MdchenBubenSchule

«Der gute Schüler ist heute ein Mädchen» © Der Spiegel

Die Schule macht keine Männer (I/II)

Jürgmeier /  Mädchen sind die besseren SchülerInnen als Buben. Selbst in Ländern, in denen Frauen weniger Rechte haben als Männer. Ein Essay.

Die Schule scheint ein Frauenort zu werden oder ist es schon geworden. Männliche Lehrpersonen in Primarschulen sind heute selten. Mädchen haben die besseren Schulnoten, wenn auch nicht in allen Fächern. Mehr weibliche als männliche Jugendliche schliessen Maturitätsschulen ab, und Frauen machen faktisch ebenso viele Hochschulabschlüsse (Universitäten und Fachhochschulen) wie Männer. Umgekehrt sind rund drei Viertel der SchülerInnen, die Klein- oder Sonderklassen bevölkern, Buben. Das ist nicht nur in der Schweiz so. «In 70 Prozent der Länder weltweit liefern Mädchen in der Schule bessere Leistungen ab als Buben», schreibt der Tages-Anzeiger am 23. Januar 2015 aufgrund einer Studie, welche die Schulleistungen von 1.5 Millionen Jugendlichen aus der ganzen Welt untersuchte. «Der gute Schüler ist heute ein Mädchen», bringt es der Verfasser des Standardwerks «Babyjahre» Remo Largo im Magazin vom 12. Januar 2008 auf den Punkt.

Buben werden benachteiligt oder waren immer schon dümmer
Er folgert aus diesen Fakten: «Die Mädchen werden systematisch bevorzugt, die Buben hingegen diskriminiert.» Aber es gibt in der heutigen Schule gegen Buben keine vergleichbaren strukturellen Barrieren wie früher gegen Mädchen, die während zusätzlicher Mathematikstunden der Knaben Handarbeitsunterricht hatten. Oder steht bei den Buben heute Fussball im Stundenplan, während die Mädchen ihre Rechen- und Lesekünste verbessern?

Und vor allem hat die bereits erwähnte Untersuchung von PsychologInnen der Universitäten Glasgow und Missouri gemäss Tages-Anzeiger ergeben, dass Mädchen «auch in Staaten, in denen die Rechte der Frauen stark eingeschränkt sind» besser abschneiden als Buben. Das scheint die These der Zürcher Regierungsrätin&Bildungsdirektorin Regine Aeppli zu stützen. Sie erklärt in einem Club des Schweizer Fernsehen: «Der gute Schüler war immer schon ein Mädchen, aber früher hat man die Mädchen nicht ermuntert.» Im Klartext: Buben waren immer schon dümmer, aber teilweise hat die soziale Benachteiligung des weiblichen Geschlechts das während Jahrhunderten verdeckt. In vielen Ländern sind Mädchen sogar trotz Benachteiligung schulisch erfolgreicher als Knaben. «Es besteht», fasst der Tages-Anzeiger das Fazit der ForscherInnen zusammen, «kein direkter Zusammenhang zwischen den Unterschieden bei den Schulleistungen und der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Gleichberechtigung.»

Wer keine neue (genetisch bedingte) geistige Überlegenheit – diesmal der Frauen über die Männer – postulieren will, muss die Erklärung für schulische Defizite von Buben in Geschlechterkonzepten suchen, die mehr oder weniger schulischen Erfolg versprechen. Auch weil es die Hoffnung auf Veränderbarkeit, auf die Einlösung der Gleichheitsutopie erhält.

