Solange die Wirtschaft wächst, kommen Einwanderer
«Die neue Zuwanderung spaltet die Schweiz» lautet der Untertitel des lesenswerten und leicht lesbaren Buchs der Wirtschaftsjournalisten Philipp Löpfe und Werner Vontobel. Sie stellen die These der offiziellen Schweiz und der Wirtschaft in Frage, wonach die Zuwanderung gut sei für die Schweiz.
Die Einwanderer haben sich gegenüber früher stark verändert, denn es kommen nun vorwiegend gut ausgebildete Fachkräfte in die Schweiz, und zwar nicht mehr aus Südeuropa, sondern vorwiegend aus Deutschland. Die zwei Autoren kommen mit ihrem Buch zum richtigen Zeitpunkt, um die von ihnen gewünschte Diskussion über die neue Zuwanderung zu beleben.
Um hochqualifizierte Ausländer anzuziehen, gibt es verschiedene Trümpfe: ein gutes Verkehrsnetz, hervorragende Schulen, Universitäten und Spitäler, aber auch schöne Wohnlagen und tiefe Steuern. Die Blüten, welche der harte Steuerwettbewerb zwischen Kantonen und Gemeinden treibt, um vermögende Leute und Firmen anzulocken, werden im Buch anschaulich dargestellt. Es zeigt sich, dass der Wettlauf im Steuersenken dem Normalbürger nichts bringt, im Gegenteil. In den Steuerparadiesen schnellen die Mieten in die Höhe, so dass viele Einheimische z.B. den Kanton Zug oder die Schwyzer Zürichseegemeinden verlassen müssen, weil sie die hohen Mieten nicht mehr bezahlen können. Selbst Gemeinden mit vielen Millionären haben Sorgen, denn die betuchten Zuzüger sind anspruchsvoll, die Infrastruktur muss ausgebaut werden. Einige steuergünstigen Gemeinden weisen gegenwärtig denn auch Defizite aus.
Schweizer nicht reicher, aber zahlreicher
Das Abkommen über die Personenfreizügigkeit mit der Europäischen Union (EU) hat sich nach offizieller Meinung als zentraler Wachstumsmotor für die Schweizer Wirtschaft erwiesen. Zwar förderte es ein kräftiges Wirtschaftswachstum – innert weniger Jahre entstanden über 200’000 neue Arbeitsplätze -, doch dokumentieren die Autoren, dass die Einwohner der Schweiz «nicht reicher, sondern bloss viel zahlreicher geworden» sind. Die Schattenseiten erläutert im Buch ein Chefbeamter des Bundesamts für Migration: «Einzelne Unternehmen stellen gelegentlich lieber junge Leute aus dem Ausland an als einheimische, weil die Jungen zu günstigeren Konditionen arbeiten. Aber diese verdrängen dann Arbeitskräfte aus der Schweiz oder dem EU-Raum.» Grossaufträge, nach den Regeln der Welthandelsorganisation ausgeschrieben, werden oft an verschiedene Firmen weitergegeben: So entsteht das Phänomen der selbständigen Unterlieferanten, die für Stundenlöhne von weniger als zehn Franken arbeiten, ein Missbrauch, der nur schwer zu bekämpfen ist. Die von den Gewerkschaften durchgesetzten flankierenden Massnahmen zum Schutz der Löhne der Einheimischen werden demnach zum Schaden der Arbeitnehmer und des Gewerbes umgangen.
Und stimmt die oft gehörte These, die Zuwanderer würden helfen, unsere Renten zu sichern? Kurzfristig treffe das zu, schreiben die Autoren, doch wenn die Zuwanderung später abnehme, werde sich die Überalterung danach gleichwohl bemerkbar machen. Aus der Sicht des Durchschnittschweizers sei die Standort- und Einwanderungspolitik jedoch klar negativ. Dazu komme, dass die Macht des Marktes den Spielraum der Staaten begrenzt, die eigene Bevölkerung zu schützen.
Wie das Schweizer Modell retten?
Die zwei Journalisten geben zu, dass sie ziemlich ratlos sind, wie das Modell Schweiz, das dem Ausgleich verpflichtet ist, gerettet werden kann. Sie empfehlen, den Standort- und Steuerwettbewerb etwas zu mildern sowie Sprach- und Integrationskurse für Einwanderer anzubieten. Überflüssig scheint mir ihre Forderung, die Einwanderung aus nicht EU-Staaten (z.B. Afrika, Türkei) stark einzuschränken, denn der Bundesrat selber hat das längst getan. Unbedarft ist ihr Vorschlag, Zuzügern aus Drittstaaten den Familiennachzug praktisch zu verunmöglichen. Nachdem das Saisonnierstatut endlich abgeschafft wurde, welches den Ehepartnern und Kindern von Saisonarbeitern den Aufenthalt in der Schweiz verboten hatte, wollen wir doch nicht Einwanderern erneut das Leben mit ihrer Familie verweigern, zumal das Recht auf Familie in Artikel 14 unserer Bundesverfassung verankert ist.
