Ramallah

Der Antrag auf Eigenstaatlichkeit Palästinas ist für die Palästinenser die letzte Hoffnung © AZ

Unwürdiges Spiel der USA mit Geld und Drohungen

Christian Müller /  Obama versucht, das ihm aufgezwungene Veto gegen die Eigenstaatlichkeit Palästinas zu vermeiden. Andere sollen den Kopf hinhalten.

Obama weiss es sehr genau: Mit dem ihm innenpolitisch aufgezwungenen Widerstand gegen die Anerkennung Palästinas als unabhängigen Staat hat er sein Gesicht schon weitestgehend verloren. Seine Ankündigung des Vetos der USA im Sicherheitsrat gegen den Antrag auf Aufnahme Palästinas als neues Mitglied der UNO ist für die Kenner der politischen Kräfteverhältnisse in den USA zwar keine Überraschung mehr, aber halt doch ein weiterer Nagel in den Sarg der in jeder Hinsicht niedergehenden Weltmacht jenseits des Atlantiks.

Andere Mitglieder des Sicherheitsrates sollen es richten

Doch was jetzt abläuft, spottet jeder Beschreibung und macht deutlich, auf welch erbärmlichen Level heutzutage das internationale Game um Macht und Ansehen gespielt wird. Um das formelle Veto der USA im letzten Moment noch unnötig werden zu lassen, werden die anderen Mitglieder des Sicherheitsrats intensiv bearbeitet – mit Zuckerbrot und Peitsche, sprich: mit Geld und massiven Drohungen. Schon die Palästinenser selber wollte man mit einer Drohung von ihrem Vorhaben abbringen: Die USA kündigten an, die Unterstützung Palästinas in Höhe von ein paar hundert Millionen Dollar jährliche einzustellen. Zum Glück liess sich Abbas nicht kaufen. (Saudiarabien hat denn auch bereits zugesichert, dieses wegfallende Geld für die Palästinenser gegebenenfalls zu ersetzen.) Jetzt aber sollen es die anderen Mitglieder des Sicherheitsrates richten: Im Visier der USA sind Staaten wie Bosnien-Herzegowina, Portugal oder Gabun, die aus ihrer wirtschaftlichen Situation heraus nur allzu leicht versucht sein könnten, ihre politische Haltung gegen Cash einzutauschen.

Dieses üble Spiel kann – auf dem Weg über die Einsetzung einer zusätzlichen Kommission – wieder Monate dauern. Den USA ist jedes Mittel recht, den Antrag Palästinas abzulehnen, ohne selber dafür die Verantwortung übernehmen zu müssen.

Das Veto als Eingeständnis der Niederlage

Sollte Obama im Sicherheitsrat der UNO sein Veto einlegen, so wäre es wenigstens das ehrliche Eingeständnis eines US-Präsidenten, dass er von der konservativen Opposition, den Republikanern, in die Knie gezwungen worden ist. Obama wäre intelligent genug, eine Formulierung zu finden, um der Welt mitzuteilen, dass dieser Entscheid nicht «sein» Entscheid ist, sondern der Entscheid «der Amerikaner». Mindestens im Ausland könnte er damit einen kleinen Rest seines ehemals guten Images als Hoffnungsträger hinüberretten. In Europa wissen wir nur zu gut, dass «die Amerikaner» von Aussenpolitik schon deshalb keine Ahnung haben, weil das Gros weder eine andere Sprache versteht noch je den Fuss über die USA hinaus auf fremdes Territorium gesetzt hat. Warum sollten sie, die Amerikaner, auch versuchen, die Welt «zu verstehen»? Die USA sind, so meinen die meisten Amerikaner, gross genug, sich nur um sich selbst kümmern zu müssen.

Der unehrliche Weg führt zur direkten Schuld

Obama aber versucht verzweifelt zu erreichen, dass in den Geschichtsbüchern einmal stehen wird, die «Mehrheit des Sicherheitsrates» habe die Anerkennung Palästinas als eigenständigen Staat und neues Mitglied der UNO – bzw. die Überweisung dieses Antrages an die UNO Generalversammlung – abgelehnt. Die USA wären dann nicht die einzigen Schuldigen an all dem, was dieser Ablehnung folgen wird: die weltweite und totale Isolation Israels mit – aller Voraussicht nach – mittelfristig letalen Folgen. Israel wird ohne Frieden mit seinen Nachbarn und ohne Abwendung von den nationalkonservativen und religiöskonservativen (orthodoxen) Kräften im Land langfristig nicht überleben können. Schon jetzt bringen die sozialen Probleme des Landes eine halbe Million Einwohner auf die Strasse, schon jetzt lebt jeder vierte Israeli in totaler Armut, schon jetzt wandern Tausende von Einwanderern wieder aus, zum Beispiel Russen, die für sich in Israel keine Perspektive mehr sehen, oder Homosexuelle und Lesben, die in Israel gesellschaftlich ausgegrenzt werden. Ein Thema, das in Israel selber tabu ist.