Das «Konzept Frau» ist schulisch erfolgreicher als das «Konzept Mann»
Remo Largo stellt die These auf, nicht die Kompetenz, sondern das Verhalten lasse Schüler schlechter abschneiden als Schülerinnen. «Aber es darf nicht sein», fährt er fort, «dass die heutige Pädagogik Buben ausgrenzt, weil sie nicht so pflegeleicht sind wie Mädchen.» Dieses Stereotyp (Brave Mädchen – Störende Buben) enthält eine jener gegenderten Doppelbotschaften, die vermutlich mitverantwortlich für das Verhalten von Knaben und männlichen Jugendlichen sind. Wer die Anforderungen der Schule erfüllt, ist «pflegeleicht», und die Pflegeleichten, so die Geschlechterzuschreibung, sind die Mädchen. Buben aber, so die Aussage im Subtext, sind anders; spannender, sagen Lehrpersonen häufig, fast bewundernd, während sie sich gleichzeitig über die ewigen Störenfriede beklagen. So gerät der Knabe im Spannungsfeld der Anforderungen von Schule einerseits sowie des «Konzepts Mann» andrerseits in ein unlösbares Dilemma – entweder gute Schülerin oder Mann. Beides zusammen scheint nicht zu gehen.

Der brave Schüler wird ebenso übersehen wie die störende Schülerin
Nicht alle Buben und Mädchen entsprechen dem Geschlechterkonzept, aber der brave Schüler wird tendenziell ebenso übersehen wie die störende Schülerin. Zwei Berufslernende von mir, weiblich und männlich, hatten sich geprügelt. Gespräche mit ihnen und ZeugInnen ergeben kein wirklich eindeutiges Bild. Sicher ist – beide haben zugelangt, und vermutlich ging die erste körperliche Attacke von der Schülerin aus. Im Rahmen von zwei getrennten Gesprächen mit den beiden und ihren Lehrbetrieben verlange ich im Namen der Schule, sie müssten eine Gewaltberatung besuchen, um sich in Konflikten künftig anders verhalten zu können. Der Berufsbildner der Schülerin kann oder will sich nicht vorstellen, dass seine Lernende gewalttätig geworden ist, der Betrieb übernimmt ganz selbstverständlich die Kosten ihrer Gewaltberatung. Beim männlichen Jugendlichen verschärft der Betrieb den Druck, man prüfe die Auflösung des Lehrverhältnisses, die Gewaltberatung muss der Lernende selber bezahlen. So werden Geschlechterbilder im Kopf gegen äussere Wirklichkeiten aufrechterhalten.

In einer Berufsschulklasse von vier Schülerinnen und Schülern «stören» zwei der jungen Männer häufig; sie haben sich in der Schule angefreundet, freuen sich, wenn sie einander in einem Unterrichtsblock wieder treffen, tun sich dann meist mit unterrichtsfremden Aktivitäten hervor, und das teilweise lautstark. Ein Hintergrund ist, dass beide sehr tiefe Noten und Angst haben zu versagen. Ablenkungen und Unzuverlässigkeiten ermöglichen es ihnen, Druck und Angst zu verdrängen sowie sich im Falle des Scheiterns mit dem Satz «Wenn ich mehr gelernt hätte, hätte ich es sicher geschafft» zu trösten.

Die vier Schülerinnen ziehen sich grösstenteils in die Frauengruppe zurück, der dritte der männlichen Jugendlichen lässt sich ganz gerne von den ersten beiden mitreissen, der vierte ist häufig krank, und die Lehrpersonen beklagen sich immer wieder bei mir über die beiden «Nervensägen». Die Arbeit mit den Mädchen empfinden sie als angenehm, die beiden Jungs aber ziehen mit ihrem Verhalten einen grossen Teil ihrer Aufmerksamkeit auf sich.

Was dabei untergeht:

• Dass eines der Mädchen mindestens so häufig am Handy hängt wie die beiden Jungs und auch nicht wirklich «pflegeleicht» ist.
• Dass die beiden Störer immer wieder durchaus unterrichtsbezogene Beiträge leisten, sich sehr für die Klasse engagieren und äusserst hilfsbereit gegenüber den Lehrpersonen sind.
• Dass die jungen Frauen, die zum Teil sehr passiv sind, sich hinter den beiden «Störern» verstecken und diese gerne für eigene Unzuverlässigkeiten verantwortlich machen.

