Jeder Zweite verheimlicht Interessenbindungen
«Fast bei jedem zweiten Parlamentsmitglied sind wir auf Tätigkeiten gestossen, die – entgegen der gesetzlichen Regelung – nicht deklariert wurden», heisst es bei «Lobbywatch». Otto Hostettler präzisiert: «Bei den betroffenen Parlamentariern haben wir Fehler, Unvollständigkeiten oder veraltete Angaben gefunden.» Weil aber keine offizielle Stelle kontrolliert, ob die gesetzliche Transparenzregelung (Art. 11 des Parlamentsgesetzes) eingehalten wird, bleibt Lobbywatch die einzige Instanz, welche diese Verstösse aufdeckt.»
Das ist die 2016er Bilanz von Lobbywatch, der unabhängigen Plattform für transparente Politik. Das Lobbywatch-Team konnte in akribischer Arbeit die Recherchen über sämtliche 246 National- und Ständeräte abschliessen.
Die Mehrheit der «Volks»-Vertreter will keine Transparenz
2016 hat das Parlament eine ganze Reihe von Vorstössen abgelehnt, die auf mehr Transparenz abzielten. Sogar völlig unverbindliche Regelungen fanden keine Mehrheit. Als «denkwürdigen Höhepunkt» in dieser Diskussion erinnert Lobbywatch an die Ablehnung des Nationalrats, dass Ratsmitglieder Einkünfte aus ihren Tägigkeiten wenigstens freiwillig melden dürfen. Die Öffentlichkeit hätte dann gesehen, welche ihrer Gewählten Transparenz ernst nehmen und welche nicht. Dieses freiwillige Offenlegen auf einer gemeinsamen Plattform lehnten die Ratsmitglieder mit 103 zu 73 Stimmen ab.
Berufslobbyisten mit direktem Zugang ins Bundeshaus
Lobbywatch hat letztes Jahr nicht nur die Interessenbindungen der National- und Ständeräte fertig recherchiert, sondern auch diejenigen der Gäste der Parlamentsmitglieder. Somit existiert erstmals ein vollständiger und für jedermann zugänglicher Überblick darüber, welche Gäste in den eidgenössischen Räten in wessen Interessen agieren.
Wenigstens über diese externen Lobbyisten soll in Zukunft auch offiziell mehr Transparenz geschaffen werden. Im letzten April hatte sich nach dem Ständerat auch die Nationalratskommission für ein Lobbyregister ausgesprochen. Jetzt wird ein Gesetz ausgearbeitet, wonach sich künftig Lobbyisten registrieren und ihre Interessen offenlegen müssen. Bis heute können sie problemlos in die nichtöffentlichen Bereiche des Bundeshauses marschieren, ohne ihre Auftraggeber und Tätigkeiten offenzulegen. Dazu beschaffen sie sich einfach von einem Parlamentarier einen Zutrittsausweis und melden sich bei den Parlamentsdiensten als «Gast» an.
Auflistung von Informationsveranstaltungen
Für die Sommersession 2016 sammelte und publizierte Lobbywatch erstmals die Einladungen zu Lobbyveranstaltungen, mit denen die Parlamentsmitglieder überhäuft werden. Auf einer interaktiven Karte sind die Lobby-Hotspots der Bundesstadt aufgezeigt. Mitglieder der eidgenössischen Räte können sich vor lauter «Informationsveranstaltungen», «Sessionsanlässen» und «Apéros riches» kaum entscheiden, von wem sie sich durch die Sitzungspausen futtern (und beeinflussen) lassen wollen, schreibt Lobbywatch.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Ein interessanter Beitrag. Allerdings passen für mein Verständnis «trotz gesetzlicher Vorschrift» und «freiwillige Offenlegung … abgelehnt» nicht zusammen. Gibt es jetzt heute denn schon gesetzliche Vorschriften?
Artikel 11 des Parlamentsgesetzes. Der Link dazu ist jetzt am Anfang des Textes integriert.