Kommentar
US-Wahlen: Grossmaul schlägt Musterschülerin
Diese Wahl war & ist, vermutlich, vor allem auch eine Geschlechterwahl. Wenn Donald Trump – so wie er sich inszenierte & womöglich auch ist – eine Frau wäre, sie hätte keine Chance gehabt. Einer Frau wäre all das Getrumpe nicht verziehen worden. Aber als Mann ist Trump, vermutlich, nicht nur gewählt worden, obwohl, sondern weil er ein Macho & Rüpel ist. Das Video, in dem er sich mit sexueller Gewalt brüstet – «Ich fange einfach an, sie zu küssen. Ich warte nicht einmal. Und wenn du ein Star bist, dann lassen sie es zu … Berühre ihre Vagina. Du kannst alles machen …» (Blick online, 8.10.2016) – hat ihm nicht nachhaltig geschadet, womöglich hat es sogar sein Image als zupackender Mann gestärkt.
In seinem Artikel «Karikaturen einer Schlammschlacht» schreibt Christian Weisflog am Tag der Wahl in der Neuen Zürcher Zeitung, der Karikaturist Doug Goudsward habe «das Wesentliche der Debatten in einer einzigen Zeichnung» festgehalten.
Der gegenseitige Vorwurf der «Misshandlung» – der Langenscheidt übersetzt «mishandle» mit «falsch behandeln, handhaben, anpacken» – von E-Mails beziehungsweise Frauen, notiert Weisflog, reime sich in Englisch «schön: da E-Mails, dort Females». Die Gleichsetzung von Mails und Frauen hat nicht nur etwas Beklemmendes, sie macht, nachdem das Wahlresultat bekannt ist, auch klar: Einem Mann, Trump, werden sexistische Sprüche, ja, sogar selbst deklarierte sexuelle Übergriffe vergeben, womöglich sogar verdankt, weil er solches Verhalten auch für den «gewöhnlichen Mann» rehabilitiert. Der Frau aber wird die nachlässige Handhabung von Mails zum Verhängnis. Der Cowboy – «Ich könnte in der Mitte der 5th avenue stehen und jemanden erschiessen, und ich würde keine Wähler verlieren, okay?» (Kronenzeitung, 25.1.2016) – hat die Hexe geschlagen.
Eigentlich hat Hillary Clinton (fast) alles richtig gemacht, und als Mann wäre sie wahrscheinlich zum «Champion» (der künftige Vizepräsident Mike Pence über Trump) erklärt worden. Aber die Musterschülerin – die sich auch «männliche» Machtstrategien aneignete – hat offensichtlich die für Frauen in den Vereinigten Staaten nach wie vor bestehende rote Linie überschritten. Was Hillary Clinton auf dem Weg zurück ins Weisse Haus vermutlich gestoppt hat, das ist ihr Wunsch, es als Präsidentin zu tun, und das schon lange. Das männliche Grossmaul, das wie ein Gorilla mit beiden Fäusten auf seiner Brust herumtrommelt & brüllt «Ich bin der Grösste» wird gewählt und von seinem Stellvertreter in der Wahlnacht mit dem Satz gefeiert: «Seine Führerkraft und seine Grösse wird Amerika wieder erstarken lassen.» Weil Macht Männer macht. Die Frau aber wird (erneut) abgestraft, weil der Boss im Oval Office immer der Mann ist.
Wer jetzt behauptet, mit Michelle Obama hätten die Demokrat*innen gegen diesen Trump locker gewonnen, täuscht sich mit grösster Wahrscheinlichkeit. Die schwarze Frau im Weissen Haus war & ist ja gerade deshalb so populär, weil sie, im Gegensatz zu Hillary Clinton, nie eigene Ambitionen erkennen liess, den Gemüsegarten in der präsidialen Residenz pflegte, sich nicht in die traditionellen Männerzonen drängte und sich auch in diesen Wahlkampf nur als eine über den politischen Niederungen stehende moralische Instanz einmischte. Hätte sie sich um die Macht im so genannt mächtigsten Staat der Welt beworben, sie hätte vermutlich ein ähnliches Schicksal erlitten wie Hillary Clinton, auch wenn es von ihr keine «missbrauchten» Mails gibt.
Diese Wahlen haben eines deutlich gemacht: Das Land, das Constantin Seibt in seinem vom Tagesanzeiger am 26. Oktober in Englisch publizierten Aufruf «Amerikaner, wählt! Und zwar Frau Clinton!» als «das Land der Pioniere» charakterisiert, ist das in der Geschlechterfrage gerade nicht. Wenn Seibt aber mit seiner These, der Blick nach Amerika sei ein Blick in die Zukunft – «Denn was in Amerika passiert, passiert ein paar Jahre später in Europa.» –, recht bekommen sollte, dann gute Nacht. Dann stünde uns die Rückkehr der Cowboys und des starken Mannes bevor.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Ein Kommentar in der TAZ: «Trump ist die Niederlage des Neoliberalismus, jene Vertreter einer entfesselten Wirtschaft fahren nun ihre vergiftete Ernte ein. Mit Recht!
