Aleppo und Mosul: Fragen über Fragen (2)
Aufgrund des hüben und drüben manipulierten und gezielt eingesetzten Nachrichtenstroms erfahren wir immer noch nicht, wie es der Zivilbevölkerung in Mosul (2,8 Millionen Einwohner) und im Ostteil von Aleppo (275’000 Einwohner) tatsächlich geht. Über Aleppo sind wir dieser Tage etwas besser informiert als über Mosul, das von allen Seiten angegriffen wird. Nach den vielen ersten «Erfolgs»-Nachrichten erfährt die breite Öffentlichkeit nicht mehr viel über die Bombardierungen und das Schicksal der Zivilbevölkerung in Mosul.
Wir sind schlecht darüber informiert, wie häufig in beiden Städten Kampfflugzeuge im Einsatz sind, und wie stark zivile Ziele getroffen werden. Auch über die tatsächliche Versorgung mit Nahrungsmitteln und ärztlicher Nothilfe erfahren wir kaum etwas. Eine Überprüfung der Informationen ist selten möglich.
Wäre es nicht wichtig, dass Medien – aus der Sicht der betroffenen Bevölkerungen – viel umfassender über das durch Kriege entstehende Elend berichten? Und dass sie so gut wie möglich darüber informieren, wer den Kriegsparteien Waffen, Batterien und Lebensmittel liefert, aktuell den Rebellen in Aleppo und in Mosul?
Über folgende Fragen sind wir viel zu wenig informiert:
- Wie behandeln die Rebellen in Aleppo und in Mosul die Zivilbevölkerung? Wie behindern sie deren Flucht?
- Warum informieren Medien nicht präziser darüber, wer wie viele Luftangriffe auf Aleppo und wie viele auf Mosul fliegt? Und darüber, ob in Mosul die Millionenbevölkerung unter den Angriffen tatsächlich weniger leidet als die Zivilbevölkerung in Aleppo? Liefert die Satelliten-Aufklärung keine zusätzlichen Daten?
- Medien berichten vom «Vormarsch» der Syrer und Russen in Aleppo, während die Koalition im Irak die Stadt Mosul schrittweise «befreit». Stimmt der von Medien erweckte Eindruck, in Aleppo befänden sich «gute» Rebellen, während es in Mosul die «bösen» sind?
- Spielt die von den USA und dem CIA unterstützte «Freie Syrische Armee» in Aleppo überhaupt noch eine Rolle, oder dominieren dort radikal-islamische Aufständische?
- Warum haben in Syrien viele Alawiten, Christen und andere religiöse Minderheiten mehr Angst vor einem sunnitischen Scharia-Regime als vor der Assad-Diktatur?
- Warum informieren Medien kaum darüber, wie viele Luft- und Bodenangriffe die Türkei gegen kurdische Rebellen in Syrien und im Irak durchführt? Und wie stark dabei die Zivilbevölkerung betroffen ist?
- Warum verhängt der Westen Sanktionen gegen Russland und nicht gegen die Türkei? Verletzt die Türkei das Völkerrecht nicht ebenso schwer?
- Warum informieren Medien so wenig über den von den USA aktiv unterstützen Luftkrieg der «saudischen Koalition» gegen Jemen (24 Millionen Einwohner)? Über die systematische Zerstörung der ganzen Wirtschaft und – aus der Sicht der Betroffenen – die «drohende landesweite Hungersnot» (in NZZ vom 16.11.2016)?
Weitere Fragen hatten wir am 2. November 2016 gestellt. Aufgrund der Propaganda auf allen Seiten und der allgemeinen Berichterstattung bleiben viele Fragen unbeantwortet. Wahrscheinlich sollten andere Medien ebenfalls mehr Fragen stellen und stärker auf Lücken in der Information hinweisen – selbst wenn dies süffigen Schlagzeilen entgegensteht.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Über Aleppo, einst Hochburg des türkisch-islamischen Paracelsismus, habe ich vor 26 Jahren rein kulturhistorisch gearbeitet. Ich neige überdies zunehmend zur Auffassung, dass es Schlimmeres gab als die für die europäische und nahöstliche Geschichte nicht ausschliesslich negativen Kreuzzüge, zum Beispiel was man gegenwärtig und in den vergangenen Jahren über das Schicksal dieser Stadt vernehmen musste. Wie auch immer: ich halte die Fragestellungen von Urs P. Gasche für hochkompetent und die Beiträge von Infosperber zu dieser Thematik im guten Sinn für alternativ.
Richtig, Propaganda von Hüben und Drüben in diesen schmutzigen Kriegen. Ich denke aber, die USA und Nato verlieren mit der hörigen und zensurierten Lückenpresse immer mehr an Deutungshoheit. Zu einseitig berichten auch unsere öffentlich rechtlichen Medien. Auf vier Berichte von Aleppo (mit teilweise tendenziösen Überschriften), wird ein einziger Bericht zu den Kämpfen in Mossul angeboten. Ich frage mich immer wieder: sind Zwangsgebühren für eine solche unausgewogene Berichterstattung gerechtfertigt?
@Besmer
Zum Schluss kommt oft das Wichtigste. – Mehr als schäbig, wie einer die richtigen Fragen zu diesen entsetzlichen Kriegen benutzt, um gegen die Gebühren für die öffentlich-rechtliche Medien anzuschreiben. Der Artikel von Urs Gasche richtet sich gegen den jedem Krieg vorgelagerten Nerven- und Progagandakrieg. Es sind Fragen, die man stellen muss. Und dann kommt als Antwort eine Propaganda gegen Gebühren. Wäre es nicht so ein scheussliches Thema, hätte man vielleicht die Achseln gezuckt. Aber hier fehlen einem für den Charakter dieses Guido Besmer tatsächlich die Worte.
