Subventionskritiker plündern den Subventionstopf
Der langjährige Axpo-Chef Heinz Karrer möchte gerne kein Freund von Subventionen sein. Gegenüber der NZZ erklärte er im letzten April, dass «die Subvention von erneuerbaren Energien» dazu geführt habe, «dass europaweit Produktionskapazitäten aufgebaut werden, die subventionierten Strom billig auf den Markt bringen.» Und er predigt: «Wir müssen einen Weg aus dieser Subventionswirtschaft finden.» Als neuer Präsident des Wirtschaftsverbandes economiesuisse liegt Karrer mit dieser Forderung theoretisch goldrichtig, seine Subventionserfahrungen bei der Axpo sehen allerdings ganz anders aus:
- Die Axpo ist Eigentümerin des Atomkraftwerkes Beznau und ist an den Atomkraftwerken Gösgen und Leibstand beteiligt. Seit Beginn ihres Betriebes wurden und werden die Schweizer AKWs direkt oder indirekt mit Milliardenbeträgen subventioniert.
- Die Axpo baut im Glarnerland das Pumpspeicherwerk «Linthal 2015» und setzt bei der Inbetriebnahme selbstverständlich auf eine Quersubventionierung, weil sie für den Pumpstrom keine Netzkosten zahlen muss. Zudem schielt die Strombranche ganz offen auf Subventionen für ihre milliardenteuren Pumpspeicherwerke.
- Infosperber berichtete im Oktober 2012 über die doppelte Subventions-Moral der Stromer, welche für ihre Windkraftwerke im Ausland jährlich rund 200 Millionen Franken Subventionen kassieren und gleichzeitig die deutsche Förderung des Solarstroms kritisieren. Allein die Axpo sackt jährlich 29 Millionen Franken Subventionen im Ausland ein.
- Wie die «Schweiz am Sonntag» vom 13. Oktober 2013 berichtete, macht die Axpo auch in der Schweiz grosszügig die hohle Hand, wenn es um Ökostrom-Subventionen von eigenen Kraftwerken geht. Das Holzkraftwerk Tegra der Axpo in Domat/Ems GR kassierte letztes Jahr 21,5 Millionen Franken Öko-Subventionen. Das ist fast ein Zehntel aller Öko-Subventionen aus dem Topf der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV).
Axpo-Leerlauf wird mit Öko-Beiträgen subventioniert
Wie die «Schweiz am Sonntag» weiter berichtete, erfüllt das Axpo-Holzkraftwerk die Bedingungen für Ökostrom-Subventionen bereits seit dem Jahr 2010 nicht mehr. Der Wirkungsgrad der Anlage, welche Strom und Wärme produziert, liegt mit 55 Prozent deutlich unter dem vorgeschriebenen Wert von 70 Prozent, weil die Grosssägerei Meyr-Melnhof 2010 in Konkurs ging, welche ein wichtiger Wärmeabnehmer der Tegra war. Obwohl die Bedingungen für die Ökostrom-Subventionen seit bald vier Jahren nicht mehr erfüllt sind, fliessen die KEV-Subventionen weiterhin munter in die Kassen des Axpo-Kraftwerks. Dies bestätigte ein Sprecher der nationalen Netzgesellschaft Swissgrid, welche für die Verteilung der KEV-Gelder zuständig ist, gegenüber der «Schweiz am Sonntag».
Im Klartext: Um die Ökostrom-Subventionen voll auszuschöpfen, läuft das Axpo-Holzkraftwerk weiterhin auf Hochtouren. Wertvolles Holz aus den Bündner Wäldern wird verbrannt, um mit der ungenutzten Wärme den Rhein aufzuheizen und dieser Leerlauf wird mit Öko-Beiträgen subventioniert. Der Energie-Experte Heini Glauser hat dafür gar kein Verständnis und verlangt, «dass mindestens einer der insgesamt drei Kraftwerksöfen abgestellt wird, bis für die überschüssige Wärme ein neuer Abnehmer gefunden wird».
Der Bund bastelte schnell eine «Lex Axpo Tegra»
Besonders interessant und lehrreich sind die gesetzgeberischen Hintergründe dieser seltsamen «Aktion hohle Hand» des Axpo-Konzerns. Anfang Dezember 2010 erklärte die Bündner Regierung in einem Bericht zum Konkurs der Grosssägerei Meyr-Melnhof: «Das Biomassekraftwerk der AXPO Tegra AG in Domat/Ems wäre in seiner Existenz gefährdet. Es kann nur Strom ins Netz einspeisen, wenn auch genügend Prozesswärme verkauft werden kann.» Diese Einschätzung war aufgrund der damals gültigen eidgenössischen Energieverordnung (EnV) völlig korrekt.
