Neue Wasserkraft verringert den Stromertrag
Als Bundesrätin Doris Leuthard nach dem Atomunfall in Fukushima die Energiewende in der Schweiz ankündigte, witterte die Wasserkraftlobby Morgenluft. Parlamentarier aus Bergkantonen und Sachwalter der Stromwirtschaft forderten einen Ausbau der Schweizer Wasserkraft-Nutzung mit dem Ziel, die hydrologische Stromproduktion im Inland um vier bis fünf Milliarden Kilowattstunden (kWh) zu erhöhen. Auch Bundesrätin Leuthard rechnete anfänglich mit einer Mehrproduktion von mindesten vier Milliarden kWh.
Die Szenarien des Bundes
Doch diese Ziele lassen sich kaum erreichen. Das zeigt jetzt die neuste «Abschätzung des Ausbaupotenzials der Wasserkraftnutzung im Rahmen der Energiestrategie 2050», die das Bundesamt für Energie (BFE) gestern veröffentlichte. Dieser Bericht, der auf früheren Studien und einer breiten Anhörung basiert, skizziert zwei mögliche Szenarien:
– Szenario 1 zeigt das Potenzial «unter heutigen Nutzungsbedingungen». Demnach lässt sich die Wasserkraft-Nutzung bis 2050 um 1,5 Milliarden kWh steigern. Gegenüber der heutigen mittleren Jahresproduktion von 35,8 Milliarden kWh entspricht das einer Zunahme um 4 Prozent.
– Szenario 2 geht von «optimierten Nutzungsbedingungen» aus. Dieses optimistische Szenario setzt laut BFE eine «Änderung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen» voraus. Konkret: Ökonomisch müssten die Preise auf dem Strommarkt steigen oder neue Wasserkraftwerke subventioniert werden. Gesellschaftlich respektive politisch braucht es bei der Interessenabwägung zwischen Naturschutz und Wasserkraftnutzung eine «stärkere Gewichtung der Nutzung». Unter diesen Voraussetzungen liesse sich die Stromproduktion aus Wasserkraft bis 2050 um jährlich 3,2 Milliarden kWh erhöhen. Das entspricht einem Zuwachs von neun Prozent oder der heutigen Jahresproduktion des kleinen AKW Mühleberg.
Negative Bilanz der Pumpspeicher
Doch die beiden Szenarien zeigen nur die halbe Wahrheit. Denn im BFE-Bericht, so erfährt man auf Seite 6, wird «die Produktionszunahme aus dem reinen Umwälzbetrieb nicht behandelt». Beim Umwälzbetrieb handelt es sich um den Strom, den Pumpspeicher-Kraftwerke mit jenem Wasser produzieren, das zuvor in die Stauseen hinauf gepumpt worden ist.
Die geplanten und im Bau befindlichen neuen Schweizer Pumpspeicher-Kraftwerke (Linthal 2015, Nant de Drance, Bernina u.a.) werden die Produktion aus diesem Umwälzbetrieb um jährlich 7 bis 8 Milliarden kWh erhöhen. Dazu aber braucht es zusätzlich rund 10 Milliarden kWh Strom zum Pumpen. Denn Pumpspeicher-Kraftwerke benötigen 25 bis 30 Prozent mehr Pumpstrom, als sie mit dem hochgepumpten Wasser produzieren können.
Berücksichtigt man diesen Pumpverlust, verschlechtert sich die Wasserkraft-Bilanz: Beim Szenario 1 würde die Schweizer Wasserkraft trotz Ausbau im Jahr 2050 sogar etwas weniger Strom erzeugen als im Mittel der letzten Jahre. Selbst beim optimistischen Szenario 2 resultiert unter dem Strich nur noch ein Zuwachs von ein bis zwei Prozent.
Weniger Menge, mehr Wert
Mengenmässig wird der Ausbau der Wasserkraft also keinen oder nur einen winzigen Beitrag zur Energiewende leisten. Qualitativ hingegen ist das Resultat besser. Denn der Spitzenstrom, den die zusätzlichen Pumpspeicher-Kraftwerke gezielt nach Bedarf produzieren können, ist ökonomisch wertvoller als der temporär überschüssige Bandstrom aus Fluss-, Wind-, Kohle- oder Atomkraftwerken, mit dem das Wasser in die Stauseen hinauf gepumpt wird.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Es hat keinen Sinn, die negative Energiebilanz der Pumpspeicherwerke zur Produktion der Wasserkraftwerke zu addieren und dann – oh Wunder – festzustellen, dass sie die Gesamtproduktion verkleinert. Eine Speichertechnologie die verlustfrei arbeitet ist mit der Physik mit der wir halt leben müssen nicht zu haben.
