Freysinger: «Ich habe sie nicht kaltgestellt!»
Der Bischof von Sitten schickte die beliebte Religions- und Ethiklehrerin Edith Inderkummen in die Wüste, weil sie aus der Kirche ausgetreten war. Als Infosperber letzte Woche darüber berichtete, geschah für Walliser Verhältnisse etwas sehr Ungewöhnliches: Der verantwortliche SVP-Staatsrat Oskar Freysinger nahm gegenüber den Medien sofort pointiert Stellung. Dabei forderte er die zuständige Gemeinde Brig-Glis auf, zum Fall Inderkummen Stellung zu nehmen und kündigte eine interne Untersuchung an.
Freysinger attackiert die Briger Schulverantwortlichen
Laut Freysinger ist die Freistellung vom Religionsunterricht rechtens, aber jene vom Fach Religion-Ethik-Gemeinschaft (ERG) habe er nicht angeordnet. Gegenüber dem Online-Portal 1815 des «Walliser Boten» (siehe Link unten) verteidigte er sich vehement: «Ich habe besagte Lehrerin nicht kaltgestellt!» Die Gemeinde Brig-Glis habe für die Anstellung von Inderkummen keinen Vorschlag für das Unterrichtsjahr 2013/14 eingereicht. Deshalb habe der Kanton auch keinen Arbeitsvertrag ausstellen können: «Tatsache ist, dass man eine Lehrperson eigentlich nur dann entlassen sollte, wenn professionelles Fehlverhalten vorliegt – einfach ohne Grund jemanden in die Wüste zu schicken, ist nicht korrekt.»
Das sind ungewöhnlich klare Worte in einem Kanton, wo sich üblicherweise die kritisierten Politiker in Schweigen hüllen und hinter den Kulissen alles dafür tun, um eine Berichterstattung durch die Medien abzuwürgen, welche sich meistens brav daran halten. Doch weil Freysinger sofort Stellung bezog, spielte er den Ball nicht nur der Gemeinde Brig-Glis zu, sondern auch den Medien, welche mit Ausnahme von Radio und Fernsehen SRF darüber berichteten. Ob Freysinger mit seiner Offensive von möglichen Fehlern des eigenen Departementes ablenken wollte, ist allerdings noch nicht klar.
Der Briger Stadtrat spielt den Ball zurück
Die von Freysinger angeschossenen Schulverantwortlichen von Brig-Glis hüllten sich traditionell in vornehmes Schweigen. Der zuständige CSP-Stadtrat Patrick Amoos erklärte, man warte zuerst die schriftlichen Fragen des Erziehungsdepartementes ab. Gestern war es dann so weit. An einer Medienkonferenz traten gleich vier Männer auf, um Erziehungsdirektor Freysinger Paroli zu bieten: Der Briger Stadtpräsident Louis Ursprung (SVP/Freie Wähler), Stadtrat Patrick Amoos, Gemeindeschreiber Eduard Brogli und Schuldirektor Robert Lochmatter.
Schuldirektor Lochmatter erklärte, die Verantwortung liege beim Kanton, der die Lehrpersonen anstelle und bezahle. Und wortreich spielte er den Ball wieder nach Sitten zurück: Man habe den Kanton am 1. Juli informiert, dass Inderkummen nicht mehr weiterbeschäftigt werde, weil sie nur noch ein Pensum von drei Stunden ERG gehabt hätte. Solche Kleinstpensen unter 30 Prozent wolle man nicht, weil dabei der Bezug zur Lehrperson fehle. Die Entlassung habe «pädagogische und organisatorische» Gründe und mit der Religion nichts zu tun.
Entlassung aus «organisatorischen» Gründen
Wie Infosperber berichtete, legte der Generalvikar Richard Lehner des Bistums Sitten der Schuldirektion schriftlich nahe, dass auch für den ERG-Unterricht die Mitgliedschaft in einer der beiden Kirchen notwendig sei. Wenn nun die Schuldirektion und der Briger Stadtrat behauptet, die Entlassung habe «organisatorische und pädagogische» Gründe, dann ist das eine billige Ausrede. Denn laut Inderkummen hätte man ihr «mit etwas gutem Willen» weitere ERG-Stunden zuteilen können.
Freysinger wollte zur Kritik aus Brig wegen dem laufenden Untersuchungsverfahren nicht Stellung nehmen. Das unrühmliche Pingpong zwischen Sitten und Brig geht weiter. Von besonderem Interesse ist dabei, wieso Inderkummen über die Entlassung nicht informiert wurde und wieso sie auch keine Kündigung erhielt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine. Kurt Marti ist Journalist und wohnt in Brig-Glis. Er ist Autor des Buches «Tal des Schweigens: Walliser Geschichten über Parteifilz, Kirche, Medien und Justiz».
Das ist ja spannend! Bitte nur Leute unterrichten lassen, die aus allen Kirchen ausgetreten sind!
Das Wallis ist eben doch «dr wild Wäschtu fa der Schwyz", wie es Michel Villa ("der Tydfel isch gstorbu, d’Grossmüeter läbt noch") einst freimütig bekannte.