Bernie Sanders wäre der Mann der Stunde für die Demokraten gewesen. Stattdessen wurde mit innerparteilicher Intrige die denkbar schlechteste Kandidatin ins Rennen ums Weiße Haus geschickt.
Die Amerikaner haben nicht Trump gewählt, sondern Hillary nicht gewählt! Das ist der entscheidende Unterscheid!"
Der entscheidende Fehler liegt bei der Democratic Nomination Commitee (DNC), das sich nicht neutral verhalten hat, sondern Clinton favorisierte und Sanders benachteiligte, ja geradezu abwürgte.
TAZ:"Das unlautere Machtspiel der Demokraten hingegen, Hillary Clinton mit allen Mitteln zur Kandidatin zu machen, hat in die Katastrophe geführt."
Das demokratische Establishment hat auf Biegen und Brechen Clinton nominiert anstatt die Zeichen der Zeit zu erkennen und auf Sanders zu setzten.
Heute kam die Quittung.
@Blanc. Sie holen nach, was jürgmeier über weite Strecken nicht leisten wollte, Sie gehen in Richtung einer politischen Analyse. Aus biologischen Gründen dürfte der sexuelle Schaden, den Trump im Weissen Haus noch anrichten kann, im Vergleich zu anderen zu befürchtenden Gefahren der geringste sein. Objektiv genügten Kennedy, Johnson, Nixon, Clinton, mutmasslich auch George W. Bush, wie Trump den charakterlichen Ansprüchen an einen US-Präsidenten nicht, was immerhin gegenüber dem abtretenden Präsidenten Obama zu einer gewissen Hochachtung nötigt, wiewohl der Nobelpreis für Frieden leider ein schlechter Witz war.
Das ist tatsächlich eine zu einfache Erklärung, dass Hillary verlor, weil sie eine Frau ist. Gerade mit Frauen hat sie es sich verscherzt. Die haben dann zwar nicht für Trump, aber eben auch nicht für Hillary gewählt.
Siehe dazu auch die leider auf den Punkt eingetroffenen Vorahnungen von Michael Moore:
http://michaelmoore.com/trumpwillwin/
Ich gehe da mit Stephan Klee einig. Warum nicht öfter über den genauen Inhalt der Clinton Mails berichtet wird, erstaunt mich schon. Gerüchte über Gerüchte, dabei gibt es viele Beispiele. Hier ein kleines Beispiel:
“In fact, one of the most significant Podesta emails that we released was about how the Obama cabinet was formed – and half the [first] Obama cabinet was basically nominated by a representative from Citibank. It is quite amazing,” Assange said.
–> Okay, die Hochfinanz (hier die Citibank) bestimmt zu einem grossen Teil, welche Politiker im Weissen Haus sitzen. Das verwundert wohl die Wenigsten (obwohl es nichts mit Demokratie zu tun hat). Dennoch ist alleine die Tatsache, dass diese «sensible Info» via Clinton Mails öffentlich wurde in Amerika eine klare Straftat !
Moralisch nicht weiter schlimm, im Gegenteil.
Was Lybien angeht sieht es schon ganz anders aus:
"[..]there’s an internal document called the «Libya Tick Tock» [..] it’s a chronological description of how Hillary Clinton was the central figure in the destruction of the Libyan state.”
Originalmail:
https://wikileaks.org/clinton-emails/?q=Libya+Tick+Tock&mfrom=&mto=&title=¬itle=&date_from=&date_to=&nofrom=¬o=&count=50&sort=0
By the way: Man mag von Merkel, Marine le Pen & Co halten was man will. Aber die eine oder andere mächtige Frau hat leider auch schon Fehler gemacht, das ist wohl leider (wie eigentlich alles im Leben) nicht auf das Thema Gender zu reduzieren.
Man kann Clinton sicher einiges vorwerfen, aber deswegen stimmt Jürgmeiers Argument trotzdem, dass ein Mann in derselben Situation vermutlich problemlos gewählt worden wäre. Dass sie von den Frauen nicht die volle Unterstützung hatte, widerlegt diese Ansicht jedenfalls nicht. Leider wenden sich Frauen manchmal selbst gegen Frauen, nur weil sie Frauen sind. Sexismus ist tief verankert, und nicht nur bei Männern. Aber warum der Artikel keine politische Analyse sein soll, ist mir schleierhaft. Ist nur politisch, was mit Wirtschaft zu tun hat, die Geschlechterbeziehung hingegen privat?
