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Der Weg zu mehr Stabilität führt über Iran als Atommacht © cm

US-Professor: Iran soll Atomwaffen haben dürfen

Christian Müller /  Ein Professor der Columbia University wagt, die weltweite Verteufelung des Irans als «irrationaler Staat» zu hinterfragen.

Kenneth N. Waltz, der renommierte Professor für Politische Wissenschaften an der nicht minder renommierten Columbia University, wagt das Unglaubliche: «Es ist Israels nukleare Bewaffnung», schreibt er wörtlich, «nicht Irans Wunsch danach, über eine nukleare Bewaffung zu verfügen, die zur gegenwärtigen Krise im Nahen Osten am meisten beigetragen hat.» («It is Israel’s nuclear arsenal, not Iran’s desire for one, that has contributed most to the current crisis.») Und ebenso deutlich: «Die meisten US-amerikanischen, europäischen und israelischen Kommentatoren und Politiker warnen, ein Iran als Atommacht wäre die schlechteste der möglichen Ausgänge aus der gegenwärtigen Sackgasse. In Tat und Wahrheit aber wäre es mit grösster Wahrscheinlichkeit die bestmögliche Lösung: diejenige nämlich, die im Nahen und Mittleren Osten endlich wieder Stabilität bringen würde.» Der Kommentar erschien an erster Stelle in der neusten Ausgabe des US-amerikanischen Polit-Magazins «Foreign Affairs». Und er kommt zum richtigen Zeitpunkt: Gerade am 1. Juli sind die internationalen Sanktionen gegen Iran erneut verstärkt worden.

Beispiele Nordkorea, Indien und Pakistan

Waltz argumentiert weitestgehend historisch: In keinem Fall konnte ein Staat, der sich nuklear bewaffnen wollte, davon abgehalten werden. Selbst wirtschaftliche Sanktionen würden nichts nützen. Nordkorea etwa stecke wirtschaftlich in grössten Problemen und arbeite trotzdem intensiv an einem Nuklear-Programm. Umgekehrt aber seien mehrere Staaten über den Besitz von Nuklear-Waffen zu sorgfältig agierenden Mächten geworden, Indien und Pakistan zum Beispiel, die sich nicht mehr bekriegen, sondern respektvoll miteinander umgehen und sich gegenseitig anzunähern versuchen.

Israels Atomwaffen-Monopol

Waltz weist darauf hin, dass Israel mit seinem Atom-Monopol im Nahen Osten und mit seinen Zerstörungen von entstehenden Nuklearanlagen 1981 in Irak und 2007 in Syrien zum Brennpunkt von Angst und Ablehnung der umliegenden Länder wurde. Stabilität könne aber nicht mit dem Atomwaffen-Monopol-Gehabe Israels, sondern nur mit einer Balance erreicht werden. Gerade diese Balance werde aber erreicht, wenn auch dem Iran ein Nuklear-Programm zugestanden werde.

Iran ist nicht einfach «irrational»

Vor allem wehrt sich Kenneth N. Waltz gegen das internationale Vorurteil, der Iran sei von Hause aus «irrational». Der Staat werde nicht von verrückten Mullahs regiert, sondern von höchst cleveren Ayatollahs, die ganz einfach ums Überleben kämpfen, so wie das andere Herrscher auch tun.

(Auch der französische Soziologe Emmanuel Todd hat mehrmals darauf hingewiesen, dass das Bildungsniveau im Iran höher ist als in allen arabischen Ländern und dass auch die Frauen mit einer Fertilitätsrate von unter 2.1 auf durchaus europäischem Level der Emanzipation liegen. Dass die Revolutionsversuche im Iran in den letzten Jahren trotzdem nicht erfolgreich waren, ist gemäss etlichen Beobachtern nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die Ayatollahs im Westen und speziell in den USA jenen äusseren Feind zur Verfügung hatten, der in Krisenzeiten jeweils nötig ist, um das Volk im Innern wieder zusammenzubringen. Anm.cm)

So wie alle anderen Regierungen der bestehenden Atommächte, so würde auch die Regierung Irans, einmal im Besitz der Atomwaffen, künftig sehr sorgfältig operieren. In der 60 Jahre alten Nuklear-Geschichte gebe es kein Beispiel, wo es nicht so funktioniert habe, sagt der Politologe in «Foreign Affairs».


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Eine Meinung zu

  • am 3.07.2012 um 13:24 Uhr
    Permalink

    Der Professor argumentiert durchaus logisch und bringt die richtigen Fakten auf den Punkt.

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