@Eberle. Es ist mir rätselhaft, wo Sie Propaganda gegen Gebühren des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und Radios lesen. Die privaten Medien beantworten die gestellten Fragen noch viel weniger.
Guten Abend Herr Eberle,
interessante Stellungnahme, besten Dank. Sie können also aus meiner Meinung auf meinen Charakter schliessen. Ob es Ihnen passt oder nicht, ich bleibe bei meiner Meinung. Ich finde, dass unsere Medien (und so auch die öffentlich rechtlichen) im Bezug auf die Kriege im Nahenosten nicht ausgewogen berichten. Siehe dazu: http://www.srgssr.ch/de/service-public/auftrag/
Soeben erschien ein 100min Interview mit dem WDR Journalisten und Buchautor ("Lückenpresse") der passend zum Thema Aleppo/Mosul uA eine konformistische (Leit)Medienlandschaft anprangert.
https://youtu.be/uHhd-eNIITI
Gerade SRF hätte mit freien Journalisten wie einer Karin Leukefeld, Ulrich Tilgner, ..etc Leute, die ehrlichen Journalismus betreiben. (Journalisten mit historischen Wissen, Ortskenntnissen. Handwerklich korrekt zwischen Tatsachen, Sichtweisen der einzelnen Parteien, Behauptungen, möglichen Zusammenhängen und der eigenen Analyse unterscheiden.)
Stattdessen kommen bei SRF primär Leute zu Wort die ein fixes Narrativ vetreten, bzw andere Sichtweisen ausblenden und gar ins lächerliche ziehen!
Akt. Beispiel für sachlich ausgewogenen und informierten Journalismus zu Aleppo: Karin Leukefeld)
https://youtu.be/UtigpaLl57w
oder aus der «jungen Welt»: (geostrategisches Spielfeld, Syrien L.Leukefeld)
https://www.jungewelt.de/2016/11-11/054.php
Heute auf Spiegel Online direkt übereinander zwei Berichte: https://goo.gl/RGdQqT
Oben moralische Entrüstung über Kriegsverbrechen, unten eine Art Abenteuerbericht. Ich finde diese unterschiedliche Tonalität, mit der über vergleichbare Sachverhalte geschrieben wird, schon faszinierend.
Wieso zitiert der Infosperber die NZZ (ohne genauen link) in Bezug auf Jemen, wenn er selbst Tage vor der NZZ schon diesen skandalösen Zustand beschrieb (siehe http://www.infosperber.ch/Artikel/Politik/Jemen-Neben-den-Schlagzeilen-Krieg-der-verbrannten-Erde)?
Aber die Fragen sind natürlich alle berechtigt und Antworten kann man auch auf folgender Webseite finden, die versucht alle Meldungen zusammenzufassen:
http://syria.liveuamap.com/
Man stelle sich vor in den Nachrichten (oder generell während der Sendezeit) liefe ein Ticker mit diesen Meldungen, statt der Börsenwerte.
@Klee. Wir verlinken nur auf Artikel, die im Netz kostenfrei zur Verfügung stehen. Das scheint bei diesem NZZ-Artikel nicht der Fall zu sein.
Zitat:
Aleppo – Assads Schergen haben bei der Rückeroberung der Stadt Aleppo einen brutalen Sieg erkämpft. Dabei gelang es den Regime-Truppen, das Gebiet der Rebellen in zwei Teile zu zerschlagen. Ein Sieg von Machthaber Assad und Putin scheint damit unaufhaltbar . In einem Propaganda-Video ist zu sehen, wie die Bewohner der zerstörten Gebiete das Ende der Gewalt feiern
Mossul – Irakische Soldaten haben bei der Rückeroberung der Stadt Mossul einen bedeutenden Sieg erkämpft. Dabei gelang es den Regierungstruppen, das Gebiet der Terrormiliz in zwei Teile zu zerschlagen. Ein Sieg von der irakischen Regierung und ihrer Verbündeten scheint damit greifbar nahe. In einem offenbar authentischen Video ist zu sehen, wie die Bewohner der befreiten Gebiete das Ende der Gewalt feiern.
Quelle : » Der Postillon » / Fundort : NachDenkSeiten v. 30.11.2016
In einer Anmerkung dazu spricht Andre Tautenhahn u. a. von doppelten Standards in der Berichterstattung . – Eine Bestätigung bietet der Bericht des von ihm zitierten Georg Mascolo ( tagesschau.de) als embedded journalist in Mossul . – Fazit : Das alltägliche orwellsche » Doppelsprech » der ehemaligen Qualitätsmedien .
@G-A Siebrasse: Die Satireseite «Der Postillon» hat es allerdings so dargestellt, dass die Absurdität noch besser zu erkennen ist. Hier der Link zum Original: http://www.der-postillon.com/2016/11/alessul.html
Im Vorfeld eines Krieges werden Absurditäten zur Norm ; – sowohl hinsichtlich einer Werteordnung innerhalb einer Gesellschaft , ethischer Werte und Maßstäbe – als auch hinsichtlich eines anerkannten Regelwerks der Sprache .
Ein pathologischer Befund läßt sich m. E. unter der Bezeichnung > Lückenpresse< zusammenfassen . – Ein Instrument zur Verbreitung von Agitation und Propaganda , wie es z. B. auch im Runfunkprogramm für Kinder Anwendung findet ( Ausschnitt aus einem Video-Beitrag ) :
https://www.youtube.com/watch?v=xiAVgUNH444
Die Differenz in der Wortwahl im Tagesanzeiger bezüglich Aleppo resp. Mosul ist überdeutlich:
https://senfundpfeffer.wordpress.com/2016/12/09/wortwahl-und-unterschwellige-suggestionen/