Das grosse Missverständnis: Helsinki 1975
Es könnte sein, dass der Durchbruch zu mehr Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zumindest teilweise auf einem grossen Missverständnis beruht. Das jedenfalls signalisiert die Doku-Reihe «Lebt wohl, Genossen!». «Arte» strahlte am Dienstag die letzten drei von sechs Folgen aus (Wiederholung am Dienstag, 19. August um 9.50 Uhr). In der Rückschau wissen wir, dass die Schlussakte von Helsinki, die 1975 als Ergebnis der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit KSZE unterzeichnet wurde, für die Menschenrechts- und Bürgerrechtsbewegungen insbesondere in Osteuropa eine entscheidende Bedingung war für ihren Erfolg.
Aber viele sahen damals die Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki ganz anders. Alexander Solschenizyn zum Beispiel, der grosse russische Kritiker des Stalinismus und seines Lagersystems (Der Archipel Gulag) protestierte heftig gegen diese «Unterwerfung unter das Sowjetsystem». Die deutschen Konservativen in CDU und CSU machten pflichtgemäss Opposition gegen die sozialliberale Politik des «Wandels durch Annäherung», die schon Willy Brandt begonnen hatte, und die im Helsinki-Prozess der Bundeskanzler Helmut Schmidt zu Ende führte. Die in der Wolle gefärbten Antikommunisten hielten «Helsinki» für Unterwerfung durch Anpassung.
Die Ost-West-Partnerschaft
Aber die Konstellation war günstig. Der Westen hatte im sowjetischen Partei- und Staatschef Leonid Breschnew einen Partner, der im widersprüchlichen Bewusstsein lebte, dass er den globalen Rüstungswettlauf gewinnen und gleichzeitig den Frieden sichern musste (so jedenfalls berichtet es sein Ghostwriter in der «Arte»-Serie).
So nahmen unter sowjetischer Führung die sieben Staaten des Warschauer Pakts teil, ausserdem 13 neutrale Länder und die 15 Nato-Staaten, einschliesslich USA und Kanada. All den 35 Staaten war klar, dass sie Formen der Zusammenarbeit finden mussten, mit denen sie eine neuen grossen Krieg vermeiden konnten – die «kleinen (Stellvertreter-)Kriege» von Nicaragua über Angola bis Afghanistan gingen gleichzeitig weiter. Beide Seiten, Sowjets wie Amerikaner, Kapitalisten wie Kommunisten, der Westen wie der Osten, verhandelten im Bewusstsein, dass ein Krieg zwischen den beiden rivalisierenden Supermächten in die atomare Katastrophe münden musste.
Das Tauschgeschäft
Aber beide Seiten, «Osten» und «Westen», traten mit sehr unterschiedlichen Zielsetzungen an. Moskau und seine Verbündeten verfochten als zentrales Anliegen die Unverletzlichkeit der Grenzen in Europa, der Souveränität und die territoriale Integrität (!). All diese «harten Bestimmungen» bekamen sie uneingeschränkt. Als Gegenleistung akzeptierten sie «weiche Bestimmungen» wie das Selbstbestimmungsrecht der Völker, die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten einschliesslich der Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Überzeugungsfreiheit – Versprechungen, die sie nicht wirklich einzulösen gedachten, wie die Insider der Machtapparate heute offen vor der Kamera bestätigen.
Genau wie ihr schärfster Kritiker, Alexander Solschenizyn, sahen sich die sowjetische Führung und ihre europäischen Verbündeten als Sieger der KSZE-Verhandlungen, und sie hofften, die «Finnlandisierung» von ganz Westeuropa vorantreiben zu können. Finnland hatte sich nach langen Kriegen mit dem übermächtigen Nachbarn die Sicherung seiner Souveränität durch ein Freundschafts- und Kooperationsabkommen mit der Sowjetunion erkauft. Der nordische Staat war deshalb wirtschaftlich in hohem Mass von der Sowjetunion abhängig, und er wirkte insbesondere in seiner Aussenpolitik nicht immer wirklich frei.