Aber wird es Obama auch tatsächlich gelingen, diese Schuld auf andere Schultern zu verteilen?

Korruption auf politischer Ebene

Sich den Palästina-feindlichen Entscheid des Sicherheitsrates mit Geld zu erkaufen, und danach sieht es gegenwärtig aus, ist denn auch nichts anderes als Korruption auf politischer Ebene. Und damit passt diese Geschichte perfekt in den Beginn des Dritten Jahrtausends: das Ziel, die Welt zu demokratisieren, ist längst aufgegeben. Es geht global längst nicht mehr darum, die Völker ihrem Selbstbestimmungsrecht zuzuführen und den Menschenrechten Geltung zu verschaffen. Es geht nur noch um Macht, um Vorherrschaft, um wirtschaftliche Interessen. Nicht zuletzt in der westlichen Welt!

Siegen und vernichten, statt leben und leben lassen

Leben und leben lassen: das war einmal. Heute geht es um die Vorherrschaft, um die vorderste Position im Power-Ranking der internationalen Player. Und das heisst nicht mehr: leben und leben lassen. Das heisst: siegen um jeden Preis, auch um den Preis der Vernichtung des Gegners – des «Mitbewerbers», wie es die Wirtschaftsleute heute so liebenswürdig euphemistisch auszudrücken pflegen. «Wettbewerb» heisst die Philosophie, nicht nur in der Wirtschaft, auch in der Politik, nachdem der Primat der Politik dem Primat der Wirtschaft weltweit hat Platz machen müssen.

Wider besseres Wissen

Wenn die Evangelikalen in Amerika und Europa aufgrund ihres naiven Glaubens in die Bibel dem Staat Israel trotz der mit nichts zu rechtfertigenden Siedlungspolitik die sogenannte Treue halten, so ist das immerhin erklärbar – wenn auch nicht zu entschuldigen. Wenn aber Obama und das Pentagon die Politik fahren, die sie jetzt betreiben, so ist es klar wider besseres Wissen, denn selbst abgebrühte Kriegsgurgeln wie etwa der langjährige Präsidentenberater Zbigniew Brzezinski – selber jüdischer Herkunft – warnen schon lange vor dem Desaster im Nahen Osten, in das sich die USA immer mehr hineinmanövrieren. Aber man will diese Stimmen nicht hören. Es geht um Innenpolitk, ums politische Überleben in den USA, um den Machterhalt über das Amt des Präsidenten.

Die Hunde bellen, die Karavane zieht weiter…

Und in den gleichen Tagen und Wochen dieser Auseinandersetzungen auf internationaler Ebene vertreibt Israel Tausende von Beduinen von ihren angestammten Lebensräumen und beschliesst neue jüdische Siedlungen auf besetztem Gebiet in Palästina – gerade jetzt wieder 1100 Wohnungen in Ostjerusalem. Und Israels Aussenminister Avigdor Lieberman, als 20jähriger 1978 aus der UdSSR eingewandert, kann es sich leisten, sich über Obama lustig zu machen: Obamas Speech in der UNO hätte nicht besser sein können, selbst wenn er, Liebermann, diesen Speech selber formuliert hätte…

Letzte Hoffnung auf die Europäer

Im Sicherheitsrat sitzen fünf europäische Länder: Grossbritannien und Frankreich mit dem Vetorecht, Deutschland, Portugal und Bosnien-Herzegowina ohne Vetorecht. Deutschland wird gegen den Antrag Palästinas stimmen oder sich mindestens der Stimme enthalten. Israels Taktik, jede Kritik an Israel als Antisemitismus zu brandmarken, funktioniert in Deutschland verständlicherweise immer noch sehr gut. Die anderen vier Länder wären frei, nach eigener Beurteilung der Situation zu entscheiden.

Ob sie auch den Mut dazu haben? Oder lassen auch sie sich, mit irgend einem anderen «Deal», von den USA kaufen?


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor ist Vizepräsident der Weltföderalisten Schweiz, die sich für eine Demokratisierung der UNO einsetzen.

Zum Infosperber-Dossier:

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Eine Meinung zu

  • am 1.10.2011 um 12:34 Uhr
    Permalink

    Der heuchlerische Herr Obama, soll bitte so schnell wie möglich, seinen, unter falschen
    Vorgaben erschlichenen Nobelpreis zurück geben !!!
    Es gibt nur einen Ausdruck für sein Politisches Handeln, der da lautet : «ERBÄRMLICH"

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