Schule macht keine Männer
Es gibt Orte, die Männer machen. Fussballstadien beispielsweise. Der ehemalige französische Starspieler Zinedine Zidane musste in seinem letzten WM-Final 2006 in Berlin den Platz vorzeitig verlassen, nachdem er den Italiener Marco Materazzi mit einer Kopfattacke zu Boden geworfen hatte. Der Mix aus Fussball, Gewalt und tragischem Abgang machte ihn endgültig zum Mann&Helden der mit genau diesem Kopfstoss mehrmals in Bronze gegossen wurde. Es gibt Orte, die Männer machen. Die Schule ist keiner von ihnen. «Ich war kein Held in der Schule.» Sagen erfolgreiche Männer nicht selten und grinsend. Sie wissen, sie wären es auch mit besseren Noten nicht geworden. Die Schule macht, so und so, keine Helden&Männer.

Ein Lehrerkollege erzählt mir, sein Bruder sei regelmässig verprügelt worden, weil er seinen Stolz auf Sechser in Zeugnis&Prüfungen gezeigt habe; er selbst habe immer tief gestapelt und sich so Haue erspart. Das heisst: Wenn Buben Männer werden wollen, dürfen sie in der Schule nicht erfolgreich sein. Das «Ich war kein Held in der Schule» ist auch ein Tribut an das «Konzept Mann». Der ehemalige Chefarzt des Zürcher Stadtspitals Triemli Oswald Oelz – der öffentlich eher als Höhenbergsteiger und Freund von Reinhold Messner bekannt geworden ist und auch schon mal mit erfrorenen Zehen posiert – macht, trotz schulischer und beruflicher Erfolge klar, was für einen Mann wirklich zählt: «Sich habilitieren», erklärt er mir 1996 in einem Gespräch für den Tages-Anzeiger, «das ist ja ganz nett, aber den Everest besteigen – das ist eine ganz andere Dimension!» Das ist männliche Initiation. «Zeigen», so Oelz, «dass man en Siebesiech isch, dass man alle Schwierigkeiten überwinden kann.»

Dieser Text basiert auf dem Referat «Taten statt Worte oder Die Schule macht keine Männer» (Pädagogische Hochschule Graubünden, 10. April 2014) und dem Buch «‹Tatort›, Fussball und andere Gendereien» von Jürgmeier und Helen Hürlimann, erschienen im Interact- und Pestalozzianum-Verlag, Zürich und Luzern, 2008


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Jürgmeier war während vieler Jahre Lehrer und Leiter Allgemeinbildung an einer Berufsfachschule.

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9 Meinungen

  • am 15.02.2015 um 13:06 Uhr
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    Im Rahmen von Workshops in der Lehrerweiterbildung habe ich bereits vor Jahre den Rollenkonflikt thematisiert, den Buben in der Schule aushalten müssen. Was an Männern (auch von Frauen) geschätzt wird wie Stärke, Durchsetzungsvermögen, Eigenständigkeit, Führung etc. wird in der Schule oft als Störung wahrgenommen. Männliche Vorbilder wie Sportler, Wissenschaftler, CEOs etc. werden (z.B. in den Medien) mit Attributen versehen, die wenig Entsprechung in der Ausgestaltung der Pädagogik haben. Zwar sind die Lerninhalte kompatibel (Wissen, Kreativität, Ausdauer), nicht aber die konkrete Ausgestaltung. Die Didaktik ist dem Wesen der Mädchen und Frauen wesentlich näher. Dass die vorhandenen Rollenklischees Buben benachteiligen, lässt sich insbesondere an Kleinigkeiten fast in jedem Klassenzimmer beobachten: Ein Mädchen verteilt Blätter, bei einem Schüler (dessen Aufmerksamkeit sie wohl erregen möchte) wirft sie es neckisch aufs Pult, es flattert auf den Boden. Die Lehrerin dreht sich um und sieht das Blatt zu Boden gehen und den Schüler, wie er sich danach bückt. Schelte erhält der Schüler mit «du schon wieder».
    Es ist sehr schwierig, diese Klischees und Rollenbilder zu überwinden. Es beginnt damit, sich bewusst zu sein, dass man ihnen unterliegt. Man darf auch gemeinsam mit den Buben thematisieren, dass es für sie mehrere Rollen gibt: Den starken Mann und den braven Schüler. Diese Rollen schliessen sich ja gegenseitig nicht aus – im Gegenteil.