Die Bürgerrechts-Bewegungen
Finnland war das Muster. Aber es hatte keinen Wert. Westeuropa liess sich nicht finnlandisieren. Und in Osteuropa entstanden wie im Westen Friedensbewegungen – «Schwerter zu Pflugscharen» – und wuchsen wie in der DDR zu mächtigen Bürgerrechtsbewegungen. In der Tschechoslowakei gründete 1978 der Schriftsteller und spätere Staatspräsident Vaclav Havel, zehn Jahre nach dem Prager Frühling, die «Charta 77», und in Polen entwickelte sich die Danziger Gewerkschaft «Solidarność» zur nationalen Opposition. Sie alle erreichten ihr Ziel im Jahr 1989, als die Mauer fiel in Berlin und der Eiserne Vorhang in Ungarn durchschnitten wurde.
Die «Arte»-Serie berichtet darüber, aber auch über eine andere, entscheidende Bedingung für den gewaltfreien Erfolg dieser Menschenrechts- und Bürgerrechtsbewegung: die Revolution von oben.
1985 wurde in der Sowjetunion ein bisher unbekannter Provinzsekretär zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion gewählt. Sein Förderer war ein gewisser Juri Andropov, Botschafter der Sowjetunion in Ungarn, als dort der Aufstand gegen die sowjetische Besatzung niedergeschlagen wurde, dann lange Jahre Chef des sowjetischen Geheimdienstes KGB, und schliesslich, von 1982 bis 1983 für 15 Monate Partei- und Staatschef in der Sowjetunion. Dieser Andropov designierte den Provinzsekretär und Kandidaten des Politbüros Michail Sergejewitsch Gorbatschow zu seinem Nachfolger. Gorbatschow hatte sich in seiner Laufbahn durch eine besondere Massnahme von anderen unterschieden: durch den Kampf gegen die Korruption. Der KGB-Chef Andropov mag sehr genau gewusst haben, dass das marode Sowjetsystem einer grundlegenden Sanierung bedurfte, wenn es denn noch eine Zukunftschance haben sollte.
Die Revolution von oben
Es begannen die kurzen Jahre der Gorbatschow-Reformen mit ihren Kernbegriffen Glasnost: Transparenz und Meinungs- und Redefreiheit, und Perestroika: Umgestaltung. Die «Arte»-Serie erwähnt auch Gorbatschows Wunsch nach nuklearer Abrüstung und nach Versöhnung mit dem Westen als Bedingung für eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung der Sowjetunion.
Und schliesslich berichtet sie von Gorbatschows Distanzierung von der Breschnew-Doktrin, das heisst: Der neue Partei- und Staatschef der Sowjetunion anerkannte das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Gorbatschow kündigte das schon kurz nach seiner Wahl zum Generalsekretär der KPdSU an, beim ersten Gipfeltreffen mit dem US-Präsidenten Ronald Reagan 1985 in Genf. Das wurde damals in seinen überlangen Ausführungen auch von den westlichen Medien noch kaum wahrgenommen. Aber er sollte sich daran halten. Zum Beispiel 1989 in der DDR, als er beim Fall der Mauer und der Öffnung der Grenzen befahl, die russischen Truppen in den Kasernen zu lassen.
Gorbatschows Revolution von oben und seine Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts gab den Bürgerrechtsbewegungen in Osteuropa die Chance, den Weg zu mehr Freiheit in einem friedlichen Übergang zu finden. Das galt zunächst auch für die Sowjetunion, wo der Moskauer Bürgermeister Boris Jelzin mit seinem entschlossenen Handeln den Militärputsch gegen die Reformen abwehren konnte. Das war 1991. Gorbatschow trat zurück, Jelzin übernahm.