Für den Ausgleich zwischen der hoffentlich einmal existierenden Schweizer Solarstromproduktion (d.h. dem Guggenbühl’sche Matterhorn) und dem Verbrauch wird Speicherkapazität nötig sein (das weiss der Autor ja eigentlich); natürlich nur wenn sich das ‹Matterhorn› tatsächlich realisiert. Bis dahin wird man wohl oder übel billigen Strom von sonstwoher speichern, zB aus Kohle- oder Windkraftwerken im Norden – soweit die Kapazität der Uebertragungsnetze es erlaubt.
Kommentator Peter Dörfler kann nur beigepflichtet werden, resp. man muss eigentl. noch weiter gehen: Eine der grössten Hürden für die neuen Erneuerbaren ist die Unmöglichkeit, deren Produktion zeitlich mit dem Strombedarf abzustimmen. Hier sind Pumpspeicher – als einzige Möglichkeit, Strom mit beschränkten Verlusten zu Speichern – gerade unerlässlich. Dies gilt eigentlich weitgehend unabhängig davon, ob die Pumpwerke momentan oft von Atomstrom & co. gespiesen werden oder direkt von erneuerbaren: insgesamt erlauben die Pumpwerke den Wert ungesteuert anfallenden Stromes zu erhöhen, was der Nutzung neuer erneuerbarer eigentlich nur zuträglich sein kann.
Zuerst den Speicher zu bauen bevor es etwas (nachhaltiges) zu speichern gibt, ist natürlich falsch herum, und in Wirklichkeit geht es ja um die Speicherung von Kohle- und AKW-Strom, und wenn möglich um Speicher-Geschäfte mit dem Ausland. Aber, deutscher Windstrom geht vielleicht eher nach Norwegen…
Ich denke es wird nicht so viel Pumpspeicherung brauchen, da andere Technologien diese immer mehr konkurrenzieren werden. Z.B. Kühlschränke mit Kälte-Akku, viel billiger als alles andere.
Das «Guggenbühl’sche Matterhorn» muss man nicht speichern, da es dieses nur während einer relativ kurzen Zeit geben wird und dann die Wechselrichter hat den Solarstrom vergeuden, wie das thermische Solaranlagen im Sommer schon immer machen.
Au weia, natürlich muss man zuerst Speicher haben, sonst kann man dann nichts speichern. Wie das Ganze rentiert, ist eine andere Frage. Aber die Verzerrungen im Stromangebot zB in Deutschland sind jetzt schon problematisch – da kommt man um massive Speicherung zum Ausgleich bald nicht mehr nicht herum. Und wenn es die Speicherung aus technischen Gründen braucht dann wird sie zweifellos auch abgegolten werden.
Nein, Herr Dörfler! Sie müssen zuerst etwas zum Speichern haben! Gedankenbeispiel: Sie wollen eine Alphütte elektrifizieren. Sie haben aber nur Geld für einen (ausreichenden) Akku oder ein (ausreichendes) Solarpanel. Der Akku alleine nützt nichts. Mit dem Panel alleine haben Sie immerhin Strom während es hell ist. Also zuerst das Panel kaufen und das nächste Mal den Akku!
Das was die Energiewirtschaft macht: Sie kauft den Akku und bezahlt den Nachbar in der nächsten Alphütte, diesen mit seinem Benzingenerator aufzuladen, wenn er gerade selber keinen Strom braucht. Im Gegenzug liefert sie Strom vom Akku wenn der Nachbar gerade besonders viel braucht. Sie arbeitet als Bank und verdient, solange sie die Zinsen bestimmen kann. Sobald das nicht mehr geht, weil z.B. der Nachbar ein Solarpanel kauft und die Zinsen bestimmt, rentiert der Akku ohne eigene Lademöglichkeit nicht mehr.