  • am 16.02.2015 um 15:32 Uhr
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    Der Grund ist einfach: Die LehrerINNEN !
    Wie soll denn eine Lehrerin «aus einem Buben einen Mann» machen ?

    Darauf hätte Autor Jürgmeier selber kommen können. Hab ich es übersehen? Oder hat er sich etwa einfach nicht getraut? Man weiss so wenig.

    Die Femininisierung des Schulapparates entpuppt sich als Rohrkrepierer. Mehr Männer müssen her! Autoritätspersonen, welche den Kids vorleben, was die Zukunft von ihnen verlangen wird: Anstand, Disziplin und Ordnung. Natürlich auf neuestem Stand. Keiner will die 1950er Jahre zurück.

    Solange Kinder die Schule nur als lästige Unterbrechung ihrer Freizeit betrachten, muss man sich nicht über die Resultate wundern.

    Und das Handy muss endlich verboten werden. Dann haben die kleinen Rotznasen plötzlich wieder Zeit zum Lernen, brauchen keine Nachhilfe um ins Gymi zu kommen und können wieder normal Face-to-Face kommunizieren.
    Haben Sie als Eltern wirklich keinen Mut dazu? Sie haben sogar die Pflicht, ihre Kinder zu erziehen. Das ist nicht die Aufgabe der Schule. Dafür reichen ihre paar Steuerfranken bei weitem nicht.

    Wir brauchen wieder mehr Lehrer, damit unsere Bubis dereinst im harten Wettbewerb nicht in die Hose machen.

    Remo Largo wird übrigens seit Jahren überbewertet. Er schreibt alles, was die Eltern gern hören möchten; nur um seine Bücher zu verkaufen. Psychologisch unterste Schublade, aber natürlich finanziell wirksam.

  • am 16.02.2015 um 19:00 Uhr
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    Renato Stiefenhofer legt den Finger auf den wunden Punkt: Ein wesentliches Problem besteht in der zunehmenden Feminisierung der Lehrberufe. Immer mehr Kinder durchlaufen ihre ganze obligatorische Schulzeit inkl. Kindergarten ohne je einem Mann im Klassenzimmer begegnet zu sein. Die – begrüssenswerte – weitreichende Lehrfreiheit bewirkt, dass Sachthemen im Unterricht sich an den weiblichen Interessen orientieren. Viele meiner Lehramtskandidatinnen gaben offen und mit einem Lächeln zu, dass sie sich eben nicht für Mathematik oder Physik interessieren würden. Somit stehen diese Bereich bei der möglichen Wahl von Sachkunde-Themen auch nicht auf der Prioritätenliste.
    Ein (wahres!) Beispiel aus einer 2. Primarklasse: Die Lehrerin befragt die Schüler und Schülerinnen nach ihren Wünschen für das nächste Sachkundethema. Buben schlagen «Töff», «Fussball», «Eine Maschine basteln» vor. Alle diese Vorschläge kommentiert die Lehrerin, dafür sei sie nicht kompetent genug. Schliesslich wird das Thema «Kücken» (mit einem Brutkasten im Schulzimmer) gewählt. Letztes Thema: «Schnecken».
    Was Wunder, wenn sich die Buben nicht ernst genommen fühlen und ihre Interessen selten zum Zug kommen.
    Auffällige Schüler sind eine Form des unbewussten Protests gegen die feminisierte Schule. Wie eine Untersuchung in England ergeben hat: «Die Unruhe der Buben wächst mit dem Anteil der Lehrerinnen und sinkt mit jenem von männlichen Lehrern.» (W. Hollstein, «Was vom Manne übrig bleibt», BaZ; 30..01.2015)

