Schweizer Ökostrom kommt primär aus dem Ausland
Die Politik denkt, aber der Markt lenkt anders. Das gilt speziell bei der Förderung von Strom aus erneuerbarer Energie.
Ziele und Realität in der Schweiz
Die Schweizer Politik verfolgt das Ziel, den langfristig wegfallenden Atom- durch inländischen Ökostrom zu ersetzen. Die Energiestrategie des Bundesrats, die der Ständerat zurzeit berät, setzt dazu folgende «Richtwerte»: Die Produktion von Strom aus erneuerbarer Energie exklusive Wasserkraft soll erhöht werden, nämlich auf 4 Milliarden Kilowattstunden (Mrd. kWh) im Jahr 2020 und auf 14,5 Mrd. kWh im Jahr 2035. Der Ständerat hat am Montagabend diesen Ökostrom-Richtwert für 2035 etwas herabgesetzt, nämlich auf 11,5 Mrd. kWh.
Den Stellenwert dieser politischen Ziele veranschaulichen zwei Vergleiche:
- Im Jahr 2014 erzeugte Firmen und Private in der Schweiz 1,5 Milliarden kWh Ökostrom; dabei handelt es sich um die Summe aus Solar- und Windenergie sowie Biomasse im Inland. Nicht in dieser Zahl enthalten sind die 1,1 Milliarden kWh Strom, die Kehrichtverbrennungs-Anlagen aus Nahrungsabfällen, Rüstabfällen und andern nachwachsenden Stoffen erzeugen.
- Das Kernkraftwerk Mühleberg, das 2019 abgeschaltet wird, produzierte letztes Jahr 3 Milliarden kWh Atomstrom.
Mehr Windstrom im Ausland
Weit umfangreicher als im Inland ist die Schweizer Ökostrom-Produktion im Ausland. Dabei handelt es sich in erster Linie um den Strom, den Schweizer Elektrizitätsunternehmen mit ihren Beteiligungen an europäischen Windkraftwerken erzeugen. Das zeigen die Zahlen der grossen Stromkonzerne (Axpo, Alpiq, BKW Energie und Repower) sowie von fünf weiteren ausgewählten kantonalen, regionalen und städtischen Elektrizitätswerken (siehe Tabelle).
Quelle: Geschäftsberichte 2014, Angaben Stromfirmen / Schätzung und Zusammenstellung für 2015: Guggenbühl / Tabelle: «Die Südostschweiz»
Diese neun Schweizer Elektrizitätsunternehmen zusammen werden ab 2015 schätzungsweise 3,8 Milliarden kWh Windstrom pro Jahr produzieren – und damit die Produktion des Atomkraftwerks Mühleberg bereits übertreffen. Von diesen 3,8 Milliarden kWh entfallen über 95 Prozent auf Beteiligungen an Windkraftwerken im Ausland. Denn die Produktion aller inländischen Windkraftwerke belief sich 2014 lediglich auf 0,1 Milliarden kWh.
Die zahlreichen Windkraftwerke, die Schweizer Stromfirmen besitzen, oder an denen sie beteiligt sind, verteilen sich über ganz Europa. Die meisten befinden sich in Deutschland, Italien, Spanien und Frankreich. Ein ganz Grosser, der kürzlich eingeweihte Windpark «Global Tech I», an dem die Axpo zu einem Viertel beteiligt ist, steht in der Nordsee.
Profit aus verpönten Subventionen
Es ist der Markt, der die Investitionen von Schweizer Stromfirmen ins Ausland leitet, genauer: Der durch Subventionen verfälschte Strommarkt. Denn die meisten europäischen Staaten subventionieren neben der Kohle auch die Produktion von Strom aus Wind-, Solar- und Biomassekraftwerken; dies analog zur Schweiz mit einer kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV).
Dazu ein extremes Beispiel: Für den Strom, den die Axpo im Windpark «Global Tech I» produziert, erhält sie in den ersten acht Betriebsjahren eine Einspeisevergütung von 19,4 Euro-Cent pro kWh (umgerechnet über 20 Rappen). Diese Vergütung liegt um mehr als 15 Rappen über dem aktuellen Marktpreis. Das heisst: Allein für die 350 Millionen kWh Strom, welche die Axpo in diesem Windpark jährlich erzeugt, erhält sie von Deutschland eine Subvention im Umfang von 50 Millionen Franken pro Jahr oder 450 Millionen Franken in neun Jahren. Etwas tiefer, aber offenbar immer noch lukrativ, sind die subventionierten Einspeisevergütungen für Windkraftwerke auf dem Festland.
Hier klagen, dort kassieren
Die Investitionen in subventionierte ausländische Windkraftwerke stehen nicht nur im Konflikt mit der Schweizer Energiepolitik, die eine möglichst autarke Stromversorgung im Inland anstrebt. Sie bringt auch die Schweizer Stromunternehmen in Erklärungsnot: Einerseits klagen diese, der subventionierte Ökostrom aus dem Ausland verfälsche den Strommarkt und mache die einheimische Wasserkraft unrentabel. Axpo-Verwaltungsrat Roland Eberle etwa sprach am Montag im Ständerat markig von einem «durch Subventionen versauten Markt». Andererseits kassieren sie mit ihren Investitionen im Ausland selber einen Teil der verpönten Subventionen.
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
Interessant scheint mir die Frage, ob mit den Beteiligungen auch Bezugsrechte verbunden sind, und wie diese ausgestaltet sind.
Warum sollten die CH-Stromfirmen nicht im Ausland in saubere Energie investieren? Man sollte sie eher dafür kritisieren, es so wenig tun und fragen, warum sie es so wenig tun. (Die Antwort ist: Es war ihnen nicht rentabel genug. Sie strebten mal 10 bis 20 Prozent Rendite an, statt der vielleicht 5, den EEG-Windstrom bietet. Sie wären allerdings gut beraten gewesen, die 5 Prozent zu nehmen, statt mit Gaskraftwerken im Ausland Verluste zu generieren.) Die Gas- und Kohlekraftwerke der CH-Stromer im Ausland gehören kritisiert, bzw. die Stromfirmen, die sie bauten (Repower, Axpo, Alpiq, BKW, AET, Regio Energie Solothurn und Groupe e); nicht die doch recht bescheidenen, sauberen und rentablen Auslandinvestitionen in Windenergie (rentabel für die Unternehmen).
Zu kritisieren ist aber/ferner natürlich die elende Trittbrettfahrerei der Schweiz, die sich davor drückt, ihren Anteil zu leisten, wenn es darum geht, den neuen Erneuerbaren zum Durchbruch zu verhelfen. Und die EWs sind zu brandmarken für die Rolle welche sie dabei in der Lobby des Bundeshauses spielen.
Womit wir wieder einmal beim Thema Subventionen, Steueranreizen usw. wären, die von der Politik aus kurzfristigen Motiven (schnelle Erfolge für eine Legislaturperiode und die darauffolgende Wiederwahl) wären. Überhaupt nicht nachhaltig – und hat, anders als der Autor das behauptet, mit einem «Markt» so ziemlich nichts zu tun. Ich erinnere da nur an die Geschichte rund um das Nokia-Werk in Bochum, welches nach Auslaufen der Subventionen 2008 sofort nach Rumänien verlegt wurde.