Jelzins radikale Transformation der russischen Wirtschaft unter dem Einfluss neoliberaler Berater wie Jeffrey Sachs scheiterte hingegen katastrophal und brachte in einer grossen Krise vor allem den Raubritter-Kapitalismus der Oligarchen hervor; sie bestimmten schnell die Entwicklung in einem schwachen Staat, der dabei war, in seine Teile zu zerfallen.
Der Mann von gestern
Bis dann der ehemalige KGB-Mann Wladimir Putin – der Mann von gestern – die Macht übernahm und das Rad der Geschichte zurückdrehte. Er ist ein Mann von gestern.
Manche westlichen Politiker würdigen Putins Leistungen. «Er hat Russland vor dem Zerfall gerettet», wie der Tessiner CVP-Ständerat Lombardi dieser Tage in der «Schweiz am Sonntag» sagte. Er tat es mit der Durchsetzung der Zentralmacht in dem riesigen euro-asiatischen Reich. Er tat es mit dem Aufbau eines staatlich gelenkten autoritären Kapitalismus, mit der Unterdrückung von Opposition und Meinungsfreiheit, mit der Missachtung der Souveränität und Integrität von Nachbarstaaten und mit der russisch-nationalistischen Beschwörung der Bedrohung aus dem Westen.
Putin verletzt im Konflikt mit der Ukraine so ziemlich alle Leitprinzipen der KSZE-Schlussakte. Die Achtung der Souveränität, den Verzicht auf Androhung oder Anwendung von Gewalt, die Unverletzlichkeit der Grenzen, die territoriale Integrität der Staaten, die friedliche Regelung von Streitfällen, die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten. Die Gleichberechtigung und das Selbstbestimmungsrecht der Völker, die Zusammenarbeit zwischen den Staaten und die Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen nach Treu und Glauben.
Putin ist, bei Licht besehen, ein gefährlicher Mann von gestern (siehe Artikel auf Infosperber). Zumindest war das in diesen jüngsten Tagen auch die Sicht des deutschen Kanzleramts, das am Sonntag, 10. August, vor einer russischen Invasion in die Ukraine warnte. «Das ist eine rote Linie, die kein Staat überschreiten kann.» Es scheint ein Moment der besonderen Gefahr gewesen zu sein – noch wissen wir nichts Genaues nicht –, so «brandgefährlich», wie das Deutschlands Aussenminister Steinmeier von Anfang an analysierte.
Die Putin-Doktrin
Mit den Erfahrungen von Tschetschenien, Georgien, Moldawien und der Krim wissen wir, dass Putin eine Breschnew-Doktrin ohne Sozialismus betreibt. Wo der kommunistische Generalsekretär noch die Gefährdung des Sozialismus als Rechtfertigung für eine militärische Intervention anführte, propagiert der autoritäre Präsident nur noch imperiale Machtinteressen im Mantel einer religiös-nationalistisch aufgeblasenen Ideologie: die Verteidigung der «heiligen russischen Erde» und des russischen Volkes, wo immer seine Angehörigen leben.
Diese Putin-Doktrin nimmt die Grösse Russlands als Richtschnur und folgt der einfachen Logik der Macht. Wenn die Moskauer Führung die Interessen Russlands in der Nachbarschaft bedroht sieht, hat sie das Recht, mit allen verfügbaren Mitteln einzugreifen. Das kann wirtschaftliche Gewalt sein, wie bei den «Gaskriegen» gegen die Ukraine, das kann militärische Intervention sein wie in anderen Nachbarstaaten Russlands, oder die mehr oder weniger aktive Unterstützung von militarisierten Rebellen oder Söldnertruppen wie in der Ostukraine. Oder ganz einfach die Annexion eines Territoriums wie der Krim.
Solches Verhalten schliesst kalkulierte Kriegsbereitschaft ein. Das Ergebnis ist schliesslich die Zerstörung aller internationalen Rechtsnormen und die Wiedereinführung des Rechts des Stärkeren.
