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NZZ: 2014 wurden 138 Prozent mehr Erwachsene verurteilt als 1984 © nzz

NZZ verbreitet irreführende Statistik

Urs P. Gasche /  Es ist ein Beispiel unter vielen. Zahlen wecken einen falschen Eindruck, weil wichtige Faktoren unterschlagen werden.

Die blaue Kurve zeigt die Zahl der jährlich in der Schweiz verurteilten Erwachsenen seit 1984. Sie stieg von 46’278 auf 110’124 oder um 138 Prozent. Die NZZ stützt sich auf neuste Zahlen des Bundesamts für Statistik. Es handelt sich um Vergehen gegen das Strafgesetzbuch, strafbare Handlungen im Strassenverkehr sowie Verletzungen des Betäubungsmittelgesetzes und des Ausländergesetzes.

Die NZZ-Grafik berücksichtigt jedoch nicht, dass im Jahr 1984 in der Schweiz nur 4,866 Millionen Erwachsene wohnten, Ende 2014 aber 6,575.

Wenn sich die Zahl der Einwohner verdoppelt, sind doppelt so viele Strafverurteilungen zu erwarten, selbst wenn die Straffälligkeit gleich bleibt.

Im konkreten Fall gab es im Jahr 1984 eine Verurteilung pro 105 Einwohner, im Jahr 2014 eine Verurteilung auf 60 Einwohner. Das ist immer noch eine starke Zunahme, jedoch nicht um 138 Prozent, sondern um 75 Prozent (blaue und rote Zahlen in der NZZ-Grafik von Infosperber hinzugefügt).

Ähnliches bei Wachstumszahlen
Fast alle Medien übernehmen die «offiziellen» Zahlen des Seco, wenn sie als Frohbotschaft verbreiten, dass das Bruttoinlandprodukt BIP oder die Wirtschaft gewachsen sei.
Auch hier gilt: Wenn sich die Zahl der Einwohner verdoppelt, ist ein doppelt so hohes BIP zu erwarten, ohne dass dies für den durchschnittlichen Einwohner und die durchschnittliche Einwohnerin etwas ändert.
So verschwiegen Behörden und Medien geflissentlich, dass sich das reale Wachstum pro Kopf der Bevölkerung im Laufe der zwanzig Jahre von 1990 bis 2010 nur um 11 Prozent erhöhte. Pro Kopf, also für den einzelnen Bürger oder die einzelne Bürgerin, brachte das Wirtschaftswachstum wegen des Bevölkerungswachstums nur geringe Vorteile. Denn die Hälfte des Wachstums, das den Umsatz der Wirtschaft grösser machte, mussten sie mit mehr Menschen teilen. Gleichzeitig spüren alle die Nachteile, die eine wachsende Bevölkerung mit sich bringt: Verbauung des Bodens, Verschandelung der Landschaft, Enge in Zügen und Bahnhöfen, stockender Verkehr auf den Strassen, Konkurrenz am Arbeitsplatz.
Trotzdem verbreiten Behörden und Medien weiterhin unbeugsam absolute Wachstumszahlen, und nicht das Wachstum pro Kopf.

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3 Meinungen

  • am 15.06.2015 um 08:34 Uhr
    Permalink

    Ausgezeichneter Artikel! Ich frage mich, ob die NZZ diese Zahlen aus Ignoranz oder mit Absicht so publiziert hat? Wenn man für die 11% Wachstum des BIP pro Kopf zwischen 1990 und 2010 noch die Teuerung der allgemeinen Lebenskosten (Miete, Krankenkasse, Bahn-Abos etc.) berücksichtigt, dann bleibt wahrscheinlich gar nichts mehr übrig.

  • am 15.06.2015 um 09:59 Uhr
    Permalink

    Doch, denn es handelt sich bei den 11 Prozent wie im Text angegeben um das reale Wachstum. Die Teuerung ist also abgezogen.

  • am 20.06.2015 um 23:47 Uhr
    Permalink

    Prozente hin oder her in absoluten Zahlen gerechnet ist es (auch) bei uns ziemlich ungemütlich geworden.
    Die Gefängnisse sind voll, neue (für teures Steuergeld) müssen gebaut werden, Gerichte mit zusätzliche Richter ausgestattet werden, usw. usw., alles kostet einen Haufen Geld …
    … und was haben wir davon ?

    Die etwas böse Antwort: … Den freien Personenverkehr …

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