Atommüll-Entsorgung: Drohende Kosten-Explosion
Die Endlagerkommission des deutschen Bundestages rechnet damit, dass sich die Suche nach einem Endlager für radioaktiven Atommüll bis zu dessen Verschluss um Jahrzehnte verzögern wird. Dies geht aus einem Bericht hervor, den der Atomexperte Michael Sailer am 20. April vor den Mitgliedern der Endlagerkommission präsentierte: Der Beginn der Einlagerung sei «frühestens 2045/2050 vorstellbar» und das Ende zwischen 2075 und 2130. Das Ziel, die hochradioaktiven Abfälle sicher im Bergwerk einzuschliessen, sei erst «zwischen 2095 und 2170 oder sogar später erreichbar».
Wegen dieser Verzögerung könnten die Kosten der Atommüllentsorgung in Deutschland deutlich höher ausfallen als bisher berechnet. Michael Müller (SPD), der Vorsitzende der deutschen Endlagerkommission, erklärte gegenüber der «Frankfurter Rundschau», die Kosten der bisher angenommenen 36 Milliarden Euro könnten sich auf 50 bis 70 Millliarden Euro erhöhen, und er warnt: «Auf den Staat kommen erhebliche finanzielle Risiken zu.»
Finanzkontrolle verlangt «realistisches Szenario»
Auch in der Schweiz sind die Stilllegungs- und Entsorgungskosten ein finanzielles Risiko. Letzten November hat die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) Alarm geschlagen: «Fehlende Ressourcen beim Stilllegungs- und Entsorgungsfonds stellen ein hohes finanzielles Risiko für den Bund dar. Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) ist über die Situation besorgt.» Laut dem Bericht der EFK fehlen im Stilllegungs- und Entsorgungsfonds rund 6 Milliarden Franken: Statt 11,3 Milliarden lagen Ende 2013 im Fonds bloss 5,3 Milliarden. Wenn die AKW-Betreiber weiterhin ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkämen, laufe der Bund Gefahr, «die fehlenden Mittel bereitstellen zu müssen».
Doch damit nicht genug! Die Finanzkontrolle weist in ihrer Medienmitteilung auch auf jene finanziellen Risiken hin, die zur Zeit in Deutschland heiss diskutiert werden: Risiken wie «Rechtsunsicherheit» und «Kostensteigerungen» seien in ihren Berechnungen noch nicht berücksichtigt worden. Deshalb schlägt die EFK dem Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) vor, «neue Kostenstudien mit verschiedenen Szenarien zu rechnen und für die Beitragsberechnung ein realistisches Szenario zu berücksichtigen».
AKW-Betreiber wehren sich mit Händen und Füssen
Die AKW-Betreiber bestreiten die Höhe des finanziellen Risikos und haben gegen den Sicherheitszuschlag von 30 Prozent, den der Bundesrat auf die berechneten Stilllegungs- und Entsorgungskosten ab 2015 beschlossen hat, beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde eingereicht. Dies geht aus der Antwort des Bundesrates vom 16. März 2015 auf eine Frage des Aargauer SP-Nationalrates Max Chopard-Acklin hervor.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Kurt Marti war früher Geschäftsleiter, Redaktor und Beirat der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)
Siehe auch:
NZZ: «Der Anspruch, die Kosten der Endlagerung hochradioaktiven Materials während 100 000 Jahren auf eine Milliarde Franken genau berechnen zu können, erheitert jeden, der nicht auf den Kopf gefallen ist…» http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/kostenrechungen-fuer-akw-entsorgung-1.13449527
mehr dazu hier:
Kölliken – ein Modell für die Zukunft: https://wieweiter.wordpress.com/2013/04/20/kolliken-ein-modell-fur-die-zukunft/