Schwacher Standard bei der Standard-Arbeitskraft
Die sogenannte «Standard-Arbeitskraft» SAK macht‘s. Sie entscheidet über Sein oder Nichtsein des Bauern. Denn wenn die SAK eines Hofs kleiner als 0,25 ist, bekommt ein Bauer oder eine Bäuerin keine Direktzahlungen. Der Hof wird damit zu einem (teuren) Hobby. Hat ein Betrieb (je nach Kanton) weniger als 0,6 bis 1 SAK, verliert er den Gewerbestatus. Und wird für den Hofnachfolger unerschwinglich, weil er ihn dann zu normalen Bodenpreisen kaufen muss. Ist die SAK kleiner als 1,25, kann der Bauer keinen Investitionskredit beim Staat beantragen. Entsprechend schwer ist es dann, einen Stall-Neubau finanziell zu stemmen.
Die Kleinbauern liefen Sturm
Die SAK betrifft also vor allem kleine Bauern. Und die stehen in der Politik nur selten hoch im Kurs. Der Bundesrat wollte ihre Lage mit der Agrarpolitik 2014-17 (AP 14-17) noch verschärfen. Er schlug vor, ein paar Zahlen nach unten anzupassen, welche in die SAK-Berechnung einfliessen. Das hätte subito dazu geführt, dass 1500 Kleinbauern sämtliche Direktzahlungen, 4500 den Gewerbestatus und 5500 ihren Anspruch auf Investitionskredite verloren hätten – von insgesamt 55’000 Betrieben.
Die Kleinbauern liefen Sturm und der Bundesrat strich – wohl aus Angst vor einem Referendum – die SAK-Neuberechnung in letzter Minute aus dem Agrarpaket. Damit hat er vielleicht die AP 14-17 gerettet, aber nicht die Kleinbauern. Die zittern inzwischen erneut, weil spätestens in ein paar Wochen das Thema wieder auf der politischen Agenda stehen wird. Diesen Frühling muss der Bundesrat nämlich einen Bericht zur SAK vorlegen, so wie der Luzerner CVP-Nationalrat Leo Müller das verlangt hat. Der Bericht wird mit Spannung erwartet.
Der Berechnungsraster ist zu grob
Dass eine SAK-Anpassung notwendig ist, begründet der Bundesrat mit dem technischen Fortschritt: Man brauche heute dank schlagkräftiger Maschinen und Zuchtfortschritt weniger Zeit für dieselbe Arbeit. Damit wird der Anschein erweckt, dass die SAK die tatsächliche Arbeitsbelastung widerspiegle. Genau das ist aber nur scheinbar der Fall. Theoretisch entspricht eine SAK 2800 Arbeitskraftstunden pro Jahr, der tatsächliche Arbeitsbedarf kann aber wesentlich davon abweichen. Und das liegt nicht daran, dass die Maschinen effizienter geworden sind, sondern daran, dass der Berechnungsraster zu grob ist.
Für die Bewirtschaftung einer intensiven Wiese, die fünfmal im Jahr gemäht und gedüngt wird, wird z.B. genauso viel SAK-Zeit veranschlagt wie für eine extensive Wiese, die nur einmal im Jahr gemäht und überhaupt nie gedüngt wird. Ob eine Kuh von einem Roboter gemolken wird oder eine Bäuerin auf dem Melkschemel sitzend Hand ans Euter anlegt, spielt bei der SAK-Berechnung keine Rolle: So oder so werden pro Kuh und Jahr 0,043 SAK veranschlagt, was 120,4 Arbeitsstunden entspricht. Auch wenn man den SAK-Wert – wie der Bundesrat bei der AP 14-17 vorgeschlagen hat – auf 0,036 ändern würde, blieben diese Unterschiede in der Realität bestehen. Dass es SAK gibt, wenn jemand die Tiere auf die Alp bringt – wo sie in der Regel von fremden ÄlplerInnen betreut werden und ergo weniger Arbeit machen – zeigt ebenfalls, dass es sich bei der Standard-Arbeitskraft oft nur um eine Schein-Arbeitskraft handelt.
Anstiftung zur Ineffizienz?
Das könnte man natürlich ändern. Die Schweiz hat schliesslich viele Spezialisten, auch in Sachen Arbeitszeiterfassung. Einer davon ist Matthias Schick von der Forschungsanstalt Agroscope Tänikon. Er zeigte letzten Herbst an einer Tagung auf, wie man die SAK minuziös berechnen könnte. Die Forscher wissen nämlich schon heute ganz genau, dass ein Bauer 1,1 Minuten pro Tier und Tag für die manuelle Laufhofreinigung braucht, 0,4 Minuten für den Aufbau eines Weidenzauns, 2,9 Minuten fürs Eingrasen und so weiter und so fort. Sie könnten fast auf die Sekunde genau berechnen, wieviel Arbeitszeit pro Hof und Jahr benötigt wird. Die meisten Daten in der Arbeitszeitdatenbank sind sogar schon vorhanden und liegen erst noch in allen drei Landessprachen vor.