Gegenüber der starken Einwanderung aus der EU sind die zwei Wirtschaftsjournalisten zwar skeptisch, doch die Schweiz sei in diesem Bereich machtlos, denn es wäre nicht zu verantworten, deswegen das Freizügigkeitsabkommen zu künden. Sie sehen jedoch die Möglichkeit, die flankierenden Massnahmen zum Schutz der einheimischen Arbeitnehmer zu verstärken. Sie unterlassen es jedoch, klar herauszuarbeiten, dass gerade die vielen neuen Unternehmen die Voraussetzungen schaffen, dass die Einwanderung fortdauert und wächst. Die Zuwanderung ist eine Folgeerscheinung der Standortgunst. Sie zu bremsen, ohne das Wirtschaftswachstum zu drosseln, ist bisher nie gelungen. Der Bundesrat versuchte bereits in den 60er Jahren mit verschiedenen Massnahmen die starke Einwanderung aus dem Süden zu drosseln – ohne Erfolg. Erst die Erdölkrise Mitte der 70er Jahre brachte die gewünschte Abnahme und löste zudem eine Rückwanderung aus, so dass die Zahl der Ausländer in der Schweiz sich verringerte – bis der nächste Aufschwung die Einwanderung erneut beschleunigte.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Geschätzte Redaktionsmitglieder
Es wird und wurde immer wieder verbreitet, vom Seco, Arbeitgeberverband und anderen Parteiexponenten, dass nur ganz gut ausgebildete Fachkräfte in der Schweiz eine Arbeit finden. Wie Serge Gaillard mehrfach betonte: Es gibt nur eine ergänzende Einwanderung, keine verdrängende und lohndumping erzeugende. Es sind leider Fachkräfte in alle Branchen eingewandert. Auch nicht nur vorwiegend Deutsche, sondern auch Portugiesen und in das Gastgewerbe von 2004 bis heute Polen UND Deutsche! Bei ihnen wurde jeweils das Kontingent ausgeschöpft, wie Herr Fassbind, Hotelier aus Lausanne noch im Jahr 2008 in der Fachzeitung Hotelrevue berichtete. Es sind Einwanderer gerade eben nicht als Saisonniers wie auch Sie schreiben d.h. nicht absolut ohne Familiennachzug gekommen. Also ist es auch widerlegt, dass nur gut und top ausgbildete kamen. Die gut ausgebildeten haben nämlich ihre Frauen oder Lebensgefährtinnen, die etwas älteren Töchter und Söhne mitgenommen mit zum teil schlechterer Ausbildung und weniger Berufserfahrung. Kenne ein deutscher Banker im gehobenen Kader, der hat eine Zahnarzthelferin mit in die Schweiz genommen. Bei den Zahnarzthelferinnen existiert aber ein Kampf um Stellen. Diese Frau konnte aber eine Stelle ergattern, weil sie etwas günstiger arbeitet, als vergleichsweise eine Schweizerin mit ähnlicher Ausbildung. Mit Recht muss gefragt werden:
Kommen denn nur alles topausgebildete deutsche und portugiesische Junggesellen und Jungfrauen ohne Begleitung in die Schweiz, als nur rein ergänzende Einwanderung – wie Serge Gaillard und Thomas Daum verlauten – in den Arbeitsmarkt? Es ist klar. Neben den reichen und top ausgebildeten Einwanderer kamen und kommen immer noch schlechter ausgebildete in Branchen welche gar keinen Fachkräftemangel aufweisen! Dies hätte bis zu einem gewissen Grad unterbunden werden können durch die Anrufung der Schutzklausel/Ventilklausel am 1. Juni 2009 als die Kriterien erfüllt waren, d.h. das Quorum erreicht wurde. (durchschnittliche Einwanderungszahl der vorangegangenen drei Jahre verglichen mit der Einwanderungszahl des Jahres vor der Anrufung in Brüssel)
Vor der Abstimmung wurde dem Stimmvolk nebst ungenügenden Kontrollen im Bereich tripartide Kommissionen und flankierende Massnahmen auch versprochen, wenn die Kriterien einer zu hohen Einwanderung erfüllt seien würde dann sofort die Schutzklausel aktiviert. Die Kantone und das teilweise Unternehmerparlament inkl. Bundesrat hat nichts unternommen! Das entspricht nicht dem Auftrag der Räte zum Wohle des Volkes und der Volkswirtschaft zu handeln. Wenige egoistische Unternehmerinteressen wurden vorangestellt. Volkswirtschaft ist nicht nur die Summe von wenigen egoistischen Unternehmerinteressen. Zur Volkswirtschaft gehören heute bekannterweise auch die Sozialversicherungen. Die sind ja wie wir wissen mit Milliardenbeträgen verschuldet.