Sperberauge

Hysterie wegen Brexit-Abstimmung

Urs P. Gasche © Peter Mosimann

Urs P. Gasche /  Der Brexit soll schon heute an allem Schuld sein: Börsenverluste, schwacher Euro.... Doch es steht gar kein Brexit bevor.

Der «Bund» titelt heute (15. Juni) auf der Frontseite: «Die Schweizer Wirtschaft zittert vor dem Brexit». Und der «Tages-Anzeiger»: «Angst vor Brexit verteuert den Franken». Die NZZ auf der Börsenseite: «Brexit-Angst in Europa».
Es entsteht der falsche Eindruck, Grossbritannien würde nach einem «Ja» am 23. Juni die EU sofort oder in kurzer Zeit verlassen. Doch Grossbritannien wird selbst nach einem «Ja» zum Austritt noch auf absehbare Zeit weiter Mitglied der EU bleiben. Denn

  1. Es handelt sich um eine Konsultativ-Abstimmung, die für die britische Regierung nicht bindend ist.
  2. Es würde zu jahrelangen Verhandlungen mit der EU über die Austritts-Modalitäten kommen.

Erwiesen sich dann die drohenden Nachteile für das Königreich als zu gross, könnte Grossbritannien immer noch von einem Ausscheiden aus der EU absehen und in der EU bleiben.

Wolfgang Ernst, Rechtsprofessor an den Universitäten in Zürich und Cambridge, hält es für völlig illusorisch, innerhalb von zwei Jahren einen Austritt zu bewerkstelligen, wie «Watson» am 12. Mai berichtete. Über tausend Verträge binden Grossbritannien an die EU. Verhandlungen über einen Austritt würden nach Einschätzung von Professor Ernst mindestens fünf bis zehn Jahre brauchen. Während dieser Zeit würde Grossbritannien im Zustand einer «Noch-Mitgliedschaft» verharren. Unbestritten ist, dass dies viele Kräfte in der EU binden würde. Beide Seiten hätten jedoch ein grosses Interesse daran, die wirtschaftlichen Beziehungen nicht zu behindern.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

Brexit_Flickr_Muffinn_

Der lange Weg des Brexit

Austrittsverhandlungen bis zum Austritt aus der EU erschüttern sowohl das Königreich als auch die EU.

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2 Meinungen

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 15.06.2016 um 13:03 Uhr
    Permalink

    Die Brexit-Diskussion mit Prognosen, welche, weil die Zukunft betreffend, sehr unsicher sind, erinnert frappant an die seinerzeitige Debatte über den Beitritt der Schweiz zum EWR im Jahre 1992. Ausser dass die Trendmeinungen jetzt hauptsächlich von Deutschland her vorgebetet werden; dort hat man am meisten Angst, weil man die Europäische Union mit Europa und mit dem Frieden verwechselt und wohl auch befürchtet, dass dann die lateinischen EU-Mitglieder dominieren werden. Die Art, wie in den deutschen Medien argumentiert wird, wirkt sich im Vergleich zu früher heute viel stärker auf die Schweiz aus.

    In England rief das Boulevard-Blatt «Sun» dieser Tage massiv zum Brexit auf. In anderen Medien wird befürchtet, dass ein früher Ausscheiden der englischen Nationalmannschaft die Stimmung zugunsten des Brexit anheizen würde.

  • am 16.06.2016 um 11:47 Uhr
    Permalink

    "The Sun» gehört Rupert Murdoch. Der ist für einen Brexit weil er in Brüssel offenbar nicht so Gehör findet wie in den Downing Street, dem Oval Office und in Australien!

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