Sanktionen – gegen die Herrschaft der Gewalt
Wenn man sich dem nicht beugen will, verlangt das auf der anderen Seite die präzise Kalkulation der Gegenmassnahmen, um die rüde, völkerrechtswidrige Machtpolitik zu stoppen, ohne dass die Gewalt der Gegenseite in den offenen kriegerischen Konflikt übergeht. Der Verzicht auf Gegenmassnahmen – «Sanktionen», wie solche Strafmassnahmen heute heissen –, würde nichts anderes bedeuten als sich der Herrschaft des Rechts des Stärkeren zu beugen.
Aber es könnte sein, dass die kombinierte Politik von Sanktionen und Dialog, wie sie die Europäer im Verein mit den USA praktizieren, erste Erfolge zeitigen. Einige Signale deuten darauf hin. Etwa die öffentlich zelebrierte Inbetriebnahme der gemeinsamen Erdölplattform von Rosneft, des staatlich kontrollierten Energiekonzerns, und des amerikanischen Erdölmultis Exxon Mobile in der arktischen Karasee, nördlich Sibirien. Oder die Räumung des Kiewer Maidan von den letzten Demonstranten, entsprechend einer alten Forderung der russischen Führung. Und dann die «humanitäre Intervention» in der Ostukraine, die nun unter Führung des IKRK mit Beteiligung Deutschlands, der EU und anderer Partner zusammen mit Russland stattfinden soll, wobei Russland auf die Begleitung durch «Friedenstruppen» verzichtet (Informationsstand 12. August 2014, frühmorgens).
Vielleicht ist es eine Weichenstellung auf dem Weg zu einer Überwindung der Krise um die Ukraine ohne militärische Gewalt.
Unterdrückung und Aggression
Gleichzeitig verletzt Putin nach innen immer stärker das Prinzip der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschliesslich der Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Überzeugungsfreiheit. Er knebelt die Opposition und unterdrückt die Informations- und Medienfreiheit schon nahezu total. Man muss nicht übermässig pessimistisch sein, um das nicht nur als Akt der Herrschaftssicherung sondern auch als präventiven Akt der Kriegsvorbereitung zu sehen. Kritik oder Opposition sind von vornherein ausgeschlossen.
Oder, wie Tanya Lokshina, die Programmdirektorin von Human Rights Watch Russland über die gegenwärtigen Zustände schreibt: «Bedeuten dieser Angriff auf zivilgesellschaftliches Engagement und und diese überwältigende antiwestliche Hysterie, dass Russland auf dem Weg zurück in sowjetische Verhältnisse ist? Nicht ganz. Es gibt zweifellos einen Unterschied zwischen einem totalitären und einem aggressiv autoritären Staat. Wir erleben derzeit jedoch die heftigste Unterdrückung der Menschenrechte in Russland seit dem Ende der Sowjet-Ära.» (Russlands Rolle rückwärts. Human Rights Watch, 30. Juli 2014)
Unterdrückung nach innen und Aggression nach aussen gehen erfahrungsgemäss häufig Hand in Hand.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Der Autor hatte die Chance, die Geschichte von Berlin aus in den Nachbarstaaten (DDR, CSSR) und als Fernsehjournalist die Perestroika in Moskau, KSZE und sämtliche Gipfeltreffen zwischen Ronald Reagan und Michail Gorbatschow zu verfolgen.
"Der Mann von gestern. Bis dann der ehemalige KGB-Mann Wladimir Putin – der Mann von gestern – die Macht übernahm und das Rad der Geschichte zurückdrehte. Er ist ein Mann von gestern. […] Putin ist, bei Licht besehen, ein gefährlicher Mann von gestern."
Es wirkt halt schon ein bisschen gebetsmühlenartig und dogmatisch, lieber Herr Ruoff. Stichhaltige Argumente durch Wiederholung zu ersetzen, ist das nicht eine Technik von Ewiggestrigen?
