Kommentar

Wie die Verkehrspolitik in die Röhre(n) guckt

Hanspeter Guggenbühl © bm

Hanspeter Guggenbühl /  Milliarden werden verlocht, um wachsenden Verkehr unter den Boden zu bringen. Und niemand fragt, wozu der Verkehr wächst.

Der Schweizer Boden ist begrenzt. Und vielerorts schon überfüllt. Davon zeugen etwa die länger werdenden Staumeldungen am Radio. Die Verkehrsplaner verfrachten darum Menschen und Güter vermehrt unter den Boden. Diese Entwicklung akzentuiert sich im laufenden Jahr: Im Januar erfolgte der Durchbruch der Basistunnel unter dem Ceneri. Im Februar stimmen wir über die zweite Strassenröhre durch den Gotthard ab. Im Juni werden die Neat-Tunnel zwischen Erstfeld und Biasca eröffnet. In der Pipeline stecken neue Strassentunnel in der Agglomeration Zürich sowie an der Axenstrasse und weitere Eisenbahntunnel (Kestenberg, Zimmerberg, Brüttener, zweite Neat-Röhre durch den Löstschberg, etc.).
Jetzt wollen Staats-und Privatunternehmen von SBB bis Migros unter der Marke «Cargo sous Terrain» auch noch eine Röhre unter das Mittelland bohren, um die Güterströme zwischen Genf und St. Gallen in unterirdische Bahnen zu leiten. Das freut die Bauwirtschaft, die damit weitere 35 Milliarden verlochen kann. Ebenfalls begeistert sind die Verkehrsverbände bis hin zum grünen VCS, weil es damit auf den Strassen mehr Platz für Autos gibt. Auch die Medien applaudierten. Denn der Güter- und Personenverkehr, so prophezeien Bund und Hochschulen unisono, werde bis 2030 massiv weiter wachsen.
Bei dieser Tunnel-Faszination bleiben wesentliche Fragen auf der Strecke: Warum wächst der Verkehr überhaupt und wozu? Müssen wir das Angebot vergrössern, weil der Verkehr wächst? Oder wächst der Verkehr, weil wir das Angebot erhöhen? Wäre es nicht billiger, den gesamten Transport mit Mobility-Pricing verursachergerecht zu verteuern? Weshalb subventionieren wir lange Pendelwege, «just in time»-rollende Warenlager und globale Güterströme auf Kosten des lokalen Warenhandels?
Der Röhrenblick in der Verkehrspolitik übersieht die naheliegenden Fragen. Damit verbaut er weitsichtigere Lösungen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

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Auto oder Bahn: Wer zahlt Defizite?

Wer subventioniert wen und wieviel? Kann oder soll man Pendler zur Kasse bitten?

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2 Meinungen

  • am 2.02.2016 um 12:41 Uhr
    Permalink

    "Wäre es nicht billiger, den gesamten Transport mit Mobility-Pricing verursachergerecht zu verteuern?» Das ist die gute Frage! Viele Verkehrsprobleme würden sich von selbst lösen, wenn wir unser sozialistisches Mobilitäts-System (jeder kann für einen bescheidenen Betrag so viel konsumieren wie er will und der Staat sorgt dafür, dass immer genügend Angebot da ist) etwas mehr in Richtung Marktwirtschaft entwickeln würden.

  • am 9.02.2016 um 12:51 Uhr
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    Das war schon seit 40 Jahren so: jede neue Strassenstrecke produzierte eine erhöhte Verkehrsfrequenz. Jeder Verkehrsplaner weiss dies. Was kann man dagegen tun? Den lokalen Warenhandel mir allen Mitteln fördern! Viele Mittel sind möglich. Hier zwei sehr unterschiedliche: 1. Die Innerortsgeschwindigkeit generell auf 30 km/Std reduzieren. 2. Schaffung einer lokalen Geldwährung wie WIR. In Frankreich gibt es bereits ca. 30 sur Förderung des lokalen Warenhandels.
    BEAT , Seine et Marne, Frankreich

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