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Auch die Muslime kamen in Scharen an die öffentliche Trauerfeier in Manchester © BBC

Manchester: Hasstiraden hier, weise Worte dort

Christian Müller /  Die Medien berichten unaufhaltsam über das Attentat, insbesondere über die Polizei-Recherchen. Es lohnt sich, genauer hinzusehen.

Ein Ereignis wie das Selbstmordattentat in Manchester löst, es liegt in der Natur des Menschen, Entsetzen aus. Und je näher man bei den Opfern ist – durch zwischenmenschliche Beziehungen, aber auch gemessen in Kilometern – umso grösser ist das Entsetzen, umso tiefer die Trauer, umso heftiger die Wut auf den oder die Täter. Wo Soldaten zu Tode kommen, in kriegerischen Auseinandersetzungen, ist der Tod einkalkuliert. Wo aber unschuldige Zivilisten, dazu junge Menschen, die das Leben noch vor sich haben, sterben müssen, wird der einseitig gewollte und demonstrativ inszenierte Tod zum unentschuldbaren Verbrechen. Schrecken, Trauer, Wut, Ratlosigkeit – der Reaktionen sind viele. Für prominente Politiker ist es eine unerwünschte, aber mögliche Gelegenheit, Mitmenschlichkeit zu signalisieren.

Trotzdem lohnt es sich, genauer hinzusehen und die Reaktionen zu analysieren: Wie reagiert wer? Auf zwei Kommentare sei hier speziell hingewiesen – sie könnten unterschiedlicher nicht sein.

Einmal mehr Hasstiraden auf Gatestone

Judith Bergman, eine in Israel lebende jüdische Autorin, sie schreibt zum Beispiel für die Times of Israel, giesst puren Spott über all jene europäischen Politiker, die sich über das Attentat in Manchester ’schockiert› zeigen. Für sie, Bergman, ist dieses Attentat das «vorhersehbare Resultat ihrer eigenen Politik». Wörtlich: «Nachdem sie vom Manchester-Terroranschlag hörten, teilten die Politiker erneut ihre bisherige Routine von ‹Schock› und ‹Trauer› zum vorhersehbaren Resultat ihrer eigenen Politik mit. Die üblichen Plattitüden von ‹Gedanken und Herzen›, die bei den Opfern des Angriffs seien, begleiteten den angeblichen Schock.»

Bergman wird nicht müde, der Welt zu verkünden, dass es nicht die Islamisten sind, die Anschläge verüben, sondern dass es das Ziel des Islam ist, Europa zu erobern. «Jedes Mal, wenn ein europäischer Führer den Islam als einen grossen Glauben, eine ‹Religion des Friedens› öffentlich befürwortet, oder behauptet, dass Gewalt im Islam eine ‹Perversion eines großen Glaubens› sei (eine Formulierung von Theresa May, Red.), trotz massiver Beweise des Gegenteils – den tatsächlichen gewalttätigen Inhalten von Quran und Hadithen, die wiederholte Ermahnungen zur Bekämpfung der ‹Ungläubigen› enthalten – signalisiert das auf stärkste Weise Organisationen wie ISIS, Al Qaida, Boko Haram, Hisbollah und Hamas, dass der Westen bei jedem verheerenden Angriff reif ist, gepflückt zu werden.»

Der ganze Artikel von Judith Bergman erschien, wie so viele andere Anti-Islam-Artikel aus ihrem PC, auf der Website des Gatestone Insitute, original in Englisch, ins Deutsche übersetzt wie meistens von Daniel Heiniger, einem Schweizer Informatiker. Siehe auch «So wird heute die Islamophobie » propagiert.

Und weise Worte eines Rabbiners

Pinchas Goldschmidt, der in Zürich aufgewachsene 53jährige Oberrabbiner von Moskau und Vorsitzende der Europäischen Rabbinerkonferenz, nahm am 24. Mai an der Delegiertenversammlung des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes teil. Im Gespräch mit Elmar Plozza von Radio SRF sagte Pinchas Goldschmidt, es sei wichtig, zwischen Islam und Islamismus zu unterscheiden. Wörtlich: «Das Problem ist der Extremismus. Islam ist eine Weltreligion wie alle anderen, wie das Christentum und das Judentum. Wir müssen den Radikalismus bekämpfen, nicht den Islam.» Doch in vielen europäischen Ländern reagiere die Politik, so Goldschmidt, populistisch und stemple die Muslime zu Sündenböcken. Wörtlich: «Ich glaube nicht, dass ein Minarett-Verbot oder ein Burka-Verbot auch nur einen Terrorakt stoppen wird.» Wichtig sei, so der jüdisch orthodoxe Rabbiner, sei vielmehr der Dialog mit dem Islam. Man vergesse nicht: Die Muslime seien wichtige Verbündete im Kampf gegen den Terror, denn sie litten unter dem radikalen Islamismus am meisten.

Und warum diese unterschiedliche Beurteilung?

Beide, Judith Bergman und Pinchas Goldschmidt, sind Juden und kennen den Antisemitismus, den Hass auf eine religiös definierte Gruppe. Beide reden über eine andere Religion, den Islam. Sie predigt Hass, er predigt Dialog. Waren es vielleicht die ersten 16 Lebensjahre von Pinchas Goldschmidt in Zürich, in der Schweiz mit dem gelebten System der Konsensdemokratie, die ihn lehrten, dass Hass, Ausgrenzung und Mauern nie zu Frieden führen, Dialog aber diese Chance bietet?


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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