@Infosperber: Das ist vom inhaltlichen Niveau her nicht mehr «sehen, was andere übersehen". Das ist eher «beide Augen zu und mit dem Kopf durch die Wand". Schade.
Lieber Herr Ruoff,
denken Sie denn, dass die Expansion der NATO an die Grenzen Russlands, im Extremfall die Pläne für Geogien und im Sinn der KSZE waren? Hätte nicht die OSZE Warschaupakt UND NATO ablösen sollen?
Nach meinem Geschmack plagiieren Sie zu viel ARTE und denken zu wenig mit.
Werner T. Meyer
"Mann von gestern» oder einer, der «die Menschenrechte nicht achten will» – warum denn, lieber Robert Ruoff, in Deiner hervorragenden Analyse nach Moskau schauen, wenn Herrliberg so viel näher liegt?
@Elmer: …allerdings! Normalerweise bricht einem Sperber bei solchen Manöver der Schnabel.
gäbe es nur auch eine nummer für
"keine ähnliche Artikel dank Ihrer Spende"
Ein Detail: «Die Angst der Dissidenten war so unbegründet wie der Triumph der Warschau-Pakt-Staaten. Helsinki brachte mehr Freiheit.» lautet der Untertitel. Unter «DER Dissidenten» kann der Autor aber nur Alexander Solschenizyn nennen (und das stimmt).
Unter «Die Bürgerrechts-Bewegungen» stellt er weiter unten die Bürgerrechtsbewegungen aberso dar, als hätten sie auch zu diesen skeptischen Dissidenten gehört. Das ist keineswegs so und das kann man aus dem ARTE-Film auch nicht herauslesen. Charta 77 und die vielen anderen BürgerrechtlerInnen im Ostblock haben ihre Bewegungen nur dank dem Freiraum starten können, welche die KSZE geschaffen hatte. Das war ihnen sehr bewusst.
Ruoff versucht sie aber als kalte Krieger von damals zu vereinnahmen und somit als Ahnen für seinen neuen kalten Krieg. Sie waren das Gegenteil; sie haben den Dialog zwischen den Blöcken optimal ausgenutzt und den kalten Krieg beendet. Sie und nicht Reagan oder der Westen und auch nicht Gorbi allein haben das erreicht.
Werner T. Meyer
( Damals Mitglied der «Helsinki Citizens Assembly", einer NGO die sich aus der westlichen Anti-Nachrüstungs-Bewegung und den östlichen Bürgerrechtsbewegungen rekrutierte )
@WErner T. Meyer: Sie sind ein aufmerksamer Leser! Mit dem Hinweis auf den Untertitel haben Sie recht. Ich habe ihn deshalb geändert und sage nun: Die Angst «von» Dissidenten statt «der» Dissidenten. Also durchaus nicht alle. –
Für Ihren Bezug zu den Bürgerrechtsbewegungen sehe ich allerdings keinen sprachlichen Anlass. Im Gegenteil, diese Bewegungen haben ja positiv – und das wird so gesagt – die Helsinki-Schlussakte als Fundament (oder Hebel) für ihre Arbeit benutzt. Wie Sie persönlich offenbar auch. Was mich freut.
Und damit zum dritten Punkt, an dem ich nun mehr als absolut mit Ihnen einverstanden wäre, wenn das ginge. Ich schreibe: «Sie alle erreichten ihr Ziel im Jahr 1989…» – und will damit wenigstens andeuten, dass diese «transnationalen Bewegungen» (Akira Iriye) entscheidenden Anteil am Erfolg hatten. Das werde das gerne als eigenes Thema aufgreifen. Auch, weil ich selber 1982 in Bonn und anderswo dafür auf der Strasse stand. Nicht als Kalter Krieger, sondern als Friedensbewegter und (immer noch) kritischer Marxist. Aber selbige hatten damals schon und haben heute immer noch eine kritische Haltung gegenüber aller Despotie.