Etwas sehr seicht, dieser Artikel von Jürg Meier. Nur Thierry Blanc vermag zumindest mit einem Punkt die Niederlage Hillary Clintons zu erklären, was eben Jürg Meier nicht gelingt. Dafür grübelt er in alten «Wunden», was Politiker gesagt, oder auch nicht gesagt haben. «Beurteile den Menschen nicht nach seinen Worten, sondern nach seinen Taten, denn viele sprechen vorzüglich und handeln töricht». Bei Donald Trump könnte es ja gerade umgekehrt sein, geben wir ihm diese Chance!
@Belser. Bei aller Bedeutung von «Gender» reicht dieser Gesichtspunkt für die Erklärung von Trumps Wahlsieg nicht aus, wiewohl eine Analyse z.B. der weissen unterklassigen Männer, die sog. Trash Americans, was bringen würde, wiewohl viele von ihnen wie Unzählige nicht wählen gehen, weil sie die Hürde der Registratur nicht nehmen und nicht nehmen wollen, was ja für eine anarchische Lebensweise auch Vorteile hat. Dass netto nur 18% Trump gewählt hätten, entspricht dem Wahlverhalten in der Schweiz. Es sind immer weniger die wählen gehen, besonders in den Kantonen, neuerdings z.B Aargau und Freiburg. Umso wichtiger scheint mir bei uns und in einigen US-Bundesstaaten die direkte Demokratie. Eine Wahlbeteiligung wie in Nordkorea ist nicht nötig, und ich habe für den Kanton Luzern recherchiert, dass Wahlen bei 95% Beteiligung mit massenhaftem Ausfüllen von Wahlzetteln jeweils von Agitatoren der Konservativen und der Liberalen zusammenhingen, das war vor Jahrzehnten.
Trump: Eine unsichtbare Kraft hat gewonnen
http://www.christoph-pfluger.ch/2016/11/10/trump-eine-unsichtbare-kraft-hat-gewonnen/
Der einzige Artikel, der nach den Hintermännern von Trump fragt (Frauen da sicher nicht dabei 😉 ).
Ausserdem: Nach meinen eigenen Schätzungen müssten lediglich einige Prozent der Stimmen in Swing States gefälscht worden sein, um Trump zum Sieg zu verhelfen.
Mehr hier: https://thieblog.wordpress.com/2016/11/10/just-a-few/
Diesmal leider nein, Herr Blanc! Donald Trump ist nicht frauenfeindlich und Hillary Clinton ist und war sicherlich keine «Quotenfrau"!
Und natürlich kann man den klaren Sieg Donald Trumps infrage stellen. Immerhin hat Hillary Clinton den ehrenvollen zweiten Platz bei diesen Wahlen belegt! Wenn man nicht verlieren kann, sollte man sich keinem Wettbewerb stellen.
Etwas sollten wir nicht ausser Acht lassen. Hillary Clinton hat 300’000 Stimmen mehr geholt als Trump. Das ist zwar auf die gesamte Wählerzahl hochgerechnet, nicht gerade viel: 0.2%. Aber von einem überlegenen Sieg Trumps sollte man nicht sprechen. Die USA sind ein zutiefst gespaltenes Land. Trump weiss nur eine Minderheit hinter sich. Trotzdem hat er jetzt die absolute Macht und macht sich daran, eine so genannte konservative Revolution vom Stapel zu lassen. Das wird Probleme geben. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der nächste unbewaffnete Schwarze von Polizisten hinterrücks abgeknallt wird. Mit dem Schwarzenfeind Trump wird es noch weit schlimmere Reaktionen als die ohnehin schon heftigen der vergangenen Monate geben. Es könnten plötzlich ganze Quartiere in Flammen stehen, mit vielen Opfern unter der schwarzen Bevölkerung. Das würde einen in den USA seit dem Sezessionskrieg vor 150 Jahren noch nie dagewesenen Flächenbrand auslösen. Ein wahrhafter Bürgerkrieg über dessen Ausgang wir nur spekulieren können. Die Schockwellen würden mit Sicherheit auch Europa überrollen. Was in den USA die Afroamerikaner und die Latinos sind, sind bei uns die Migranten. Nein, was sich gerade in den USA anbahnt, ist ein Schreckens-Szenario. Der in Bedrängnis geratene kleine weisse Mann sieht seine lang ersehnte Chance gekommen, die alten verlorenen Positionen wieder zurückzuerobern. Am Schluss werden wir alle verlieren.
