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Prof. Undine Lang in einem Interview mit der Basellandschaftlichen Zeitung © Kenneth Nars

Professorin ändert Zitate, zitiert falsche Quellen

upg /  Wie eine Basler Psychiatrie-Direktorin es einem Journalisten schwer macht, ihre eigene Publikation bekannt zu machen.

Die 39-jährige Österreicherin Undine Lang ist seit Anfang 2012 Direktorin der Erwachsenenpsychiatrie der Basler Universitären Psychiatrischen Kliniken und führt einen Professoren-Titel. Sie hat einen guten Ruf, weil sie bei psychisch Kranken möglichst wenig Zwangsmassnahmen anwenden will, und weil sie nicht allein auf Medikamente setzt, sondern zusätzlich auf Psychotherapie. Lang setzt sich auch dafür ein, dass Demenzkranke möglichst lange zu Hause in ihrer gewohnten Umgebung betreut werden.
Ihre Karriere
Ihre Karriere führte sie u.a. über Tübingen, ein Praxisjahr an der US-Universität von Yale und über die Charité in Berlin nach Basel. Für ihre Karriere hilfreich waren zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen als Autorin und Co-Autorin. Denn für Beförderungen und Anstellungen gilt immer noch die unsinnige Regel «Publish or Perish». Eine längere Publikationsliste gilt als wichtiges Qualifikationskriterium.
Ihre neuste Veröffentlichung
Anfang 2013 gab Professorin Lang im Springer-Verlag ihr 136-seitiges Buch «Innovative Psychiatrie mit offenen Türen» heraus. Darin warnt sie insbesondere davor, Demenzkranke in Heime einzuweisen, wenn dies nicht unbedingt nötig ist. Denn in Heimen würden sie doppelt so schnell sterben wie zu Hause. Diese (auf Deutschland bezogene) und weitere brisante Aussagen wollte ich auf Infosperber zitieren und auf das Buch hinweisen.
Doch als ich ihr Teile meines Manuskripts mit ihren Zitaten zur Kontrolle zustellte, strich Udine Lang ihre eigenen Zitate aus dem Buch oder änderte sie. Vergeblich machte ich sie darauf aufmerksam, dass es weder journalistisch noch wissenschaftlich korrekt sei, wenn ich Originalzitate aus ihrem Buch falsch zitieren müsste.
Vergleiche von Überlebenszeiten
Originaltext Buch: «Nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes [Deutschland] sterben im Schnitt 80 Prozent der Demenzkranken nach acht Jahren. Dabei lag die mediane Überlebenszeit in Pflegeheimen bei 29,2 Monaten, bei zu Hause betreuten Patienten betrug sie dagegen 55,5 Monate.» Lang folgert darauf: «Vor einer Heimeinweisung ist…tendenziell jede Anstrengung zu unternehmen, ältere Menschen zu Hause zu betreuen.» Ortswechsel seien «regelhaft mit kognitiver Leistungsverschlechterung verbunden». Ausserdem komme es «über die Passivität und das Fehlen von Stimulationen wie Gartenarbeit, Hausarbeit, Kochen etc. zum weiteren Abbau von Fähigkeiten und zunehmender Demenz».
Doch relativierend will Lang jetzt in meinem Text hinzufügen, was in ihrem Buch nicht steht: Das nur halb so lange Überleben in Heimen könne «auch daran liegen, dass kränkere Menschen eher in Heime gehen und gesündere eher zu Hause wohnen bleiben».
Damit gibt Lang zu, dass sie in ihrem Buch eine Statistik zitiert, die Äpfel mit Birnen vergleicht, nämlich kränkere mit gesünderen Menschen.
Tatsächlich ergibt eine Rückfrage beim Statistischen Bundesamt, dass es dort keine Zahlen gibt, die belegen, dass vergleichbare ältere Menschen in Heimen viel schneller sterben als zu Hause. Die genaue Statistik des Bundesamts, auf die sie sich in ihrem Buch angeblich stützt, konnte Undine Lang Infosperber auf Anfrage nicht angeben.
Kurz darauf meldete Undine Lang erfreut: «Ich habe jetzt tatsächlich noch einen wissenschaftlichen Artikel darüber gefunden!». Es handelte sich um die Studie «Leben Demenzkranke zu Hause länger als im Heim?» von Daniel Lankers und andern, welche die Zeitschrift für Gerontologie im Jahr 2010 veröffentlicht hatte. Die Studie kommt zwar zum Schluss, dass ein «deutlicher Unterschied in der Überlebenszeit vom Demenzkranken besteht, je nachdem, ob sie im Seniorenheim oder zu Hause gepflegt wurden». Allerdings könne man aus dem höheren Sterberisiko im Seniorenheim nicht schliessen, dass vergleichbare Demente ab dem Zeitpunkt der ersten Diagnose zu Hause länger überleben als im Heim, erklärt Lead-Autor Daniel Lankers gegenüber Infosperber. Die Studie erlaube keinen Vergleich in absoluten Zahlen. Unabhängig davon zeigt sich Lankers davon überzeugt, dass Demente zu Hause eine höhere Lebenserwartung hätten, sofern für die Betreuung zu Hause gleich viel Geld investiert würde wie in Pflegeheime.

