Mossul: Das entlarvende Schweigen der Medien
Die vom IS kontrollierte, zweitgrösste Stadt Iraks wird seit Wochen von Angreifern umzingelt, vom Boden mit Raketen von Irakern und Kurden sowie von der Luft aus von der amerikanischen und britischen Luftwaffe angegriffen. Über das Schicksal der rund zwei Millionen Einwohner informieren die grossen Medien in der Schweiz nicht (im bekriegten und schändlich zerstörten Ostteil von Aleppo waren knapp 0,3 Millionen Einwohner betroffen).
Über Mossul berichtete am 18. Dezember die Washington Post von einer «Tragödie» mit «mehreren Hunderttausend Einwohnern, denen es an Essen und Wasser fehlt». Strom sei in manchen Vierteln ausgefallen.
Nach Angaben von Jassim al-Attiyah, Iraks Minister für Umsiedlungen, hätten über 150’000 Einwohner von Mossul in andere Stadtteile flüchten müssen. Mehrere Hunderttausend weitere verharrten in ihren Häusern und bekämen kaum Hilfe.
Eine Rakete, die in das Haus seiner Familie einschlug, hat diesen Knaben verletzt. Seine Grossmutter wurde getötet. (Quelle: Alfred Hackensberger aus Mossul für die Welt.de)
Die International Business Times IBT berichtet, die USA hätten ihre Bodentruppen im Irak von 4’470 auf 4’970 Mann aufgestockt. Laut Angaben von General Yehia Rasoul, Sprecher der irakischen Armee, würde Mossul am Boden in erster Linie von der irakischen Armee und ihren Alliierten, darunter kurdischen Verbänden, angegriffen. Laut IBT würden jedoch Luftangriffe der USA und Grossbritanniens «eine wichtige Rolle spielen». Im Einsatz seien Tornados-Kampfflugzeuge und Typhoon-Eurofighter. Der britische Daily Mail berichtete am 19. Dezember über Einsätze von US-Langstreckenbombern B-52. Die Zeitung zitierte einen Korrespondenten der Agentur Reuter, der eine Serie von US-Angriffen beobachtet habe, wobei jeweils ein halbes Dutzend Bomben abgeworfen worden seien. Auch Bomben mit Streumunition seien im Einsatz.
Tagelang in den Schlagzeilen
Von Mitte Oktober bis Anfang November hatten die meisten grossen Schweizer Medien fast täglich von der «Schlacht um Mossul» berichtet (Tages-Anzeiger vom 2. November). Schlagzeilen in der NZZ waren «Irakische Armee erreicht Mossul» oder «Irakische Truppen melden Erfolge rund um Mossul» (2. und 3. November). Für den Blick ging es am 5. November um die «Entscheidung im Korridor des Todes»:
Blick-Bericht im Grossformat hier.
Seither wird auffällig und wochenlang geschwiegen. Als Grund berichtete der deutsche Journalist Alfred Hackensberger am 12. Dezember aus Mossul für die Welt-online, dass Journalisten keinen Zugang mehr hätten zu den Kriegsführenden: «Um negative Bilder zu unterbinden, wurde der Zugang für Journalisten nach Mossul untersagt. Der Kampf gegen den IS soll wohl in Zukunft unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.»
Hackensberger stellt die rhetorische Frage: «Sind es diese Bilder vom Schrecken des Kriegs, von der schlechten Organisation der Hilfslieferungen und der ins Stocken geratenen Offensive, welche die irakische Armeeführung verhindern will?»
Die Informationssperre der angreifenden Streitkräfte ist offensichtlich erfolgreich. Seit Wochen schafft es kaum ein Bild und kaum ein Bericht über die Kriegshandlungen um und in Mossul in die grossen Medien.
Informations-Notstand ist kein Thema
Schweizer Medien lassen die Öffentlichkeit seit Wochen im Ungewissen, was in und um Mossul passiert: Sie hätten mindestens darüber informieren müssen, dass und warum sie plötzlich und während langer Zeit über keine Informationen mehr über die Kriegshandlungen und über das Schicksal der rund zwei Millionen Einwohner verfügen.