  • am 16.02.2015 um 22:14 Uhr
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    …und was R. Stiefenhofer über Remo Largo meint: Meine volle Zustimmung! Ich bin nicht Ingenieur und kann drum keine Brücke bauen, und ich sage dem Bäcker nicht, wie er Brötchen backen soll, weil mir sein Beruf fremd ist. Weil aber alle Leute einmal zur Schule gegangen sind, glauben sie zu wissen, wie man unterrichten muss und wie die Schule sich zu entwickeln hat. Largo ist NIE vor einer Klasse gestanden, hat den Beruf nicht erlernt, meint aber zu wissen, was dort falsch läuft und wie Schule sein sollte. Vom Schreibtisch aus hat man gut reden…

  • am 16.02.2015 um 22:31 Uhr
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    @Fröhlich: Was anderes als eine Maschine ist denn ein Brutkasten? Spass beiseite: Was sind denn die Gründe, warum Männer den Lehrerberuf nicht mehr wählen? Meines Erachtens verdanken wir das letztendlich a) der Politik und b) den Eltern und Steuerzahlern.

    Meine Tochter behandelte in der 1. Klasse das Thema Olympiade – und das bei einer Lehrerin. Scheint also kein Problem zu sein. Als Anekdote erwähne ich noch, dass ich ihr bei Hausaufgaben nicht im geringsten helfen konnte, denn ich habe keine Ahnung von Sport. Und als Schüler wäre ich diesem Thema mit demselben Desinteresse begegnet wie der Töfflifreak den Kücken.

    Doch zurück zur Frage, wo man ansetzen soll: Was ist denn Ihr Vorschlag? Zwangsverpflichtete Männer im Klassenzimmer? Lehrverbot für die Frauen? Geschlechtergetrennter Unterricht etwa? Wo sind denn die vielgeschätzten Männer bei der Erziehung zu Hause oder in der Freizeit? Ist es wirklich Aufgabe der Schule, den Buben durch die Präsenz eines Lehrers eine Auseinandersetzung mit der Rolle des Mannes zu bieten? Muss man «Töffli» oder «Fussball» in der Schule behandeln, der 2. Primar gar?

  • am 16.02.2015 um 22:47 Uhr
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    Es gibt in den Ortschaften keine Dorfpolizisten mehr, den Pfarrer auch nicht, die Schmiede ist im Industriegebiet, der Sanitär arbeitet hinter verschlossenen Türen an der Wärme und die Bauern sieht man noch von ferne hinter den Scheiben auf ihren Traktoren. Grundsätzlich ist man im Auto unterwegs, egal ob zum Fussballtraining, Einkauf oder gar auf dem Weg zur Schule. Und auf Letzterem begegnet man höchstens anderen Kindern und deren Mütter. Das ganze öffentliche (Arbeits-) Leben ist doch verschwunden und Rollenidentifikationen finden gerade mal noch in den Medien und hauptsächlich online statt. Hier tummeln sich Avatare, Helden und Hacker: Suche sich jeder ein Vorbild aus!

    Das ist die Realität, deren Symptome man gerne die Schule ausbaden lässt. Wer hier gleich noch eins oben drauf packen will, kann noch den Frauen die Schuld in die Schuhe schieben und «Feminisierung der Schule!» rufen.

