Kommentar
Auch in Kiev geht es um die Macht der Grossmächte
Vor zwei Wochen hat Erich Gysling zu den Syrien-Friedensverhandlungen am Genfersee einen scharfsinnigen Kommentar geschrieben. Der langjährige Beobachter des Nahen und Mittleren Ostens hat darauf aufmerksam gemacht, dass der sogenannte Bürgerkrieg in Syrien längst kein Bürgerkrieg mehr ist, sondern ein Stellvertreter-Krieg der Grossmächte. Wenn die in Syrien kämpfenden Männer am gleichen Tisch sässen, sei das die falsche Ebene, die da um den Frieden feilsche, schrieb er sinngemäss. Die Grossmächte müssten sich zusammensetzen, denn sie schürten, nicht zuletzt mit Waffenlieferungen, die blutigen Auseinandersetzungen. – Das vorläufige Scheitern der Verhandlungen in Genf hat gezeigt, wie recht Erich Gysling hatte. Leider.
Das selbe in blaugelb
In der Ukraine herrscht kein Bürgerkrieg. Noch nicht. Ganz auszuschliessen ist er nicht. Immerhin gab es bereits Tote. Was aber bereits in diesem Stadium der vermeintlich innenpolitischen Krise klar ist: auch hier geht es ganz klar um eine Auseinandersetzung der Grossmächte.
Wer es noch nicht durchschaut hat, das abgehörte Telefonat der US-Spitzendiplomatin Victoria Nuland machte es transparent: «Scheiss auf die EU!» Es stimmt natürlich, die EU interessiert sich nicht besonders für die Ukraine, sie denkt weniger an Hilfe als an offene Märkte für ihre Konzerne. Kein besonders ehrenhaftes Motiv. Ganz anders die USA: Sie interessieren sich sogar brennend für die Ukraine. Natürlich auch nicht, um ihr zu helfen, aber um dort eine US-freundliche Regierung einzusetzen. Es ging in dem Gespräch der US-Diplomatin ja auch ganz konkret darum, wer in der Regierung in Kiev Einsitz erhalten sollte.
Die US-Kommentare sind entlarvend
Die US-Medien kommentieren den Vorfall denn auch völlig anders als die europäischen: Victoria Nuland habe schliesslich recht, was sie über die EU sage! Im Time Magazine etwa kann man wörtlich lesen:
«Im Aussenministerium kam es zu einem kleinen Skandal. Victoria Nuland, die für die EU zuständige Spitzendiplomatin, hat in einem privaten Gespräch mit dem US-Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt, zur EU einen vulgären Ausdruck verwendet, was wiederum an die Medien gelangte. Nuland hat sich entschuldigt. Es geht denn auch weniger um die Aufdeckung von schockierenden und überraschenden Fakten zu Washingtons Sicht auf die Beziehungen zwischen Ost- und Westeuropa. Die Episode bestätigt vielmehr drei überhaupt nicht schockierende Wahrheiten über die Welt der Diplomatie:
1. Die EU ist schwerfällig und langsam. Der springende Punkt in der Konversation Nuland/Pyatt war denn auch die Entsendung eines UN-Diplomaten, um eine Übereinkunft zur Entschärfung der langandauernden politischen Krise in der Ukraine zu erlangen – der Krise um die Frage nämlich, ob sich das Land eher nach Westeuropa ausrichten oder doch eher in den Dunstkreis Russlands zurückkehren soll. Die EU hat versucht zu helfen, die Krise zu entschärfen. Aber falls Sie (You) die letzten 70 Jahre der transatlantischen Geschichte vergessen haben: Die Bemühungen, Westeuropa zum allseitigen Wohle und zum Vorteil der Menschen zu vereinigen, waren schwierig. Oft haben die sich widersprechenden Interessen der westeuropäischen Länder die Krisen so sehr angeheizt, dass eine Intervention der USA unumgänglich wurde. Der vorliegende Fall (die Ukraine) ist so ein Fall.»
»Unumgängliche Interventionen»
Jetzt wissen wir es: Weil Europa schwerfällig und langsam ist, braucht es die Interventionen der USA. Die Jugoslawienkriege kurz vor der Jahrtausendwende mit den «humanitären Bombardierungen» lassen grüssen!