Das lange seltsame Schweigen entlarvt zudem die Tatsache, dass die grossen Medien sämtliche Informationen über das Kriegsgeschehen im Nordirak offensichtlich ausschliesslich von einer Seite «eingebettet» beziehen. Kriegsparteien führen stets auch einen raffinierten Propagandakrieg und verbreiten meist unkontrollierbare Informationen. Seriöse Medien machen diese fragwürdige Quellenlage transparent und verbreiten Behauptungen nicht als Tatsachen.
Die Aktualität dominiert und dann aus der Aktualität verschwunden:
SRF-Tagesschau vom 1.11.2016 mit der Moderations-Schlagzeile «Mossul steht kurz vor der Rückeroberung».
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Frontseite des Tages-Anzeigers vom 2. November
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NZZ vom 2. November
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Die Umzingelung der 2-Millionen-Stadt Mossul:
Karte in grösserem Format hier. Grafik Al Jazeera
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- Infosperber 29.11.2016: «Aleppo und Mossul: Fragen über Fragen (2)»
- Infosperber 10.11.2016: «Das ist nicht die letzte Schlacht um Mossul»
- Infosperber 2.11.2016: «Syrien, Irak, Mossul. Fragen über Fragen»
- Infosperber-DOSSIER: «Der Bürgerkrieg in Syrien»
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Patrick Chappatte am 18.10.2016 in «Le Temps»: «Die Offensive gegen Mossul»:
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Ich denke, die Redaktionen arbeiten noch am Wording: Schliesslich müssen sie dieselben Aktionen, die in Aleppo «Grausame Kriegsverbrechen mit unentschuldbaren zivilen Opfern» sind, für Mossul zu «Heldenhaften Befreiungsaktionen mit tragischen aber unvermeidlichen zivilen Kollateralschäden» umformulieren.
Und das Wording muss dann ja noch zwischen den verschiedenen Redaktionen und mit den zuständigen Regierungsstellen abgestimmt werden.
Ich bin aber zuversichtlich, dass wir nach einer kurzen Schonfrist nach der blutigen Eroberung Aleppos mit jeder Menge Berichte über die wunderbare Befreiung Mossuls eingedeckt werden.
Das sich die NATO und die US Millitärs in dem Land aufhalten zeigt wie wenig autonom das Land und die Regierung ist. Das gleiche natürlich auch in anderen Ländern wie der Ukraine, Italien, Deutschland, Griechenland aber auch Lybien, Sudan, Mali, Syrien, Afghanistan, Tunesien, der Schweiz und halt sehr vielen andsren.
Im Norden des Irak liegen die grössten Ölreservoirs des Landes. In Norden des Irak befindet sich Kurdisthan und die Kurden welchen die USA eine Autonome Region zugeteilt haben. So ist es viel einfacher die Ölvorkommen auszubeuten. Auf die Ölvorkommen haben die Iraker seit der US Invasion keine Rechte mehr, das Parlament schon gar nicht und öffentliche Abstimmungen gibt es darüber keine, den all die Macht wurde in Ausserparlamentarischen Kommissionen mit nur wenigen Personen konzentriert.
Dss gleiche übrigens auch in Tunesien wo die Ölvorkommen an private Bieter abgegeben wurden. Die Einnahmen daraus unterliegen keiner öffentlichen Einsicht. Der IMF und die westliche Wertegemeinschaft feierten Tunesien nach mehreren Wahlgängen als junge Demokratie erst nachdem die Reichtümer verpfändet wurden.
Demokratie ohne Einnahmen und Ausgaben über die man fair, transparent, gleichberechtigt bestimmen kann ist völlig absurd. Belgien hat übrigens im Rahmen der NATO Truppen nach Mali entsandt. Es war dort wo die Bewohner eine sozialistische Regierung wählten die weg muss. Es waren Aktivisten aus Mali die in Belgien Bomben legten…
RT Deutsch berichtet in regelmässigen Abständen von 3-6 Tagen über Mossul.