  • am 17.02.2015 um 09:29 Uhr
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    Schön, wenn es Beispiele für Unterrichtsthemen gibt, die auch die Buben interessieren. Klar, ist das Thema «Töff» kein Stoff für eine 2. Primarklasse, aber das Beispiel zeigt, wie Buben frustriert werden, weil ihre Interessen für Technik usw. selten zum Zug kommen.
    Wie bringt man wieder mehr Männer in die Schule?
    1. Die Ausbildung an Päd. Hochschulen gehört – wie Psychologie, Sprachen und Sozialarbeit – zu den «weichen» Fächern, mit geringen Eintrittsanforderungen und einer Diplomgarantie von 95% und mehr. Solche Studienrichtungen haben wenig Prestige, im Vergleich zu Studien an der ETH oder in Medizin, die höhere Anforderungen stellen und folglich motivierte und leistungsbereite Leute (beider Geschlechter) anziehen. Beispiel Finnland: Dort wurde der Lehrermangel durch eine Erhöhung der Studienanforderungen beseitigt, indem dadurch die Ausbildung – und mithin der Beruf! – attraktiver wurde.
    2. Die umstrittene Einführung von Frühfranzösisch und -englisch ging im Stundenplan auf Kosten der wissenschaftlichen Fächer, deren Abbau dramatisch geworden ist. Auch «fächerübergreifenden U-Bereiche» wie «Mensch und Umwelt» leisten einer eher diffusen «weichen» Behandlung naturwissenschaftl. Themen Vorschub. Klare Fächerprofile mit klaren kognitiven Zielen werden zugunsten von Wischiwaschi-"Kompetenzen» aufgegeben. Seit kurzem macht sich ein Gegentrend bemerkbar, womit vielleicht wieder mehr math.nat.wissenschaftl. orientierte männl. Studierende für Lehrberufe motiviert werden.

  • am 17.02.2015 um 09:58 Uhr
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    3. Die – je nach Kanton unterschiedlich weitgehende – Abschaffung von Selektionskriterien, Noten und Aufnahmeprüfungen für höhere Schulstufen diffamiert die Leistungsbereitschaft. Diese ist für viele des Teufels und Forderungen nach Arbeitsdisziplin und Lerneinsatz sind unter dem Signum der Chancengleichheit oft verpönt. Auf die Frage, warum er sich für eine Gymnasiallehrerausbildung an der Uni entschlossen habe, antwortete ein Student, der Kuschelfaktor an der Volksschule sei ihm zu hoch. Diese Meinung muss man nicht teilen, aber sie gibt – zu Recht oder zu Unrecht – ein Image wieder, das in Teilen der Bevölkerung vorherrscht und das junge Männer von der Tätigkeit auf der Primar- und Sek.stufe abhalten mag.
    4. Der Ausbau der finanziellen Ressourcen im Bildungsbereich erfolgte in den letzten Jahren stark überproportional im administrativen Überbau. Die Hierarchisierung des Schulbetriebs, der damit zunehmende Papierkrieg und die grassierenden «Evaluationen» machen den Lehrerberuf für ambitionierte und gern selbständig denkende und handelnde Personen zusätzlich unattraktiv. Der administrative und ideologische Überbau muss massiv abgebaut werden, dann interessieren sich auch wieder mehr junge und selbstbewusste Männer für die Tätigkeit an einer Schule.

  • am 17.02.2015 um 16:45 Uhr
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    Als Nachtrag noch ein hübsches kleines Zitat zu Punkt 1, Prestige von verschiedenen Studienrichtungen und Qualitätsanforderungen: 2013 verkündete Chr. A. Schaltegger, Dekan der Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften in Luzern, das Ziel seiner Abteilung: «Wir müssen ein Massenpublikum ansprechen, um das Wachstum zu generieren». (NLZ 14.03.2013) Kein Wunder, bleibt dabei die Qualität auf der Strecke und fühlen sich gute und leistungsbereite Studierende dort am falschen Platz. (Abgesehen vom bildungspolitischen und volkswirtschaftlichen Unsinn, eine Uni einem «Massenpublikum» zu öffnen.)

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