Kommentar
Ein Papiertiger bekommt endlich Zähne
»Bund, Kantone und Gemeinden sorgen dafür, dass der Boden haushälterisch genutzt wird.» So lautet seit 1979 der erste Satz im Raumplanungsgesetz. Doch wer über Land geht, durch ausufernde Einfamilienhausquartiere, leblose Zweitwohnungsghettos und einstöckige Aldi-Areale schreitet, erkennt mit Grausen: Die Schweiz hat in den letzten drei Jahrzehnten den Boden weiter verschwendet, naturnahe Landschaften zersiedelt und viel Kulturland in Betonwüsten verwandelt.
Dafür gibt es mehrere Gründe. Das Raumplanungsgesetz war zahnlos. Schwammige Formulierungen und saumselige Behörden verhinderten den konsequenten Vollzug. Den Regierungen in Kantonen und Gemeinden war die Gewinnung von neuen Firmen, Häuslebauern und Steuerzahlern meist wichtiger als die geordnete Besiedelung ihres endlichen Bodens. Einzonungen brachten privaten Profit. Für raumplanerisch notwendige Rückzonungen hingegen fehlten Wille und Geld.
Die von Parlament bereinigte Revision pflanzt dem 33jährigen Gesetz jetzt einige Zähne ein. Einerseits verlangt es ausdrücklich die Rückzonung von überdimensionierten Baugebieten. Andererseits macht es diese Rückzonungen finanzierbar. Das notwendige Geld erhält der Staat durch eine obligatorische Abgabe, die 20 Prozent des durch neue Einzonungen geschaffenen Mehrwertes abschöpft. Damit müssen Bodenbesitzer, denen der gütige Staat ihr Land in eine Bauzone umwandelt, künftig einen Fünftel des Gewinns ans Gemeinwesen zurück zahlen.
Es brauchte die Landschaftsinitiative und eine neue mittelinksgrüne Mehrheit im Nationalrat, um Mehrwertabgabe und Rückzonungsgebot durchzusetzen. Jetzt kann das Volksbegehren getrost zurück gezogen werden. Denn das revidierte Raumplanungsgesetz wirkt schneller und besser. Es hat nur einen Nachteil: Es kommt 33 Jahre zu spät. In diesen 33 Jahren haben Zersiedelung und fehlende Mehrwertabschöpfung eine kleine Minderheit von Grundeigentümern steinreich gemacht. Aber Land und Landschaft sind ärmer geworden.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine