Die USA im Klassenkampf
«Wir werden den Lauf der Geschichte ändern», sagte Wisconsins Gouverneur Scott Walker am Telephon mit einem Gesprächspartner, der sich als David H. Koch ausgegen hatte, einen der superreichen Koch Brothers, die selbstverständlich jederzeit Zugang zum Gouverneur haben. In Wirklichkeit war es nicht David Koch sondern der Blogger Ian Moore, der sich als «Buffalo Beast» schon einen Namen gemacht hatte. Ian Moore ist nicht zu verwechseln mit dem Dokumentarfilmer Michael Moore, der sich ebenfalls mit den Gewerkschaftern in Wisconsin solidarisierte, die in einem fundamentalen und für die USA richtungweisenden Existenzkampf stehen.
Verfilzt mit den Superreichen
David H. Koch und Charles Koch gehören zu den Superreichen in den USA. Sie sind mit ihren «Koch Industries» zu Milliardären geworden, unterstützen konservative Stiftungen und Denkfabriken, unter anderem die «Americans for Prosperity», die Gesamtarbeitsverträge abschaffen und die Gewerkschaften zerschlagen wollen. Die «Koch Industries» gehörten zu den wichtigsten Geldgebern für den Wahlkampf von Wisconsins neuem Tea-Party Gouverneur Scott Walker.
Ian Moore beeilte sich, die Aufzeichnung seines Telefongesprächs mit Scott Walker zu veröffentlichen. Sie zeigte, dass der Gouverneur über den Einsatz von «Troublemakern» nachgedacht hatte, bei «Koch» bereits wieder um Wahlkampfspenden für seine Parlamentarier warb, und – was verboten ist – eine private Einladung nach Kaliforniern annahm.
Sparbudget zur Zerschlagung der Gewerkschaften
Als treuer Diener seines Herrn kam der neue Gouverneur Scott Walker nicht nur mit einem Sparbudget, das Lohnsenkungen und Abstriche bei den Renten und den Sozialversicherungen vorsieht – die Gewerkschaften haben bereits zugestimmt. Scott Walker will den Staatsangestellten auch das Recht auf gewerkschaftliche Tarifverhandlungen nehmen, sprich: er will die Gewerkschaften entmachten. Und er ist angesichts der republikanischen Mehrheit in Abgeordnetenhaus und Parlament zu keinem Kompromiss mit den Demokraten bereit.
Wisconsin ist dabei nur die Speerspitze. Auch andere Teas Party-Gouverneure, etwa in Ohio, Tennessee, Iowa oder Indiana wollen die Gewerkschaften auf diese Weise entmachten und planen ausserdem Einschnitte im Bildungswesen und bei anderen staatlichen Leistungen, die für so etwas wie Chancengleichheit der Mittelklasse entscheidend sind.
Ein Kampf auf Biegen und Brechen
Es ist ein Kampf auf Biegen und Brechen. Auf dem Hintergrund des Erfolgs der Tea-Party und der konservativen Republikaner bei den nationalen Wahlen im November versuchen ihre Gouverneure nun, die Abbauziele kompromisslos durchzusetzen.
Die Gewerkschaften haben den Kampf aufgenommen. Sie haben drei Wochen lang in der Kälte übernachtet und den Regierungssitz besetzt, bis ein Richter ihnen diese Besetzung nur noch während der offiziellen Geschäftszeiten erlaubte. Und die demokratischen Senatoren des Staates Wisconsin haben Zuflucht im Nachbarstaat Illinois gesucht, damit der Gouverneur sie nicht mit Polizeigewalt zur Teilnahme an einer Abstimmung zwingen konnte, in der sie ohnehin in der Minderheit wären. Der Senat von Wisconsin bleibt so bis heute beschlussunfähig.
Und da nach Umfragen die Mehrheit der Bevölkerung in Wisconsin vom Parlament Kompromissbereitschaft verlangt, greifen die Demokraten nun zum letzten Mittel: Sie ergreifen das Referendum zur Abwahl republikanischer Senatoren, die sich dem Kompromiss verweigern. – Die Republikaner starten im Gegenzug eine Abwahlkampagne gegen demokratische Senatoren. Der Ausgang ist offen, aber der Kampf wird ausstrahlen auf die nächsten Präsidentschaftswahlen in den USA.
Manipulierte Graswurzel-Bewegungen
Das Programm von Scott Walker und anderen «Tea Party»-Gouverneuren ist bei Lichte besehen das Programm der libertären Superreichen, die den Staat bis auf die Grundmauern abreissen wollen. Es soll ein mittelloser Nachtwächterstaat werden, reduziert auf Polizei, Justiz und Aussenpolitik. (Es gibt eine libertäre Partei mit diesen Zielen, die aber gerade mal von einem Prozent gewählt wird).
Die Wähler und Propagandisten dieser radikalen Strömung rekrutieren sich heute aus konservativen Republikanern, aus der neuen «Tea Party»-Bewegung und aus anderen Organisationen wie den «Americans for Prosperity». Sie stellen sich dar als spontane «Graswurzel»-Bewegungen. Aber es sind Züchtungen der Superreichen wie der beiden Koch Brothers, die diese Bewegungen mit Millionenbeiträgen unterstützen. Was als Basisbewegung daher kommt, dient in Wirklichkeit den Interessen der Milliardäre – und die kleinbürgerlichen Staatsfeinde, die die staatlichen Sozialwerke abholzen und die Gewerkschaften zerschlagen wollen, schneiden sich dabei ins eigene Fleisch. Sie sorgen dafür, dass nicht nur das Geld sondern auch die politische Macht bei den wenigen Reichen angehäuft werden, und sie glauben dabei, im eigenen Interesse zu handeln.
Michael Moore und die 400 Reichsten
Der Dokumentarfilmer Michael Moore hat es bei seinem Auftritt auf die einfache Formel gebracht: «400 obszön reiche Menschen haben heute mehr Vermögen als die Hälfte aller Amerikaner zusammen, das sind 155 Millionen Menschen.» Es liegt nicht am fehlenden Geld, es liegt an der Verteilung. Und es liegt an der Frage, für welchen amerikanischen Traum die Mehrheit sich entscheiden wird. Für den Traum einer gerechteren Gesellschaft, mit einem qualifizierten Bildungswesen und erschwinglichen Dienstleistungen und Infrastrukturen für alle. Oder für den Traum einer Gesellschaft, in der im Kampf aller gegen alle immer wieder einige Wenige das grosse Glück, das grosse Geld machen werden.
Die Entscheidung darüber liegt auch daran, wer die Botschaft, sprich: die Medien kontrolliert. Aber das ist ein anderes Thema.
Quellen:
Michael A. Fletcher: Wisconsin governor begins process for layoffs. In Washington Post
http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2011/03/04/AR2011030405713.html?hpid=topnews&sid=ST2011030405722
Rick Ungar: Koch Brothers Behind Wisconsin Effort To Kill Public Unions, in Forbes.
http://blogs.forbes.com/rickungar/2011/02/18/koch-brothers-behind-wisconsin-effort-to-kill-public-unions/
Miles Mogulescu: ALEC: The Behind the Scenes Player…
In Huffington Post
http://www.huffingtonpost.com/miles-mogulescu/alec-states-unions_b_832428.html
Ian Moore: Transcript of Prank Koch-Walker Conversation,
in Wisconsin State Journal
http://host.madison.com/wsj/article_531276b6-3f6a-11e0-b288-001cc4c002e0.html
Michael Moore: Five Tweets… About the Madison Movement. In, http://www.michaelmoore.com/words/mike-friends-blog/five-tweets-from-michael-moore
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine