Die Röm.-Kath. Kirche der Schweiz ist rechtswidrig
Es ist klar und unmissverständlich: «Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. (Art. 8 Absatz 3 der Schweizerischen Bundesverfassung).
Durchsetzung noch mangelhaft
Die Gleichstellung von Mann und Frau wurde mit Klagen bis vor Bundesgericht schweizweit weitestgehend durchgesetzt. Prominentester Fall: Am 27. November 1990 gab das Bundesgericht der Klage einiger Frauen aus dem Kanton Appenzell Innerrhoden Recht, die das Frauenstimmrecht auch im kantonalen Recht eingefordert hatten. Auch ein direktdemokratischer Entscheid kann verfassungswidrig sein, entschied das Bundesgericht. Der Kanton Appenzell Innerrhoden musste sich fügen.
Damit hatte auch die Stunde für die sogenannten Korporationen geschlagen, jene zum Teil fast tausendjährigen Körperschaften vor allem in der Innerschweiz, die gemeinsames Grundeigentum halten und deren Mitgliedschaft sich seit vielen Jahrhunderten über den Familiennamen vom Vater auf die Söhne vererbte. Auch sie sind öffentlich-rechtliche Körperschaften. Gegen zum Teil heftigen Widerstand der Betroffenen muss nun das Bürgerrecht einer Korporation auch den Töchtern vererbt werden, selbst wenn diese nun aufgrund der Heirat mit einem Ausländer zum Beispiel Della Bella oder Djordjevic heissen. Auch hier waren es einige Bundesgerichtsentscheide, die der Gleichstellung von Mann und Frau zum Durchbruch verhalfen.
Noch ist eine Bastion nicht gefallen
Und was ist mit den sogenannten Landeskirchen, die ebenfalls öffentlich-rechtlich organisiert sind, wo den Frauen aber gewisse berufliche Positionen verwehrt sind?
Die Evangelisch-reformierte Landeskirche war nicht betroffen. Bei ihr konnten Frauen schon seit vielen Jahrzehnten Pfarrerinnen werden. Der Schritt zur Frauenordination war innerhalb des Protestantismus schon deshalb leichter, weil der Unterschied zwischen Laien und Priestern hier nicht gleichermassen essenziell wie im Katholizismus vorgegeben war.
Die in vielen Kantonen ebenfalls öffentlich-rechtlich anerkannte Christkatholische Kirche wählte – wenn auch relativ spät – die Freiwilligkeit. Innerhalb der Utrechter Union der Altkatholiken, die sich vor gut 140 Jahren von der obersten Jurisdiktion des Bischofs von Rom losgesagt hatten, im übrigen aber die katholische Liturgie beibehalten haben, wurde die Frauenordination einige Jahre lang kontrovers diskutiert und schliesslich mit Verweis auf theologische Argumente eingeführt. Auch in der Christkatholischen Kirche der Schweiz gibt es jetzt geweihte Priesterinnen. (Christian Buschan hat zu dieser Frage eine lesenswerte Studie geschrieben; sie kann unten eingesehen und/oder als pdf heruntergeladen werden.)
Und die Römisch-Katholische Kirche? Die Frauenordination ist seit Papst Johannes Paul II. wieder in weite Ferne gerückt und der jetzige Papst Benedikt XVI hat sie ex cathedra für immer ausgeschlossen. Soweit so gut, könnte man sagen, das ist das Problem der Römisch-Katholischen Kirche, nicht das Problem der Schweiz als Staat, der in seiner Verfassung die Diskriminierung der Frau expressis verbis verbietet.
Diese Ansicht der Verhältnisse ist aber nicht länger haltbar. Nicht nur weil die Römisch-Katholische Kirche in der Schweiz formell als öffentlich-rechtliche Institution anerkannt ist, der Staat zieht für diese frauendiskriminierende Kirche auch die Steuern ein.
Die sogenannt »freien Kirchen» handhaben die Frauenordination unterschiedlich. In vielen ist sie längst zugelassen (Methodisten, Quäker, Christengemeinschaft, u.v.a.). Andere verweigern sie (Adventisten, Mormonen, Neuapostolen, Zeugen Jehovas, u.v.a.). Diese Kirchen sind aber frei, da sie privatrechtlich organisiert sind und der Staat für sie keine Steuern einzieht.
Nicht länger haltbar
Rechtlich gibt es keinen anderen Weg: Wenn die Römisch-Katholische Landeskirche am frauendiskriminierenden Verbot der Frauenordination festhalten will, dann muss sie sich privatrechtlich organisieren und selber schauen, wie sie zu ihren Einkünften kommt. Dass der Staat – der Bund ebenso wie die Kantone – und die Römisch-Katholische Kirche so eng zusammenarbeiten, obwohl die eine Seite, die Kirche, verfassungswidrige Regelungen aufrechterhält, kann nicht länger geduldet werden.
Wo sind die mutigen «innerrhödler Appenzellerinnen», die auch ihre Kirche vor Bundesgericht ziehen?
Kleiner Nachtrag: In der NZZ am Sonntag vom 13. Mai war zu lesen, dass auch der erzkonservative Churer Bischof Vitus Huonder mit einer deutlicheren Trennung von Staat und Kirche liebäugelt (Es ging bei dieser Nachricht um die Unternehmenssteuern im Kanton Zürich). Offensichtlich hat Bischof Huonder erkannt, dass seine extrem Rom-treue Haltung mit der modernen Staatsauffassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft nicht mehr kompatibel ist. Und Rom und Papst Benedikt XVI sind ihm wichtiger…
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Rechtswidrig kann man wohl nicht sagen. In der Schweiz haben wir das sogenannte duale Religionsrecht: Es wird unterschieden zwischen innerem und äusserem Religionsrecht. Am Beispiel der römisch-katholischen Kirche: Ihr Kirchenrecht (innerkirchliches Recht) kennt weder die demokratische Organisation noch die Gleichstellung der Geschlechter auf allen Amtsebenen. Dennoch erfüllen die Katholiken die Kriterien des Staatskirchenrechts (äausseres, kantonales Recht), das eben nur für die Organisation der Kirchgemeinden greift. Konservativen Katholiken ist das ein Dorn im Auge, weil die Kirchgemeindent demokratisch funktionieren und – vielleicht gerade auch durch die Beteiligung der Frauen? – das nicht immer nach den Vorstellungen der Kirchenhierarchie.
Nach dem gleichen System könnten also auch Muslime oder andere patriarchale Religionen anerkannt werden, solange sie eine staatskirchenrechtlich kompatible Gemeindestruktur aufbauen. Der Staat mischt sich nicht in die religiösen Regeln ein. Explizit auch nicht bei der religiösen Kindererziehung, die er den Eltern überlässt: Art. 303 Abs. 1 und 3 ZGB.