Sperberauge
Eine Chance für die NZZ
Als 2008 Albert P. Stäheli erster CEO der NZZ Medien Gruppe wurde, waren Branchen-Insider skeptisch: «Polo» Stäheli war als knallharter, Zahlen- und auch Macht-orientierter Manager bekannt. Jetzt, da Stäheli ein paar Monate verfrüht in Pension geht, darf immerhin festgehalten werden: Er hat die NZZ nicht ruiniert. Die NZZ ist – mit Ausnahme des Inland-Teils – immer noch eine hervorragende Zeitung; für Auslandinteressierte ist sie gar unersetzbar geblieben. Etwas weniger positiv fällt die Bilanz bei den Regional-Titeln aus. Die Neue Luzerner Zeitung etwa ist langweilig geworden; sie erfüllt die Widerspiegelung der Zentralschweizer Polit-Vielfalt nicht mehr. Aber klar, es wird da viel Geld verdient, warum sollte der politische Eintopf durch ein Drei-Gang-Menu ersetzt werden? – Und über ein paar weitere Produkte aus dem Stall der NZZ zu schreiben, etwa über das Magazin «Z», verbietet des Sängers Höflichkeit.
Gestern nun hat die NZZ einen neuen CEO angekündigt: den gebürtigen Österreicher Veit Dengler. Das ist eine Überraschung. Der Sohn eines Diplomaten kommt in Interviews nicht nur ganz sympathisch herüber, wer sich die Mühe nimmt, seine Vergangenheit im Internet etwas genauer anzuschauen, sieht bald einmal, dass in dem neuen Mann auch ein durchaus weltoffener Geist steckt. Ein paar Jahre Ausland-Aufenthalt ist eben immer noch die beste Garantie gegen gut eidgenössische Nabelschau.
Vor allem ein Punkt ist ebenso überraschend wie erfreulich: Mit Veit Dengler kommt ein Mann an die Spitze der NZZ, der zur EU ein ganz und gar unverkrampftes Verhältnis hat. «Seinen» Österreichern empfiehlt er, sich in der EU mehr einzubringen und aktiv mitzuarbeiten. Und selbst einer Entwicklung der EU zu «Vereinigten Staaten von Europa» nach dem Vorbild der USA steht Dengler positiv gegenüber.
Natürlich: Die politischen Kommentare in der NZZ wird nicht Veit Dengler schreiben. Aber allein schon die Schere im Kopf der Journalisten macht ein baldiges Umdenken der «Alten Dame» von der Falkenstrasse wahrscheinlich. Selbst die Lieblinge der NZZ, die Banker, haben den Schwenker ja bereits vollzogen.
Wer sich den neuen starken Mann der NZZ näher anschauen will, geht am einfachsten zur NZZ selber, wo ein Interview zu finden ist (Leider ist es nur mit zz gezeichnet, was bedeutet, dass das Interview im Interesse der NZZ formuliert worden ist, nicht im Interesse der Leserinnen und Leser). Mehr über Veit Dengler erfährt man aber vor allem auf der Website der NEOS.
Nachtrag:
NEOS hat die Informationen zu Veit Dengler kurz nach dessen Ernennung zum CEO der NZZ aus dem Netz genommen. Da einmal im Netz publizierte Infos kaum mehr definitiv gelöscht werden können, hat sich Infosperber diese anderweitig wieder beschafft. Sie können unten unter «Weiterführende Informationen» als pdf eingesehen werden.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Der Autor war selber CEO eines Schweizer Medien-Konzerns (Vogt-Schild Medien Gruppe, 2003 bis 2009)
Die am Schluss empfohlene Website NEOS (Partei «Das Neue Österreich") meldet zu Veit Dengler: «Profil derzeit nicht verfügbar. Dieses Profil wurde vorübergehend vom Inhaber deaktiviert. Bitte probieren Sie später erneut.» – War es vielleicht allzu aufschlussreich?
Nachtrag cm:
Was einmal im Internet war, ist kaum mehr wegzubringen. Wir haben die unter NEOS publizierten Informationen deshalb andernorts wiedergeholt und haben sie nun als Attachment angehängt.