Für den Forscher liegen die Vorteile auf der Hand: «Das System ist vollständig transparent. Man kann jeden Schritt jederzeit nachvollziehen.» Selbstverständlich müsste man die Datenbank laufend aktualisieren und dem Stand der Technik anpassen. Das sichert Arbeitsplätze in der Forschung und generiert Unmengen Daten für die Verwaltung. Die Frage ist nur: Wozu? Was soll das bringen? Als die SAK eingeführt wurde, wollte man damit in erster Linie die Bildung wettbewerbsfähiger Strukturen fördern. Mit einer minutiösen Arbeitszeitberechnung würde man die Bauern aber nur dazu animieren, möglichst ineffiziente Strukturen beizubehalten – um ja keine SAK zu verlieren.
Diverse Beiträge werden nicht berücksichtigt
Abgesehen davon, dass die Wettbewerbsfähigkeit eines Betriebes nicht nur von dessen Grösse abhängt, hat die SAK noch eine weitere Funktion: Sie soll die gesellschaftliche Akzeptanz des Direktzahlungssystem sicherstellen. Pro SAK werden deshalb nicht mehr als 80’000 Franken im Jahr ausbezahlt. Auch das ist allerdings nur scheinbar der Fall. In Wirklichkeit kann ein Bauer nämlich rein rechnerisch auf eine ganze SAK kommen (2800 Arbeitsstunden), seinen Betrieb aber trotzdem im Nebenerwerb führen. Das ist möglich, wenn er besonders extensiv wirtschaftet. Da Vernetzungs-, Landschaftsqualitäts-, Übergangs- und Sömmerungsbeiträge bei der SAK-Grenze ohnehin nicht berücksichtigt werden, kann dieser Bauer für vielleicht tausend Arbeitsstunden auf dem Hof 100’000 Franken oder mehr Direktzahlungen beziehen, während ein anderer Bauer mit fast gleich viel geleisteten Arbeitsstunden womöglich leer ausgeht, weil er rein rechnerisch die SAK-Untergrenze verfehlt.
Direktzahlungen auch für ökologische Strafanstalten
Eigentlich sollen Direktzahlungen hauptsächlich Leistungen abgelten. Abweichend vom Verfassungsauftrag, der grundsätzlich die Förderung der bäuerlichen Familienbetriebe vorsieht, können deshalb auch Bund, Kantone, Gemeinden und juristische Personen Direktzahlungen beziehen. Allerdings nur für Biodiversitäts- und Vernetzungsflächen sowie für Landschaftsqualität. Der Bundesrat begründet das damit, dass jeder, der eine gesellschaftlich erwünschte Leistung erbringt, auch dafür entschädigt werden soll. Wobei er unter «jeder» alle versteht, die nicht zu den Kleinbauern zählen. Deshalb kann z.B. eine Strafanstalt vom Staat Direktzahlungen beziehen, sobald sie eine Blumenwiese pflegt – während ein Hobbybauer bei derselben Arbeit leer ausgeht, solange er die SAK-Untergrenze nicht erreicht. Das System ist eben nur scheinbar gerecht.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Eveline Dudda ist freischaffende Agrarjournalistin, Hinterforst www.dudda.ch
Das ist wieder mal am «rechten» Ort gespart. Gerade die kleineren Betriebe können viel zur Artenvielfalt beitragen. Und dass diese sehr wichtig ist, sollte sich herumgesprochen haben.
Und alles was man bei den Kleinen meint einzusparen, verursacht auf anderer Seite weit höhere Kosten (Gesundheit, Ökologie, Landschaft, Bienen usw.)
Vielleicht müssten auch mal die Zahlenkünstler ein Jahr lang
wirklich auf so einem Hof schaffen.
Schon lange habe ich mich gefragt warum der Staat nur Grossbauern will. Dabei würden mehrere kleinere Bauern nicht nur mehr Zeit für die Landschaftspflege haben, sondern auch sonst aussterbende Siedlungen beleben. Jedenfalls sind die Leistungen kleiner Bauern pro Einheit nicht weniger. Der Verwaltungsaufwand kann im heutigen Informationszeitalter sicher nicht der Grund sein. Vielleicht wäre eine Kleinlandwirtschaft auch für sonst Ausgesteuerte oder Arbeitslose eine befriedigendere Beschäftigung.
Dass ein Betrieb mit Gewerbestatus einem Nachkommen für einen Preis unter dreifachen Jahresdirektzahlungen übergeben werden MUSS und obendrein noch Investitionskredite als Startkapital erhält, während jemand der neu eine Landwirtschaft anfängt leer ausgeht, ja im ersten Jahr nicht mal Direktzahlungen erhält (trotz ausreichend SAK) hat meiner Meinung mit Gerechtigkeit auch wenig zu tun. Dies macht es für Quereinsteiger unheimlich schwierig, während die anderen dank ihrer Liquidität ungehindert weiterwachsen können.
Es hat leider die Tendenz – auch auf anderen Gebieten – die Kleinen auszuschalten. Die «Grossen» kann man leichter auf naturfern bringen. Der Grossunternehmer hat weniger Bezug und Liebe zur Natur als der Bauer und Kleinbauer. Daher sollten wir uns vielmehr mit diesen Themen befassen.