Anti-Globalisten prangern neue Kolonialisierung an
Am Weltsozialforum im senegalesischen Dakar haben sich die «Anti-Globalisten» im Februar getroffen. In Wirklichkeit sind sie Globalisten. Sie fordern aber eine andere Globalisierung: Im Interesse einer nachhaltigen und gewaltlosen Entwicklung.
In Dakar war «Land- Grabbing» ein wichtiges Thema. Grossgrundbesitzer oder Bodenspekulanten verkaufen reichen Staaten und Konzernen Ackerland, wo Nahrungsmittel für den Export produziert werden. Afrikas Kleinbauern verlieren ihre Existenz, die Nahrungsmittel werden knapp und massiv teurer. Es kommt zu Hungeraufständen.
Gleichzeitig findet auf den Meeren ein «Sea-Grabbing» statt. Immer häufiger werfen europäische Fangflotten ihre Netze vor Ländern wie Senegal oder Mauretanien aus. 22 Kilo Fisch isst heute im Durchschnitt jeder Europäer jährlich. 70 Prozent davon sind importiert. Etwa 30 Prozent der afrikanischen Fische, die nach Europa exportiert werden, sind illegal gefangen. Afrika verdient an diesem Grundpfeiler der Wirtschaft immer weniger.
Afrika ist das Opfer eines weiteren Raubzugs: Gold und andere kostbare Edelmetalle haben den «verlorenen Kontinent» inzwischen zu einem interessanten Wirtschaftsstandort für die Industrieländer gemacht. Der Grossteil des Gewinns aus diesem Geschäft geht ins Ausland. Nur eine kleine lokale Elite profitiert.
Der Schachzug von Microsoft
Afrika bleibt in der vernetzten Welt ein schwarzes Loch. In der Subsahara ist das Internet immer noch ein Luxus-Produkt. Hohe Internetkosten und Analphabetenraten, langsame Verbindungen und geringe Computerkenntnisse ermöglichen nur einer kleinen Elite das Surfen im Net. Für die neue Informationstechnologie verschwenden die Länder aber riesige Summen und bringen den Kontinent in neue Abhängigkeiten. Afrika sollte jetzt Gelegenheit erhalten, dank freier Software eine der eigenen Welt angepasste Informationskultur aufzubauen. Das Gegenteil passiert. Monopolisten wie Microsoft gelingt es, afrikanische Regierungen zu überzeugen, die Schulen mit ihren Produkten auszustatten. Dieser Tage hat Microsoft einen Vertrag mit dem Erziehungsministerium von Senegal abgeschlossen. Mit Unterstützung der Weltbank und der US-Regierung (USAID) sollen in rund 11 400 Schulen Computer installiert werden. Am Programm beteiligt sind 78 500 Lehrer und etwa 2,5 Millionen Schüler. Mit diesem als Hilfe deklarierten Schachzug sichert sich Microsoft in Senegal eine marktbeherrschende Stellung.
50 Jahre nach der Unabhängigkeit findet in Afrika eine neue Form des Kolonialisierung statt. Die Bevölkerung ist diesen Prozessen hilflos ausgeliefert, weil es an kompetenten, unabhängigen Journalisten und Medien.
fehlt, die über diese Vorgänge informieren sollten.
Senegal galt einmal als Leuchtturm der demokratischen Oeffnung für ganz Afrika. Die ungleiche wirtschaftliche Entwicklung und korrupte Behörden haben das Land in eine Sackgasse geführt. Tunesische Verhältnisse werden befürchtet. Das Regime hat «Angst vor dem Ben Ali Syndrom» (Zeitung «Le Populaire» 3. Februar 2011).
Warum Papierlose aber nicht Raubfischer?
Das Weltsozialforum fordert andere Regeln, welche die Kleinbauern und Fischer vor den Raubzügen aus dem Norden besser schützen.
Anstatt auf den Meeren Papierlose aus Afrika zu jagen, so eine afrikanische Stimme, sollten sich die Küstenwachen besser auf die illegale Fischerei konzentrieren.
«Lasst uns arbeiten und wir werden Afrika ernähren,» glaubt der senegalesische Bauernführer Mamadou Cissokho. Afrika kämpft gegen eine Rekolonialisierung und braucht eine alternative Globalisierung, die dem Kontinent Souveränität garantiert: In der Ernährung, in der Bildung, in den Informations- und Kommunikationsströmen. Die jetzt dominierenden Modelle der Globalisierung machen Afrika erneut abhängig und spalten die Bevölkerung. Explosionen wie in Tunesien oder Aegypten sind vorprogrammiert.
Das Weltsozialforum zwingt auch, über die unglaubwürdige Haltung der Schweiz nachzudenken. Wenn zum Beispiel in unserem Land Parteien mit fremdenfeindlichen Parolen gegen die Migration polemisieren gleichzeitig aber die Entwicklungshilfe und gerechtere Spielregeln im Welthandel bekämpfen, die Kleinbauern und Fischern ihre Existenzgrundlage sichern helfen und damit den Exodus der produktivsten Kräfte langfristig eindämmen könnten.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine