn die Cayman Islands sind ein Steuerparadies. Sich als besonders clever verstehende Finanzleute machten – ein weiteres Beispiel – auch aus Island einen internationalen Finanzplatz mit besonders attraktiven Anlagemöglichkeiten – bis die blauäugigen Anleger im Jahr 2008 jäh aus ihrem Traum von der leichten Rendite geweckt wurden, weil die dortigen Grossbanken pleite waren.

Und jetzt also Zypern. Auch das wieder eine Trauminsel. Auch Zypern dachte sich, es könnte doch neben Sonne und Meer noch etwas mehr bieten: Gute Rahmenbedingungen für Firmen, um sie auf die Insel zu locken. Und wenn Politiker und Banker sich die Hand geben, geht es immer ganz schnell.

Zuerst schnell nach oben…

Wie immer im Business: Man fragt zuerst nach dem Zielpunlikum. Als relativ weit östlich gelegene Mittelmeer-Insel war schnell einmal Russland im Visier. Aber auch Firmen aus anderen ostmitteleuropäischen und osteuropäischen Ländern waren hoch willkommen. Das Handelsregister der Tschechischen Republik zum Beispiel verzeichnet zur Zeit 1912 Eintragungen von Firmen, die ihrerseits einer Firma auf Zypern gehören. Denn das hat zwei Vorteile: Erstens können damit die Besitzverhältnisse der Firma total verschleiert werden, und zweitens sind auf Zypern die Holdingsteuern deutlich tiefer als in Tschechien. Produzieren muss man ja deshalb auf Zypern nichts…

… und dann schnell nach unten

Die isländischen Banken hatten eine Bilanzsumme, die zehnmal grösser war als das BIP (die «Wirtschaftsleistung») des ganzen Landes. Ein Missverhältnis. Zyperns Banken haben zwar nur eine achtmal höhere Bilanzsumme als das BIP, aber auch das ist ein krasses Missverhältnis zwischen der Realwirtschaft und dem Finanzplatz. Denn was da die Banken gewinnbringend umherschieben, ist ja rein virtuell, existiert ja nur in den Computern der Banken. Wenn da plötzlich Zweifel und Misstrauen aufkommen, ist das alles ganz schnell nichts mehr wert.

Zyperns Finanzen waren denn auch schon vor einem halben Jahr in den Schlagzeilen der Medien. Die tschechischen Geldschieber haben das gesehen und ihr Geld ganz schnell auf andere Geld-Parkplätze verschoben, zum Beispiel nach Guernsey oder auch nach Malta – einmal mehr auf Inseln. Die Firmensitze auf Zypern mussten sie deshalb nicht totschlagen. Zur Verdeckung ihrer undurchsichtigen Geschäfte dienen die Gesetze auf Zypern allemal.

Wer allerdings sein Geld dort beliess, könnte schon nächste Woche einen kleinen Obolus davon abgeben müssen. Entsprechend gross ist das Geschrei der Geprellten – zu Recht, was die einheimischen Sparer betrifft, zu Unrecht, was die sich besonders clever fühlenden Finanz-Akrobaten betrifft.

Island vergessen

Das Geschrei in den Medien ist insofern etwas überraschend, als schon bei der «Rettung» von Island viele Sparer – oder eben Anleger – zu Schaden kamen. Island hat es in einer Volksabstimmung klar abgelehnt, als Steuerzahler ausländische Anleger zu entschädigen. Die inländischen Sparer allerdings konnten ihr Geld weitestgehend zurückerhalten.

Es geht um den unliebsamen Finanzplatz

Dass die Finanzminister der Euro-Staaten in Zypern die Anleger zur Kasse bitten wollen, ist kein Zufall. Genauso wie den Deutschen der Schweizer Finanzplatz ein Dorn im Auge ist, so ist der Finanzplatz Zypern praktisch allen europäischen Ländern ein Dorn im Auge. Diesen gilt es nun, wie es oft formuliert wird, endlich «trockenzulegen» – diesen «Sumpf»! Und einen Finanzplatz trockenlegen kann man am einfachsten, indem die Anleger das Vertrauen in diesen Finanzplatz verlieren. In Zypern verlieren sie das Vertrauen in den Finanzplatz aber ganz bestimmt, wenn sie von ihrem dort deponierten Geld zehn oder mehr Prozent abgeben müssen.

Auch ein Schuss vor den Bug der Schweiz

Und was kann die Schweiz aus dem Fall Zypern – und Zyperns Fall – lernen? Geht uns das alles nichts an?

Auch die Schweiz ist eine «Insel» – eine vermeintliche «Insel der Glückseligkeit» – auch wenn sie nicht vom Meer umgeben ist. Klar, die Schweiz ist reich und hat eine gesunde, wenn auch extrem exportabhängige Realwirtschaft. Und die Bilanzsumme der Schweizer Banken ist nur etwas mehr als viermal so gross wie das BIP. Aber auch das ist noch ein Missverhältnis. Und die Probleme mit den USA und mit Deutschland des Bankgeheimnisses wegen und wegen der tiefen Holdingsteuern – zum Beispiel in Zug – können durchaus auch als Parallele zu Zypern angesehen werden.

Das Interesse der EU und der USA, den Finanzplatz der Schweiz «trockenzulegen», ist längst aktenkundig. Die einen Staaten, etwa Deutschland, stört er, weil hier Steuersubstrat verlorengeht. Andere Staaten, allen voran England bzw. die UK, stört er, weil diese Staaten ihre eigenen Finanz-Sümpfe im internationalen Wettbewerb um Kapital bedroht sehen. Die Kanalinseln Jersey und Guernsey und die in der irischen See gelegene Isle of Man sind, genau wie Zypern (und die Schweiz) Trauminseln, wo noch die Freiheit herrscht: die Freiheit, Geld zu verstecken.

Die Verlogenheit sitzt mit am Verhandlungstisch.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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2 Meinungen

  • am 24.03.2013 um 22:12 Uhr
    Permalink

    Danke für den Artikel, den ich mit Interesse gelesen habe. Ich wünsche den Zyprioten, dass sie sich von der EU nicht erpressen lassen und stattdessen die Durchschlagkraft der Isländer haben.

    P.S. Mit einer Angabe im Text habe ich etwas Mühe. Woher haben Sie die Information, dass die Bilanzsumme der Schweizer Banken «nur etwas mehr als viermal so gross wie das BIP» ist? Alleine die Bilanzen von UBS und CS stellen schätzungsweise 10x das BIP (PPP), bzw. 6-7 das nominale BIP dar. [Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Schweizer_Bankwesen#Die_gr.C3.B6ssten_Banken_der_Schweiz%5D

    cm: Siehe Attachment unter "weiterführende Informationen", abrufbar unter SNB. Das BIP kann beim Secco abgerufen werden.

  • am 25.10.2013 um 15:38 Uhr
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    Ja, ja – immer auch kräftig auf die Schweiz prügeln, selbst wenn es im Grunde des Artikels um eine kleine Mittelmeerinsel geht, die ganz andere Gründe für ihre Probleme hat als die Schweiz. Und spiegelbildlich: Ein Loblied auf die internationale Despotengemeinschaft anstimmen, hier vertreten durch die USA und der EU, welche unter einem Heiligenschein ihre eigenen Interessen verfolgen.

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