Beruhigende Nachrichten vom Zürcher Flughafen
Dieser Tage ging ein Rundschreiben des Komitees «Weltoffenes Zürich» in Hunderte oder auch Tausende von Business-Briefkästen. Titel des Begleitschreibens: Flughafen Zürich: Staatsvertrag ist ohne Alternative. Unterschrieben war der Begleitbrief von Martin Naville, seines Zeichens nicht nur Präsident des Komitees Weltoffenes Zürich, sondern auch CEO der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer, und von Dr. Thomas O. Koller, einem PR-Vollblut mit eigener PR-Firma (Vector. communications). Dazu ein sechs A4-Seiten starkes Info-Blatt «Standpunkt». Titel: Staatsvertrag ist ohne Alternative!
Eigentlich müsste ja etwas, zu dem es keine Alternative gibt, nicht besonders interessieren. Man beschäftigt sich in schwierigen Zeiten ja lieber mit der Frage, wo eventuell Alternativen zum Bestehenden zu besseren Lösungen führen könnten, zum Beispiel und nicht zuletzt in der Finanzwirtschaft. Aber wenn man dann im Vorstand und unter den Komitee-Mitgliedern Leute entdeckt, die einem persönlich bekannt und in Sympathie verbunden sind, liest man so einen PR-Wisch halt eben doch.
Bemerkenswerte Fakten
Eigentlich weiss man es ja, aber die Zahlen erschrecken doch immer wieder: 36 Prozent des Schweizer Bruttoinlandprodukts BIP werden von den Multinationalen Companies (MNC) erwirtschaftet – mehr als ein Drittel! Und dies in einem Land, dessen wählerstärkste Partei die Landesgrenzen am liebsten zumauern würde. Zum BIP-Anteil von 36 Prozent tragen ausländische MNC 14 Prozent bei und Schweizer 22 Prozent.
Eine erste Grafik in dem PR-Flyer des Komitees «Weltoffenes Zürich» zeigt, dass die im Ausland aktiven Firmen mit Sitz in Zürich vor allem in Europa tätig sind. Aus einer Umfrage geht offenbar hervor, dass von den befragten Firmen über 90 Prozent mit anderen Ländern in Europa Geschäfte tätigen, aber zum Beispiel nur 40 Prozent in Nordamerika und nur 30 Prozent in China (siehe Grafik oben).
Interessant aber ist vor allem eine zweite Grafik: Die Bedeutung des Flughafens nach Branchen. Bei der Frage, wie gross die Bedeutung des Flughafens für die Firma ist, beantworteten in der Finanzmarkt-Branche 70 Prozent der Firmen mit «sehr gross» oder «ziemlich gross». Im Gastgewerbe (inkl. Hotellerie) waren es nur noch 40 Prozent, für die die Bedeutung des Flughafens «sehr gross» oder «ziemlich gross» ist. In der Produktionsindustrie waren es sogar nur noch 35 Prozent (siehe Grafik oben).
Was heisst das konkret? Es sind wieder einmal die Banken und anderen Finanzdienstleister (also zum Beispiel die Versicherungen), die den Flughafen vor allem brauchen. In den anderen Branchen, in der «realen Wirtschaft», ist die Bedeutung des Flughafens für zwei von drei im Ausland aktiven Firmen nicht einmal «ziemlich gross», der Flughafen also eben nicht besonders wichtig.
Beruhigende Zahlen
Mit Verlaub: Das sind doch eigentlich beruhigende Zahlen. Denn nur für die Banken muss der Flughafen wirklich nicht ausgebaut werden. Erstens ist es ausgerechnet die Branche, derentwegen die Schweiz seit 2008 nichts als Troubles hat und die zusätzliche Subventionen in Form von Flughafen-Ausbauten und Pisten-Verlängerungen wirklich nicht verdient. Und zweitens deuten alle überschaubaren Indizien darauf hin, dass der Bankensektor in der Schweiz vor einem massiven Abbau steht. Eben hat die UBS formell verlauten lassen, dass sie weltweit 10’000 Arbeitsplätze abbauen wird, davon allein in der Schweiz 2500.
Der Staatsvertrag Schweiz-Deutschland betr. An- und Abflugrouten des Flughafens Zürich bringt insgesamt eine Verschlechterung der Überflugszeiten für die Region Zürich, aber als (vermeintliche) Gegenleistung den Verzicht auf eine Beschränkung der Gesamtanzahl Anflüge. Aus Flughafensicht hätte die bisher vorgesehene Beschränkung der Anflüge eine Beschränkung des möglichen Wachstums des Flughafens bedeutet.
Der Flugverkehr in Zürich muss jedoch nicht noch weiter zunehmen, wenn man sieht, wer – neben dem Flughafen selbst – der Hauptprofiteur des Zürcher Flughafens ist: Eine Branche, die nach dem Fall des Bankgeheimnisses und nach der hoffentlich baldigen Einführung einer Finanztransaktionssteuer ohnehin keine Wachstumsbranche mehr sein wird. Man kann auf den Staatsvertrag also auch verzichten.
Gälten auch im Flugverkehr Marktregeln, würden die massiven Subventionen sowie die Steuerfreiheit für Flugbenzin und -Tickets abgeschafft. Als Folge davon würde das Fliegen erheblich teurer, so dass auf absehbare Zeit ohnehin weniger Passagiere und Waren hin und her geflogen würden.
Das einzige Foto in dem Infoprospekt des Komitees «Weltoffenes Zürich» zeigt eine Airbus A–380 der Singapore Airlines – von hinten. Dr. Thomas O. Koller, der PR-Mann, der gemäss Impressum das Bild geschossen hat, hat damit, wenn auch unfreiwillig, ein Symbolbild geschaffen: Solche Flugzeuge werden wir künftig vor allem von hinten sehen, dann nämlich, wenn sie Zürich für immer bye bye sagen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Der Flughafen Zürich ist natürlich nicht für die Zürcher Wirtschaft zu seiner heutigen Grösse gewachsen. Es ist hauptsächlich ein Flughafen für Bade-, Shopping- und andere Schweizer Touristen sowie für Touristen aus anderen Ländern, die vom Lufthansa-Konzern hier auf andere Flüge umgeladen werden. Bei den heutigen Dumpingpreisen «lohnt» es sich ja, für ein paar billige Kleider ein paar Stunden zu fliegen. Für die Umwelt lohnt sich dieser Blödsinn natürlich nicht, für die Staatskasse auch nicht, denn Flugreisen sind im Gegensatz zu Bahn- oder Autoreisen komplett steuerbefreit.