Und vermissen die Kraft der damaligen «Anti-Nachrüstungs- und Bürgerrechtsbewegungen". – Danke für Ihre Intervention.
@Robert Ruoff, am 14. August 2014 um 12:43 Uhr
Danke für die Klarstellung.
Werner T. Meyer
Werfen wir doch einen Blick auf die Helsinki Schlussakte von 1975 mit ihren drei Massnahmen-Körben und ihren 10 Prinzipien und prüfen, wer diese Akte im Ukrainekonflikt bislang wirklich verletzt hat: http://www.osce.org/de/mc/39503?download=true
Erster Korb: Vertrauensbildende Maßnahmen und Aspekte der Sicherheit und Abrüstung.=> Wer hat in den letzten 10 Jahren in Osteuropa aufgerüstet und damit das Vertrauen zerstört? Die NATO.
Zweiter Korb: Zusammenarbeit in den Bereichen der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Technik sowie der Umwelt. => Wer hat die Sanktionsspirale losgetreten? Der Westen und Führung der USA.
Dritter Korb: Zusammenarbeit in humanitären und anderen Bereichen. => Wer hat sich für humanitäre Unterstützung in der Ostukraine eingesetzt? Russland. Und dies trotzt Blockade des Westens (etwa im UN-Sicherheitsrat.
Zwischenstand: 3 Strafpunkte für den Westen, 0 Strafpunkte für Russland.
Jetzt die zehn Prinzipien:
1. Souveräne Gleichheit, Achtung der der Souveränität innewohnenden Rechte => Wer hat die Souveränität der Ukraine missachtet, indem ein gewaltsamer Putsch eines demokratischen gewählten Präsidenten unterstützt wurde, weil man mit dessen wirtschaftspolitischer Entscheidung nicht einverstanden war? Der Westen.
2. Enthaltung von der Androhung oder Anwendung von Gewalt => Wer hat von Beginn an mit Krieg gegen die Ostukraine und notfalls gegen Russland gedroht? Wer unterstützt den Krieg innerhalb der Ukraine mit Beratern in Kiew? Die NATO, insbesondere die USA.
3. Unverletzlichkeit der Grenzen => Zankapfel Krimabstimmung. 0.5 Strafpunkte gegen Russland.
4. Territoriale Integrität der Staaten => Zankapfel Krimabstimmung. 0.5 Strafpunkte gegen Russland.
5. Friedliche Regelung von Streitfällen => Wer hat den Streitfall mit Krieg gelöst? Die Ukraine-Putschisten, unterstützt vom Westen, insb. der USA.
6. Nichteinmischung in innere Angelegenheiten => Wer hat offen damit geprahlt, den Regime Change in der Ukraine seit den 90er Jahren mit 5 Milliarden USD unterstützt zu haben? Die USA. Eine Einmischung Russlands ist bis heute nicht belegt.
7. Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich der Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Überzeugungsfreiheit => Wer hat die Menschenrechte in der Ukraine aufs gröbste verletzt mit dem Töten unschuldiger Zivilisten? Die vom Westen unterstützten Ukraine-Putschisten.
8. Gleichberechtigung und Selbstbestimmungsrecht der Völker => Hoppla! Wer hat das Selbstbestimmungsrecht der Menschen auf der Krim und in der Ostukraine missachtet? Der Westen.
9. Zusammenarbeit zwischen den Staaten => Wer hat mit allen Mitteln versucht, die Gegenseite zu isolieren? Der Westen.
10. Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen nach Treu und Glauben => Wer hat ohne UNO-Mandat Sanktionen verhängt und einen Inner-Ukrainischen Krieg unterstützt? Der Westen, insb. die USA.
Endstand: 11 Strafpunkte für den Westen, 1 Strafpunkt für Russland.
Ausserdem: Null Punkte für Robert Ruoff.
