Vollzug der Raumplanung wird finanzierbar
Seit zwei Jahren feilschen Bundes-, Stände- und Nationalrat um die Revision des Raumplanungsgesetzes. Diese Revision soll der grünen Landschaftsinitiative, die ein 20jähriges Verbot von neuen Bauzonen verlangt, als indirekter Gegenvorschlag gegenüber gestellt werden. Den zentralen Streitpunkt bildete Artikel 5. Dieser regelt die Abschöpfung des Mehrwertes, den ein Landeigentümer erhält, wenn sein (Kultur-)Land neu als Bauland eingezont wird.
Mehrwertabgabe von 20 Prozent
Bundes- und Nationalrat wollten die Mehrwertabschöpfung weiterhin den Kantonen überlassen (die diese Abschöpfung bisher mehrheitlich ablehnten). Der Ständerat hingegen forderte eine verbindliche Abgabe von «mindestens 20 Prozent» auf Mehrwerten, die bei «neu und dauerhaft einer Bauzone zugewiesenen Böden» entstehen. Auf diese Haltung schwenkt jetzt auch Bundesrätin Doris Leuthard ein und argumentierte im Nationalrat: «Es ist nichts als gerecht, wenn ein Grundeigentümer, der ohne sein Zutun mit einem Planungsentscheid des Gemeinwesens über Nacht zum Millionär wird, zumindest einen Teil dieses Mehrwertes der Allgemeinheit zurückgibt.»
Der Nationalrat, der eine verbindliche Mehrwertabgabe bisher stets abgelehnt hatte, folgte in seiner neuen Zusammensetzung diesem Argument: Er befürwortete am Donnerstag die 20prozentige Abgabe mit 114 gegen 71 Stimmen. Dabei wechselte die «neue Mitte» aus CVP, BDP und GLP zu den linksgrünen Beürwortern. Gegen die Mehrwertabgabe wandten sich gestern nur noch Mitglieder von SVP und FDP. Klassenkämpferisch argumentierte dabei der freisinnige Christian Wasserfallen: «Wir brauchen keinen Sozialismus im Bodenrecht.»
Auszonungen werden finanzierbar
Die Mehrwertabgabe mindert nicht nur die Planungsgewinne, die eine Minderheit von Landeigentümern ohne eigene Leistung erzielt. Sie dient auch zur Finanzierung der Raumplanung. Denn der Ertrag der Abgabe muss verwendet werden, um Minderwerte zu entschädigen, die bei Rückzonungen entstehen. So verlangt der revidierte Artikel 15 des Raumplanungsgesetzes ausdrücklich: «Überdimensionierte Bauzonen sind zu reduzieren.» Diesem deutlichen Auszonungs-Gebot stimmte der Nationalrat gegen den Willen von Doris Leuthard mit 95 zu 83 Stimmen zu und folgte damit ebenfalls dem Ständerat. Als «überdimensioniert» gelten Bauzonen dann, wenn sie den Bedarf der nächsten 15 Jahre überschreiten.
Überrissene Bauzonen dürfte es schon nach dem bisherigen Raumplanungsgesetz aus dem Jahr 1979 nicht geben. Doch das Gesetz, das einen haushälterischen Umgang mit dem Boden verlangt, blieb 30 Jahre lang ein Papiertiger, weil es nicht vollzogen wurde. Das kritisierte der Basler SP-Nationalrat Beat Jans. So hätten die Bundesbehörden überdimensionierte Bauzonen in den Richtplänen stets fraglos akzeptiert und damit die Zersiedelung gefördert.
Rückzug der Landschaftsinitiative
Die jetzt revidierte Gesetzesfassung macht den Vollzug griffiger. «Das ist ein Meilenstein in der Raumplanung», kommentiert Raimund Rodewald, Geschäftsleiter der Stiftung für Landschaftsschutz. Der explizite Beschluss zu Gunsten einer Reduktion von überdimensionierten Bauzonen sowie einer Mehrwertabgabe erlaube es den Umweltorganisationen, ihre Landschaftsschutzinitiative zurück zu ziehen. «Die Kernforderung der Landschaftsinitiative wäre damit erfüllt», schreibt auch Otto Sieber, Zentralsekretär von Pro Natura.
Der Konjunktiv «wäre» ist wichtig. Denn einige Hürden stehen dem revidierten Gesetz noch bevor: Erstens müssen National- und Ständerat einige – unwesentliche – Differenzen noch bereinigen, zweitens das Gesetz in der Schlussabstimmung befürworten. Drittens ist auch ein Referendum – und damit eine Volksabstimmung – nicht ausgeschlossen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine