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Altes Kernkraftwerk Mühleberg mit Sicherheitsproblemen © bkw

Energiepolitik: Die SP redet, aber handelt nicht

upg /  Die SP Schweiz fordert das sofortige Abschalten des KKW Mühleberg. Wenn sie nur wollte, könnte die Berner Regierung es selber tun.

Die rot-grüne Berner Regierung hat am Wochenende eine Schlappe eingefahren: Zwei Drittel der 28 Prozent Stimmberechtigten, welche ihre Stimme abgaben, haben ein griffiges Energiegesetz abgelehnt und dafür einen weichen bürgerlichen Gegenvorschlag angenommen. Eine in Sachen Energiepolitik mutlosenRegierung hat ihre Ernte eingefahren.
Seit Jahren falsche Signale
Wortreich fordert die SP eine grüne Energiepolitik, doch wenn sie endlich am Drücker ist, folgen keine Taten. Schon seit 2006 hätte die SP hätte beweisen können, dass ihre grünen Energieforderungen keine Worthülsen sind. Der Kanton Bern ist Mehrheitsaktionärin des Energiekonzerns BKW. Der Berner Regierungsrat ist bereits seit fünf Jahren in rot-grüner Hand. Er kann die Verwaltungsräte des Energiekonzerns BKW wählen und damit die Politik der BKW massgeblich beeinflussen. Ein atomkritischer Verwaltungsrat könnte das KKW Mühleberg heute abschalten, ohne zu warten, bis die Aufsichtsbehörde oder eine Volksabstimmung die BKW dazu zwingen. Doch an der Generalversammlung der BKW vom 13. Mai 2011 hat der rot-grüne Regierungsrat als Mehrheitsaktionär einmal mehr alles beim Alten gelassen.
Viele Bürgerinnen und Bürger können dies nur so verstehen, dass der Regierungsrat eine Umkehr der Energiepolitik nicht für besonders dringlich hält, und dass die SP das Kernkraftwerk Mühleberg nicht für so unsicher hält wie sie sagt.
Die Regierung kann ganz allein darüber entscheiden
Erstaunlich: Denn mit einer Motion forderte SP-Fraktionspräsidentin Ursula Wyss den Bundesrat im März auf, das Atomkraftwerk Mühleberg «sofort vom Netz zu nehmen». Seit 2007 wisse man, dass dieses AKW «nicht ausreichend gegen Erdbeben geschützt» sei.
Die Forderung wirkt unglaubwürdig. Denn die rot-grüne Regierung hätte in den letzten vier Jahren genügend Zeit gehabt, Mühleberg vorsorglich vom Netz zu nehmen.
Ursula Wyss verteidigt sich: Der Berner Regierung seien «die Hände gebunden» gewesen, weil im Berner Grossen Rat die atomfreundlichen Bürgerlichen die Mehrheit haben und das Berner Volk stets «atomfreundlich» abgestimmt habe.
Tatsächlich aber kann die Regierung ganz allein darüber entscheiden, wie sie das Stimmrecht bei den BKW ausübt. Weder Parlament noch Volk können das verhindern. Wenn die SP tatsächlich der Meinung ist, das AKW Mühleberg sei nicht sicher genug, müsste die rot-grüne Regierung schon längst hart durchgreifen. Doch noch letztes Jahr wählte sie als Mehrheitsaktionärin den früheren Berner BDP-Finanzdirektor Urs Gasche zum BKW-Präsidenten – gegen lautstarke Proteste der Berner Grünen und weniger laute einiger SP-Politiker.
«Das mögliche nicht ausgeschöpft»
SP-Parteipräsident Christian Levrat «hätte sich gewünscht», dass die Berner Regierung in ihrer Rolle als Mehrheitsaktionärin «mehr Einfluss» auf die BKW genommen hätte, namentlich bei der Besetzung des Verwaltungsrates. Bei Personalentscheiden habe die Regierung «sicher nicht das Mögliche ausgeschöpft», räumt auch Ursula Wyss ein.
An der Generalversammlung der BKW vom 13. Mai 2011 hätte die rot-grüne Regierung endlich beweisen können, dass sie mindestens nach Fukushima nicht nur redet und für eine alternative Energiepolitik mit einem Bettelbrief Geld sammelt, sondern auch handelt. Doch die Mehrheitsaktionärin hat es einmal mehr verpasst, eine radikale Wende in der Energiepolitik einzuleiten.
Die Gelegenheit war einmalig: Die Amtsdauer sämtlicher Mitglieder des BKW-Verwaltungsrats ging zu Ende geht. Doch bis auf einen einzigen haben die Aktionäre alle bisherigen Verwaltungsräte bis 2015 wieder gewählt. Nur Ulrich Sinzig wurde durch den Finanzspezialisten Ueli Dietiker ersetzt, auch er kein Vertreter der SP-Energiepolitik.
SP-Regierungsrätin Egger-Jenzer redet weiter schön, handelt aber nicht
Der einzige Grüne im Regierungsrat, Erziehungsdirektor Bernhard Pulver, spielt den Ball der Energiedirektorin Barbara Egger-Jenzer zu. Die SP-Politikerin habe bei der Energiepolitik die Federführung. In einer ersten Stellungnahme behauptete Egger, dass die 52 Prozent der Aktienstimmen nicht genügen, um das AKW Mühleberg stillzulegen: «Es würde eine Statutenänderung brauchen, die eine Zweidrittelsmehrheit aller Aktionäre benötigt.» Die Regierung verfüge jedoch nur über 52 Prozent der Aktien.
Auf Nachfrage musste die Energiedirektorin allerdings zurückkrebsen: Sie habe nicht sagen wollen, dass die BKW für die Stillegung von Mühleberg eine Statutenänderung brauchen. Ausserdem gab Egger zu, dass im BKW-Verwaltungsrat «zu wenig atomkritische Personen vertreten sind». Die Regierung gehe davon aus, dass an der GV «Mitglieder, welche eine strategische Neuausrichtung der BKW nicht mittragen, sich aus dem Verwaltungsrat zurückziehen werden». Etwas später fand die BKW-Aktionärsversammlung statt und es blieb alles beim Alten.
«Grosse Beisshemmungen»
Weshalb die Regierung die atomfreundlichen BKW-Verwaltungsräte nicht schon längst ausgewechselt hat, kann sich Blaise Kropf, Präsident der Grünen des Kantons Bern, nicht erklären: «Offensichtlich bestehen gegenüber den BKW grosse Beisshemmungen.» Die Regierung hat nach übereinstimmenden Quellen nicht nur Angst vor der politischen Auseinandersetzung, sondern auch vor finanziellen Einbussen und höheren Strompreisen. Denn das KKW Mühleberg hat noch längst nicht genug in den Stilllegungs- und Entsorgungsfonds bezahlt. Auch Schadenersatzforderungen an den Bund würden mit einem Abschalten obsolet. Schliesslich müssten die BKW den fehlenden Strom teurer auf dem Markt kaufen. Wer das Abschalten von Mühleberg fordert, muss auch über diese unangenehmen Folgen reden.
Immer noch Mengenrabatte und schäbiger Preis für Einspeisung von Solarstrom
Es geht indessen nicht nur um das KKW-Mühleberg, sondern ebenso um die Glaubwürdigkeit der rot-grünen Energiepolitik. Denn die BKW haben in den letzen Jahren Volksabstimmungen zugunsten der Atomlobby finanziell beeinflusst und an Organisationen der Atomlobby namhafte Beiträge gezahlt. Statt progressive Stromtarife einzuführen, gewähren die BKW immer noch Mengenrabatte, die das Stromsparen wenig attraktiv machen und Stromverschwender finanziell belohnen. Solarstrom verkaufen die BKW den Idealisten unter ihren Kunden für 80 Rappen pro Kilowattstunde. Andern Kunden dagegen, welche auf ihren Dächern Solarstrom produzieren und ins Netz abgeben, speisen die BKW mit 8 Rappen ab.
Werbetrommel für stromfressende Wärmepumpen
Erst nach Fukushima sind die BKW jetzt bereit, eingespeisten Solarstrom künftig wenigstens mit 11,5 Rappen zu entschädigen. Auch das noch ein lächerlicher Preis, wenn die BKW diesen Solarstrom für 80 Rappen verkaufen. Auch das Abschaffen der Grundgebühren, die einen Mengenrabatt zur Folge haben, steht zur Diskussion. Doch die BKW werden nicht so schnell auf diese Absatzförderung verzichten. Im Gegenteil: Die BKW wollen ihren Stromabsatz weiter puschen, indem sie für elektrische Wärmepumpen intensiv die Werbetrommel rühren. Der Stromverbrauch wachse sozusagen natürlicherweise «im Gleichschritt mit dem Wirtschaftswachstum», erklärte BKW-Verwaltungsrat Urs Gasche. Er scheint noch nie etwas davon gehört zu haben, dass Kalifornien den Stromverbrauch pro Kopf trotz starkem Wirtschaftswachstum schon seit über dreissig Jahren stabil halten konnte.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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3 Meinungen

  • am 10.07.2011 um 14:05 Uhr
    Permalink

    Urs P. Gasche verwechselt wohl energieeffiziente Wärmepumpen mit den ineffizienten Elektroheizungen. Wärmepumpen erzeugen mit 1/3 Energie-Input die dreifache Leistung.

  • am 10.07.2011 um 14:17 Uhr
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    Nein, das verwechsle ich nicht. Ein Drittel des Stroms, den eine vollelektrische Heizung verschwendet, ist immer noch sehr viel. Strom ist grundsätzlich eine so hochwertige Energieform, dass sie nicht verheizt werden sollte.

  • am 10.07.2011 um 14:44 Uhr
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    Herr Gasche, Sie gehen mit mir bestimmt einig, dass wir mittel- bis langfristig aus sämtlichen fossilen Energiequellen (Öl, Erdgas, Kohle, Uranerz) aussteigen und Energie wenn immer möglich dezentral gewinnen müssen; die künftigen Primärenergien sind Wasserkraft, Windkraft, Photovoltaik, Sonnenkollektoren, Solarthermische Kraftwerke (Desertec) Geothermie, Biomasse. Wie wir Konsumenten diese Energien letztlich (hoffentlich künftig zu Vollkosten) nutzen bzw. nachfragen, ob Strom, Gas, Wärme usw. ist eine andere Frage.

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