Kommentar

Lackmusprobe zur Atomenergie steht noch bevor

Hanspeter Guggenbühl © bm

Hanspeter Guggenbühl /  Der Nationalrat fällte nicht nur schnelle, sondern auch bemerkenswert forsche Entscheide, um die Energiewende einzuleiten.

Wer meint, die Mühlen des Parlamentes mahlten langsam, muss seine Meinung korrigieren: Innerhalb von nur fünf Stunden hakte der Nationalrat am Mittwoch und Donnerstag 134 energiepolitische Vorstösse ab. Dabei überwies er Dutzende von Motionen an den Bundesrat, die den Ausstieg aus der Atomenergie und den Umstieg auf erneuerbare Energie einleiten sollen. Der Rat absolvierte seinen Abstimmungs-Marathon in einem Tempo, von dem Läufer wie Viktor Röthlin nur träumen können.

Die Ratsmitglieder entschieden nicht nur schnell, sondern auch forsch. Das gilt weniger für den Atomausstieg selber (den überlassen sie ihren Nach-Nachfolgern) als vielmehr für die übrige Energiepolitik. Beispiele: Schon ab 2012 muss der Bundesrat gemäss einer freisinnigen Motion alle neuen Geräte verbieten, die nicht den Stand der besten Energietechnik erfüllen. Die Mengenrabatte, welche die Elektrizitätswerke ihren Kunden gewähren, um den Stromkonsum anzuheizen, müssen durch progressive Tarife ersetzt werden. Die Schleuse zur Quersubventionierung von Wasser-, Wind- und Solarkraftwerken wird voll geöffnet und das Verbandsbeschwerde-Recht ausgehebelt. Das Halali auf die letzten Bäche, die noch nicht auf Kraftwerks-Turbinen fliessen, kann beginnen.

Doch nach der Eile, so weiss der Volksmund, kommt die Weile. Das hektische Tempo, das die grosse Parlamentskammer nach dem Atom-GAU in Japan und im Vorfeld der Wahlen anschlug, wird erfahrungsgemäss zusammen brechen, sobald die teilweise unausgegorenen energiepolitischen Forderungen konkret und die Folgen sichtbar werden. Das kann gut und schlecht sein: Gut ist, wenn der Bundesrat die einzelnen Vorstösse seriös prüft und gewichtet. Dann wird sich zum Beispiel zeigen, dass die Durchlöcherung des demokratisch beschlossenen Verbandsbeschwerde-Rechts die Gesetze schwächt, aber keine Kilowattstunde Atomstrom ersetzt.

Schlecht hingegen wäre es, wenn die jetzt gestartete Energiewende zum Erliegen käme, sobald der Schock von Fukushima verebt und Gras über die radioaktiv verseuchten Böden wächst. Denn die Gefahren der Atomkraft-Nutzung und die Verknappung des Erdöls werden unsere Energieversorgung ohnehin verändern. Der Schweiz bleibt die Wahl: Sie kann diese Wende mit politischen Mitteln gestalten. Oder mit Tatenlosigkeit die Folgen erleiden.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

SolaranlageBauernhof-1

Energiepolitik ohne neue Atomkraftwerke

Erstes, zweites und drittes Gebot: Der Stromverbrauch darf nicht weiter zunehmen.

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