GertPostel

Briefträger Gert Postel macht sich lustig über das Getue der Psychiater © gp

Hochstapler: «Ich entlarvte Ärzte als Hochstapler»

upg /  Eine psychiatrische Klinik stellte einen Briefträger als Oberarzt an. Für die Medien in der Schweiz war das keine Story.

Red. Die NZZ machte am 28. Januar 2013 in einem Bericht und einem dazugehörenden Kommentar darauf aufmerksam, dass im Kanton Zürich überdurchschnittlich viele Zwangseinweisungen in psychiatrische Kliniken vorgenommen werden. 26 Prozent der dortigen Insassen sind unfreiwillig eingewiesen worden.

Diese Zahl lässt aufhorchen. Vor allem lässt sie aufhorchen, wenn sie mit den Zahlen in anderen Kantonen – etwa Basel oder Genf – verglichen wird. Aber auch wer den Psychiatrie-Betrieb etwas kennt und weiss, wie es da gelegentlich zu und her geht, wird hellhörig.

Der Blick hinter die Kulissen eines psychiatrischen Betriebes in Deutschland mag illustrieren, wie gross diese Spielwiese sein kann. Das dazugehörende Video darf aber auch von Nicht-Psychiatrie-Interessierten angeschaut werden: Es gibt dabei nämlich auch ganz viel zum Lachen! (cm)

Und hier zum Fall Gert Postel:

Es war der grösste Hochstapler-Fall vor dem Doktor-Plagiat von Karl-Theodor zu Guttenberg. Bei Guttenberg ging es um einen akademischen Titel, bei Gert Postel um die Gesundheit von Patientinnen und Patienten. Doch nur wenige Schweizer Medien hatten den Fall vor fünf Jahren erwähnt. Jetzt hat Gert Postel in einem Buch beschrieben, wie leicht es war, seine vorgesetzten Ärzte reinzulegen. Und wie leicht es war, als Psychiater zu arbeiten, ohne dass seine Arztkollegen Verdacht schöpften. Chefärzte hätten auf ihre eigene Art hochgestapelt.

Von Beruf war Postel Briefträger und liess sich als «Dr. Dr. Clemens von Bartholdy» als Amtsarzt in Flensburg sowie als Stationsarzt in einer psychiatrischen Klinik bei Leipzig anstellen. Er arbeitete dort zwei Jahre lang, bevor er wegen Hochstapelei verurteilt wurde.
Postel macht für sich geltend: «Deutlicher als ich kann man es nicht machen – das System entlarven.» Er habe sich «als Hochstapler unter Hochstapler begeben». Unterdessen ist Postel als Betrüger verurteilt: «Da kommt ein Postbote von der Strasse und macht den Job besser als die Psychiater.» Laut Spiegel, der ihn als «Artist» bezeichnete, hat Postel als Amtsarzt in Flensburg die Zwangseinweisungsrate um 86 Prozent gesenkt.

In Flensburg wollte ihm sein Vorgesetzter sogar eine Professorenstelle an der Kieler Universität verschaffen. Als ihn sein Chef fragte, über welches Thema er denn seinen Doktor gemacht habe, antwortete Postel, er habe zwei Doktortitel, einen in Psychologie, wo er über «Kognitive Wahrnehmungsverzerrungen in der stereotypen Urteilsbildung» promoviert habe.
Sein Vorgesetzter war mit dieser Antwort sehr zufrieden, obwohl sie in Tat und Wahrheit eine saloppe Definition von Hochstapelei war.
Eine Patientin, die Postel besucht hatte, meinte: «Das ist kein Hochstapler, der ist wirklich Arzt – gross, gutaussehend, redegewandt und einem ständig auf den Arsch schielend.» Psychiater würden nicht zu den schlausten gehören. Ihre Ausbildung müsste «Chemikalienkunde» heissen.
Nachdem die Hochstapelei aufgeflogen war, gestand ein echter Oberarzt, ihn mehr zu bewundern als zu verurteilen, denn immerhin habe er keinem Patienten geschadet. Postel soll ihm entgegnet haben: «Ich bin ja auch kein Psychiater.»
Unterdessen hat der Briefträger seine Erfahrungen in Buchform mit dem Titel «Doktorspiele» veröffentlicht. Beschreibung des Verlags: «Er fälschte Dokumente, bezirzte Professorinnen, schmeichelte Klinikdirektoren – und entlarvte Macht und Eitelkeit deutscher Experten. Wie sich ein gelernter Postbote zum Oberarzt für Klinische Psychiatrie hochmogelte: Die schillernde Karriere eines notorischen Schwindlers, authentisch und unwiderstehlich wie das wahre Leben.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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3 Meinungen

  • am 2.02.2013 um 14:03 Uhr
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    Hochstapelnder Briefträger senkt die Zwangseinweisungsrate um 86%. Wenn es von dieser Ratensenkung keine negativen Folgen gibt(?), dann müsste doch auch in der Schweiz manch ein Starpsychiater durch einen Briefträger ersetzt werden!
    Wir haben zuviele Akademiker und zuwenig Briefträger. Wenn Briefträger humaner und gescheiter sind als Akademiker, dann sollten Psychiater nicht studieren, sondern eine Briefträgerlehre machen.
    Was behindert denn die Senkung der Zwangseinweisungsraten bei uns? – doch nicht etwa das Geschäft oder der Standesdünkel???

  • am 3.02.2013 um 17:59 Uhr
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    Die Psychiatrie existiert nicht. Es gibt keinen einzigen schlüssigen Beweis, das Geisteskrankheiten existieren. Es ist eine angeblich wissenschaftliche Disziplin, welche vor keiner wissenschaftlichen Prüfung standhalten würde. Und soblad man einen Menschen findet, welcher sich ausserhalb der Norm verhält, dies aber innerhalb von Gesetzteslücken macht, so dass er nicht Bestraft werden kann für sein Anders sein in dieser Gesellschaft, da springt dann die Psychiatrie ein, als «Abfallentsorger» für die bürgerliche Gesellschaft. Oder wenn ein nachweisbar Hirnverletzter sich eigenartig verhält, wird er sofort als Beweis herangezogen für psychiatrische Phänomene. Niemand kann Psychosen Beweisen, die der Psychiatrie zugrundeliegende Geisteskrankheit ist eine reine Beobachtungs und Glaubenssache, aber keine bewiesene Tatsache.

  • am 4.02.2013 um 14:21 Uhr
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    Wir Schweizer haben eigene von unserer Regierung und vom Volk immer wieder neu belohnte Vorbilder für fantastische Schlagzeilen, die Medien bisher kaum aufgegriffen haben: Regierungsrat, Gesundheits- und Fürsorgedirekter Philippe Perrenoud in Bern hatte sich nicht erst kürzlich in der Qualitätsmanagerin der PK Waldau getäuscht, sondern bereits, selber Psychiater als Chefarzt, in der Klinik Bellelay jahrelang einen Assistenzarzt ohne Diplom und entsprechende Ausbildung arbeiten lassen. Leider ist die Psychiatrie zu einer überhaupt nicht mehr der Objektivierung verpflichteten Wissenschaft geworden. Zudem lässt sie sich bewusst oder unbewusst vom Staat und der Politik instrumentalisieren und würdigt Vorbilder in Psychiatrie und Forensik, die aufgrund ihres elaborierten Egos Karriere machen können und durch ihr von der Gesellschaft nicht durchschautes Imponiergehabe in der Öffentlichkeit Eindruck hinterlassen. Betroffene und ihre Angehörigen leiden unter fehlender menschlicher Verbundenheit, echter Kompetenz und Empathie.

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