@Elmer: Vielen Dank! Beweisführung abgeschlossen! 🙂
"Aber es könnte sein, dass die kombinierte Politik von Sanktionen und Dialog, wie sie die Europäer im Verein mit den USA praktizieren, erste Erfolge zeitigen. Einige Signale deuten darauf hin. «
Herr Ruoff bringt hierzu drei Beispiele:
1) Die gemeinsame Oelplattform, die schon seit langem geplant war.
2) Die «Räumung des Maidan". Erstens hatten die «Neonazis» ihre Arbeit schon im Februar verrichtet, zweitens ist der Maidan noch immer nicht geräumt (siehe kürzliche Proteste)
3) Die humanitäre Aktion Russlands: Diese hat der Westen bekanntlich mit keinem Finger unterstützt, sondern nur Steine in den Weg gelegt.
Fazit: Keines dieser Argumente spricht für den Nutzen westlicher Sanktionen, und ein Dialog von Seiten des Westens ist erst recht nicht zu erkennen (siehe Blockade im UN Sicherheitsrat)
"Mit den Erfahrungen von Tschetschenien, Georgien, Moldawien und der Krim wissen wir, dass Putin eine Breschnew-Doktrin ohne Sozialismus betreibt. «
Hier wärmt Herr Ruoff die Beispiele aus seinem Artike «Putin der Mann von gestern» nochmals auf. Ich habe sie bereits damals widerlegt. Herr Ruoff verschweigt, dass alle diese Konflikte durch eine Aggression der jeweiligen Gegner Russlands bzw. russischer Menschen begonnen wurde (tschetschenische Islamisten gegen die ehemals russische Sowjetrepublik, georgische Nationalisten gegen Abchasien und Südossetien, moldawische Nationalisten gegen die russischen Minderheiten in Transnistrien, und rechtsradikale Putschisten gegen russische Minderheiten in der Ukraine.
Die Rolle Gorbatschows beim Fall der Berliner Mauer, mit einem angeblichen Befehl die sowjetischen Truppen in der Kaserne zu lassen, ist sehr fragwürdig.
Dem widersprechen Publikationen von Generaloberst (NVA) Strelitz. Auch die Memoaren von Generalleutnant (KGB) Sudoplatov treffen hier eine andere Aussage. Vielmehr war demnach Gorbatoschw darüber verärgert, dass die SED entgegen des Vier-Mächte-Abkommens, eigenmächtig die Genze zu Westberlin aufgemacht hat (siehe Schabowsky). Was danach folgte, war ein «Fallenlassen» der DDR, weil anderes durch diese «Initialzündung» nicht mehr zu verhindern war. Untermauert wird das auch durch Gerd König, des letzten Botschafters der DDR in Moskau, in dessen Memoaren.
Gorbatschow kam, folgt man Sudoplatov, auch nicht als «Unbekannter aus der Provinz». Diesen Mann sollte man wiklich nicht glorifizieren und damit überbewerten. Wie viele in Ostdeutschland sagen, war Gorbatschow ein «Zauberlehrling» – «Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los.» – um mit Goethe zu sprechen.
Zu Putin fällt mir zuerst ein, daß er die Ausplünderung der Ressourcen seines Landes durch die «westliche Wertegemeinschaft» und die Umwandlung der Wirtschaft Russland in Klein-Puerto-Rico verhindert hat.
Der Staatshaushalt Russlands betrug am Tiefpunkt nur $17 Mrd. Allein Berlin hat einen Haushalt von 35Mrd. Euro.
Deshalb wurde er zu soetwas wie einem Mossagdeq, zu einem Chavez, als er die Ausplünderung ohne nennenswerte oder auch gar keine Beteiligung Russlands beendete. Putin riskierte sein Leben, indem er so handelte. Das kann man mit Blick auf die CIA durchaus sagen.
Das Niveau hier finde ich großartig. Man merkt, da man hier weitab von den Tummelplätzen naßforscher Möchtegern-Intelligenz ist. Sehr schön.
VG. JK