@Lieber Peter Beutler. Es zirkuliert auch ein Video, gemäss dem Trumpwähler und sogar Trumpwählerinnen von Schwarzen zusammengeschlagen wurden, das sollte man, wie das Gegenteil, nicht zur Hetze überbewerten. Auch scheint das Einreiseverbot für Muslime schon gekappt zu sein und an Obamacare gibt es möglicherweise nur kosmetische Veränderungen. Eher sollten wir uns über einen Aussenminister Newt Gingrich Gedanken machen, von dem ähnliche Gefahren ausgehen könnten wie vom Clinton-Team. Die Linksextremisten in Amerika werden sich durchaus wohl wieder beruhigen, es gibt kein Schreckensszenario. Klar muss sich unsereiner von diesem Wahltag erholen, der Typ des US-Präsidenten ist, wie schon Eisenhower zeigte, kein Bücherleser, so wie R. Metzler, Ph. Müller und Th. Minder. Kennedy liess sich seine Bücher von andern schreiben und hatte ähnliche Charaktermängel wie Trump. Die Chance wäre, dass man sich zum Beispiel in Europa wieder stärker auf sich selber besinnen würde.
Lieber Pirmin Meier, man das doch etwas anders sehen. Zum Beispiel die «Linksextremisten» in Amerika? Was ist damit gemeint? Die Demokraten Clintons schlechthin? Der wählerstarke linke Flügel der Demokraten unter Sanders? Oder die noch immer unterprivilegierten Afroamerikaner, die in den Ghettos der Vorstädte? Ich mag den Begriff «Linksextremisten» nicht. Er muss zu oft als Sündenbock für weltoffene Kritiker unserer aus dem Ruder gelaufenen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung herhalten . Ich meine für die, welche Menschenrechte, Solidarität, den Ausgleich zwischen den verschiedenen Ethnien hoch halten. Zu Trumps Weltbild scheint man sich über die massgebenden politischen Lager unseres Landes hinweg einig zu sein. Originalton NZZ, Samstag/Sonntag, 12./13. November 2016. «Wie konnte das Land des Fortschtitts und der Träume, der jahrhundertelange Garant von Demokratie, Freiheit, Marktwirtschaft, eine derart fragwürdige Gestalt zu seinem Präsidenten wählen? Ein Mann, der über keine politische Erfahrung verfügt, der kein konsistentes Programm vorgelegt hat? Der notorisch Lügen verbreitet, bedeutende Bevölkerungsgruppen beleidigt, gesellschaftliche Grundwerte verhöhnt und wenig Respekt vor elementaren rechtsstaatlichen Prinzipien zeigt?» Mir läuft es heiss und kalt den Rücken herunter, wenn die grosse Schar der klammheimlichen Trump-Versteher uns diesen Typen schmackhaft machen will. Das als harmlosen Charaktermangel herunterzuspielen, schlägt jeglicher Vernunft ins Gesicht.
@Beutler. Charaktermängel sind alles andere als harmlos. Habe es selber in der praktischen Politik in der Schweiz erlebt vom eigentlich wohlgebildeten James Schwarzenbach bis in die Gegenwart, wo ich lieber keine Namen nenne, sehe da nicht wie viele Bl. im Vordergrund. Ich versuchte Politik stets zu analysieren, was nicht automatisch Schimpfkaskaden auslösen kann. Zu den fragwürdigsten Charakteren der neueren westlichen Politik, auch Verlogenheit betreffend, schätze ich den von mir noch 1968 als Anti68er noch öffentlich verteidigten Richard Nixon ein. Dessen Verlogenheit war im Vergleich zur geradezu transparenten Unstimmigkeit bei Donald Trump wohl nachweisbar gefährlicher, weil schwerer durchschaubar und insofern perfider. Bei Trump nimmt bis auf weiteres niemand für 100% was er sagt, ausser vielleicht Wagenknecht, die sich offenbar schon über seine treffende Kennzeichnung der Nato als «obsolet» freut. Dabei sagt Trumps Staatssekretär eher das Gegenteil. In dieser Sache wird das von Thomas Hürlimann oft zitierte Wort von Robert Musil gelten: «Politik ist was geschieht».
PS. Schliesse nicht aus, dass Putin historisch noch als «Charakter» durchgehen könnte, und zwar ein Charakter im Sinn von Machiavelli, was neben dem «Machiavellismus» eine gewisse «virtû» nicht ausschliesst. Linksextrem nenne ich zum Beispiel Leute, die eine Debatte einfach niederbrüllen. Habe das 1969 bei einem Vortrag von Franz Josef Strauss erlebt, der mit einem «Sauhund – Sauhund"-Chor begrüsst wurde.