Sperberauge
Sean Spicer: Dummheit oder Zynismus?
Der israelischen Tageszeitung Haaretz war es – verständlicherweise – eine Breaking News wert. Sean Spicer, der Medien-Sprecher von Donald Trump, nahm Hitler in den Mund, um das Verbrechen Assads mit dem Giftgas zu «bewerten». Nicht einmal Hitler sei so tief gesunken, Giftgas gegen seine eigenen Leute einzusetzen, sagte Spicer.
Ausgerechnet Hitler!
Hitler hatte in seinem politischen Programm, die europäischen Juden auszurotten. Und er kam damit ziemlich weit. Nach neusten Schätzungen haben die Befehlsempfänger Adolf Hitlers im Zweiten Weltkrieg zwischen 5,6 und 6,3 Millionen Juden ermordet – die meisten davon mit Gas. Und die meisten waren «seine Leute», nämlich deutsche Juden mit deutschem Pass.
Noch sind die Informationen zum neusten Giftgas-Einsatz in Syrien und zu dessen Befehlsgeber widersprüchlich. Ein Verbrechen war es eh. Aber es war ein einzelner Einsatz mit einigen Dutzend Toten, darunter auch Kinder. Hitler dagegen brachte über Jahre hinweg konsequent und mit geradezu industrieller Vorgehensweise mehrere Millionen Juden um, die meisten davon in Konzentrationslagern in verschlossenen Kammern, die mit Giftgas gefüllt wurden. Der Holocaust ist einer der schlimmsten und brutalsten Völkermorde der Menschheitsgeschichte.
Und jetzt benutzt der Medien-Sprecher Donald Trumps diesen Holocaust zum Vergleich mit dem Giftgas-Einsatz in Syrien – beziehungsweise um die daran anschliessende Bombardierung eines syrischen Luftwaffenstützpunktes mit 59 Raketen durch die USA zu legitimieren.
Ist Sean Spicer ein absoluter Blödmann und Dummkopf oder ein abgrundtiefer Zyniker?
Hier die Originalmeldung von Haaretz:
Sean Spicer on Syria Gas Attack: Hitler Didn’t Sink to Using Chemical Weapons
In an attempt to clarify his comments, Spicer said Hitler wasn’t ‹using the gas on his own people the same way Assad is doing.
Haaretz Apr 11, 2017 9:30 PM
White House Press Secretary Sean Spicer addressed the recent chemical attack in Syria on Tuesday, saying that «Hitler didn’t sink to using chemical weapons.»
Spicer made the remarks during a daily press briefing while addressing the chemical attack and Russia’s position on it. The White House accused Russia on Tuesday of taking up in a cover-up of the chemical attacks in Syria.
»We had someone as despicable as Hitler who didn’t even sink to using chemical weapons,» Spicer said. «So you have to, if you’re Russia, ask yourself is this a country that you want to align yourself with?»
Asked to clarify the comment later in the press briefing, Spicer said that the Nazi leader «was not using the gas on his own people the same way Assad is doing.»
The Nazi regime, in fact, did use gas, Zyklon B, to commit mass murder in death camps.
Spicer then said he wasn’t »trying to lessen the horrendous nature of the Holocaust» but «was trying to draw a contrast of the tactic of using airplanes to drop chemical weapons on innocent people.»
Zwischenzeitlich berichtete auch die BBC darüber.
Und jetzt auch noch die NZZ. Und was sagt sie? Sie versucht Spicer zu entschuldigen. Es sei «taktlos» gewesen von Spicer, «nicht böse Absicht». Wörtlich, im Vorspann: »Sean Spicer, der Sprecher von Präsident Trump, hat sich entschuldigt, nachdem er sich auf einen taktlosen Vergleich zwischen Hitler und Asad eingelassen hatte. Es war Unvermögen, nicht böse Absicht.» Und, im Text: »Dennoch ist es unfair, Spicer nun als Holocaust-Leugner darzustellen. Spicer wie Trump mangelt es immer wieder am erforderlichen intellektuellen Hintergrund, um in heiklen Fragen aus dem Stegreif das Richtige sagen zu können.»
Man kann es auch so sagen…
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
Unfassbar. Und ich denke, Trumps Medien-Sprecher ist beides: Blöd und zynisch. Das sind alle, die den Hitler-Vergleich bedienen. Spicer ist bei weitem nicht der Einzige.
Müller-Muralt behauptet, bei den Ermordeten des Holocaust habe es sich überwiegend um deutsche Staatsbürger gehandelt. Das ist signifikant falsch (die Bundeszentrale für pol. Bildung schätzt 165.000 Deutsche und 3,4 Millionen Polen). Deshalb würde ich vorschlagen, Müller-Muralts sonstige Angaben zum Holocaust ebenfalls mit Vorsicht zu behandeln.