In der Schweiz alles anders?
Aufgrund des Buchs entwarf ich für meinen Artikel folgenden Titel: «Zu Hause leben Betroffene fast doppelt so lange wie in Pflegeheimen». Dieser Titel passte Lang nicht, weil die Situation in der Schweiz «wohl nicht so prekär» sei wie in Deutschland. In der Schweiz «scheinen die Leute in Heimen sogar länger zu leben».

  • Doch noch im Januar erklärte Lang im SRF-Regionaljournal Basel wörtlich: «Man weiss, dass sich die Lebenserwartung in Heimen halbiert
  • Und jetzt plötzlich ganz anders: Demenzkranke sollen in Schweizer Pflegeheimen plötzlich länger überleben als zu Hause, während sie in Deutschland zu Hause viel länger überleben? Ja, meinte Lang. Sie verwies auf eine «jüngere schweizweite Studie, dass gerade in der Schweiz Menschen in Pflegeheimen eine längere Lebenserwartung haben als zu Hause». Diese Studie sei «verlässlich», versicherte Professorin Lang.

Ein Blick in diese Studie zeigt aber, dass sie nur Sterbeorte und Altersklassen von Pflegebedürftigen analysierte. Autor Oliver Reich von der Krankenkasse Helsana lässt keinen Zweifel offen: «Ob vergleichbare ältere Pflegebedürftige und Demente zu Hause oder in Pflegeheime länger leben, hat unsere Studie gar nicht untersucht.»
Fazit: Journalisten kommen manchmal nicht darum herum, die Quellen wissenschaftlicher Arbeiten genauer anzusehen.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor berichtet über seine eigenen Recherchen.

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3 Meinungen

  • am 7.11.2013 um 13:44 Uhr
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    Wissenschaft ist der neueste Stand des Irrtums….
    Ehrliche Forschung müsste Fehler korrigieren können, das ist Teil des Erkenntnisweges und gewiss kein Imageverlust!
    Weshalb hat die Professorin solche Mühe damit, gibt es etwas zu kaschieren?

  • am 8.11.2013 um 14:07 Uhr
    Permalink

    frau professorin lange ist als person sehr sympathisch sie hat mir sogar meine kunst abgekauft bald ist wieder weihnachten und die psychiater werden vielleicht bei mir bilder kaufen http://www.buckistan.ch.vu. pukistan der freistaat am rande der stadt… sie als redaktion sind auch herzlich eingeladen !

  • am 11.11.2013 um 11:37 Uhr
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    Das ist ein altes Problem der Statistik: Korrelationen werden mit Kausalitäten verwechselt. Sollte einer Professorin eigentlich nicht passieren. Wenn Demente im Altersheim weniger lange leben als Demente in ihrer eigenen Wohnung,so kann dieser Sachverhalt viele andere Gründe als den Umzug ins Altersheim haben. Also: forscht weiter!

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