Im Februar 2011 schickte das Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) eine EnV-Revision in die Vernehmlassungsrunde, darunter die Stromwirtschaft und namentlich auch die Axpo. Im Vernehmlassungsbericht ist erstaunlicherweise anonym «von einigen Anhörungsteilnehmern» die Rede, welche darauf hingewiesen hätten, «dass externe Faktoren dazu führen könnten, dass Mindestanforderungen nicht eingehalten werden können. Dies sei zu berücksichtigen.»
Nur ein halbes Jahr später, am 1. Oktober 2011, stand in der revidierten EnV bereits der Paragraf 3i ter, dessen Absatz 4 wie massgeschneidert für das Axpo-Holzkraftwerk Tegra daherkommt:
«Liegen Gründe vor, für die der Produzent nicht einzustehen hat, so kann er gegenüber der nationalen Netzgesellschaft darlegen, mit welchen Massnahmen er erreichen will, dass die Mindestanforderungen wieder eingehalten werden. Die nationale Netzgesellschaft kann ihm eine angemessene Frist für Massnahmen einräumen und allenfalls Auflagen machen. Bis zum Ablauf dieser Frist besteht, sofern die Auflagen erfüllt werden, weiterhin Anspruch auf die Vergütung.»
Energie-Experte fordert eine Untersuchung
Am 22. Dezember 2011 freute sich die Axpo-Mediensprecherin Daniela Biedermann gegenüber der Südostschweiz über die geglückte EnV-Revision. Damit laufe die Axpo Tegra AG «nicht Gefahr», am geforderten Mindestwirkungsgrad für KEV-Beiträge zu scheitern. Nachdem die EnV axpofreundlich revidiert wurde, war die Swissgrid ihrerseits für eine axpofreundliche Anwendung bemüht. Statt der Axpo Tegra AG die Auflage zu machen, mindestens einen Produktionsblock abzustellen, um die Mindestanforderung zu erfüllen, läuft das Holzkraftwerk weiterhin auf Hochtouren und ist seit vier Jahren auf der Suche nach neuen Wärmeabnehmern. Die Perspektiven seien positiv, erklärte ein Axpo-Sprecher gegenüber der «Schweiz am Sonntag».
Für Energie-Experte Heini Glauser ist diese Bevorteilung der Axpo «skandalös» und er verlangt eine externe Untersuchung, welche das zuständige Bundesamt für Energie (BFE) in Auftrag geben müsse. Und er verweist auch auf die «personellen Verflechungen von Axpo und Swissgrid». Bekanntlich hat die Swissgrid das Stromnetz von den Stromkonzernen (Axpo, Alpiq, BKW etc) übernommen und damit auch einen Teil des Personals.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)
Es ist keine Schande, Subventionen zu beziehen, die man selber kritisiert. Im Gegenteil: Es zeugt von Ehrlichkeit, wenn man Fehlentwicklungen kritisiert, obwohl man davon selber profitieren kann.
Im Übrigen gilt immer noch die Binsenwahrheit: Subventionen sind der Ersatz des Marktes durch den Irrtum.
Christian von Burg
Lieb finde ich, wenn man das Verhalten der Axpo «ehrlich» findet – eigennützig gewiss, ja, sonst hätte sich Axpo nicht all diese innovativen Unternehmen zusammengekauft, um sich dann mit ihren Federn zu schmücken. Jedenfalls findet der Innovationsschub trotzdem statt, und das ist gut so.
Aus dem Sägerei-Debakel lernen wir:
Steuerdumping für die Ansiedlung von Industrien ist der eigentliche Skandal – und es schadet manchmal auch denen, die es tun (den anderen immer)
Die Forderung nach neuen Wärmeabnehmern wäre zu konkretisieren (dass Axpo welche aus dem Hut zaubern kann, ist ja auch nicht ganz realistisch).
Falls es stimmt, dass dort Holz verstromt wird, ohne alle Abwärme zu nutzen, ist das vermutlich ungünstiger als der Normalfall der reinen Verbrennung, ohne Strom zu produzieren. Dies zu tun, um die KEV zu kassieren, ist vielleicht keine Schande, aber ein Fall von Doppelmoral. Vor allem werden durch den KEV-Bezug viele Solaranlagen verhindert, die ohne KEV nicht gebaut werden, und möglicherweise dadurch weniger Oekostrom pro KEV-Franken produziert.
Die Lösung wäre doch sicher, die Anlage mit reduzierter Leistung zu betreiben, bis wieder ein Abnehmer der Wärme da ist.
Gemäss http://www.axpo.com/axpo/ch/de/geschaeftskunden/holzschnitzel.html (Der im Artikel angegebener Link geht nicht mehr) werden 637 GWh/a prodiziert, wovon 230 GWh/a Heizenergie ist, und es wird beahauptet, dass die Energieproduktion 0 GWh/a CO2 Emissionen verursacht, was zumindest eine Beschönigung ist. Von der Stromproduktion steht kein Wort, dafür um eine Holzschnitzeltrocknungsanlage, welche wohl den grössten Teil der Energie verschlingt. Es wäre interessant zu wissen, für welchen Anteil tatsächlich KEV bezogen wird.