«Kann die EU mit der Wahrheit umgehen?» So war die Headline über dem Artikel von Massimo Calabresi im Time Magazine. Die «Wahrheit», wenn es denn überhaupt erlaubt ist, dieses Wort zu gebrauchen, ist vor allem die: Die USA wollen weltweit mitmischen und ihre Vorherrschaft festigen, und um dies zu erreichen, brauchen sie ihre Militär-, Radar- und Raketenabschussbasen. So, wie sie sie in Europa schon in (alphabetisch) Albanien, Bulgarien, Deutschland, Griechenland, Island, Italien, Kosovo, Polen, Rumänien, Serbien, Spanien und Ungarn in Betrieb haben. Die Ukraine aber, direkt an Russland angrenzend und deshalb besonders interessant, fehlt noch auf der Liste.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
In Kiev wird mit dem europäischen Schicksal gespielt, das ist dramatischer als der heutige Sonntag in der Schweiz, wo es vorläufig bloss um die grössten Kompetenzen eines Parlaments in Europa in der Einwanderungsfrage geht, «unser» Kanton Aargau könnte nach 103 ausgezählten Gemeinden knapp annehmen. Um die Hoffnungen von Kiev zu erfüllen, brauchte es ein viel stärkeres Europa als es heute ist, vor allem viel bessere Politiker als wir heute haben. Merkel, die vertrauenswürdigste Politikerin der EU, macht die Politik, die ohnehin geschieht, sie ist weder im Guten noch im Schlechten mit Thatcher, de Gaulle, Adenauer in die gleiche Liga zu setzen. Eigentlich schade für Europa.
Anlässlich seines Referates an der Universität Zürich hat Egon Bahr seine Worte, welche er vor Gymnasiasten anfangs Dezember letzten Jahres in Heidelberg aussprach, nicht wiederholt. Er sagte damals: „Ich, ein alter Mann, sage euch, dass wir in einer Vorkriegszeit leben.“ Von mir darauf angesprochen, wollte er dies nicht verneinen. Sollte die NATO zusätzliche Raketen in Ostpolen stationieren, könnte das Wettrüsten wieder Tatsache werden, der Kalte Krieg sei keineswegs beendet.
Wie recht Egon Bahr und auch Christian Müller haben!
Ein Lichtblick, dass sowohl die EU und auch Russland an der Ukraine wirtschaftliche
Interessen haben. Solange die politischen Interessen Russlands nicht tangiert werden, könnte die Ukraine wirtschaftlich durchaus näher an die EU heranrücken. Die Teilnahme der Ukraine am gemeinsamen Markt der EU stellt auch für Russland ein Gewinn dar, diese aber ohne EU-Mitgliedschaft, denn sie würde den politischen Einfluss Russlands zu stark gefährden. Die Ukraine hat das Potential,
in ihrem Verhältnis zur EU dereinst die Schweiz des Ostens zu werden!
Egon Bahr sagte auch, dass die Präsidenten Obama und Putin dieses Problem durchaus bei einem 30 minütigen Gespräch lösen könnten, wenn sie nur auch wollten….
ja, wenn sie nur auch wollten…..
Kriegsversprechen:
http://www.youtube.com/watch?v=vO7KwIaroeI
Herr Müller gibt sich in regelmässigen Abständen grosse Mühe, uns die EU näher zu bringen. Nun, wir schätzen die Meinungsfreiheit und es soll ihm gegönnt sein, dass er im redaktionellen Teil des hochgeschätzten Sperbers seine private Meinung kund tun darf. Aber in Anbetracht der fast einhelligen Ansicht der meisten Stimmberechtigten in diesem Lande, welche die kaum-demokratische EU ablehnen, ist es allmählich bemühend, immer wieder diese zusammengeschusterten, einseitigen Argumente lesen zu müssen. Uns werden Stimmrecht und Referendumsrecht, unsere Breitengrade betreffend, genommen. Wer das verschweigt oder verwedelt, argumentiert unehrlich. Was interessiert mich Brüssel oder Paris, wenn ich hier die Gesetze geändert haben möchte? Ich reise höchstens nach Bern um Krach zu schlagen, sicher nicht nach London oder Berlin. Wie können Sie Herr Müller, als hochintelligenter und weiser Mann an dieser Tatsache vorbeischreiben? Wir lieben unsere Heimat, sind weltoffen, aber wir lassen uns nicht vom Fremden überrennen. Das kommt ohnehin, aber bitte in verdaubaren Dosen. Ist das so schwer u kapieren?