Glosse

Sprachlust: Englisch im Deutschpelz

Daniel Goldstein © Grietje Mesman

Daniel Goldstein /  Englische Wörter – das ginge ja noch. Aber sie sollten nicht in deutscher Gestalt daherkommen, wenn sie so etwas anderes bedeuten.

Über die gastfreundliche Aufnahme englischer Wörter in die deutsche Sprache ist schon mehr als genug gejammert worden – immerhin machen ja etliche von ihnen einen ganz guten Job, zum Beispiel «Job» für gewisse Arbeitsverhältnisse zwischen einem einmaligen Auftrag und einer beruflichen Lebensstelle.
Aber: «einen guten Job machen» – muss das sein? Wenn jemand seine Arbeit gut erledigt, ist das ein genauso gutes Gefühl – um nicht zu sagen: Genauso gut «fühlt es sich an». Da kommen englische Redewendungen halbwegs deutsch daher, ohne dass damit etwas gewonnen wäre. Oft wird heute auch mit lauter deutschen Wörtern englisch geredet oder geschrieben, ob man es merkt oder nicht – und ob es Sinn macht oder nicht.
Oft ist es eben, wie just «Sinn machen», nicht sinnvoll, sondern es hat keinen Sinn. Auch die vermeintlich «deutschere» Wendung «Sinn ergeben» ergibt höchstens dann einen Sinn, wenn er sich vor unseren Augen entfaltet, etwa durch eine kluge Argumentation. Meist aber verdanken wir den Sinn nicht den Machern, sondern den Sehern. Auch «Liebe machen» macht kaum an; ob man lieber «Sex hat», ist (sprachliche) Geschmackssache.
Wo der erste Blick trügt
Noch besser getarnt ist das Englische, wenn jemand eine «konservative Schätzung» darüber macht, wie viel Geld im «sicheren Hafen» Schweiz liegt. Da sind «falsche Freunde» am Werk: miteinander verwandte Wörter, die in verschiedenen Sprachen unterschiedliche Bedeutungen haben. Bei einer Schätzung oder Planung bedeutet «conservative» zurückhaltend, vorsichtig. Und wer von «safe haven» spricht, denkt kaum mehr an die Hafenbecken, die heute in einem «port» liegen, sondern benützt den gängigen Ausdruck für einen sicheren Hort.
Wer Wendungen aus dem Englischen übernimmt, sollte sich also überlegen, was die Wörter «meinen» – auf Deutsch meinen sie gar nichts, sondern sie bedeuten etwas. Wenn am Rande eines Gipfeltreffens zwei Staatsoberhäupter ein «privates Gespräch» führen, so reden sie zum Beispiel über ihre Familien; in einem «private talk» aber sind sie zwar unter sich, können aber durchaus den Gipfel retten. Wenn jemand es «hasst», sich die Hände schmutzig zu machen, ist dann wirklich Hass im Spiel oder nur Abscheu? Und müssen wir tatsächlich das Risiko «nehmen», vor dem Denken zu reden – ist es nicht schon gefährlich genug, das Risiko einzugehen?
Bereichernde Bilder
Bildliche Redensarten aus einer andern Sprache sind dann bereichernd, wenn sie im Deutschen noch keine gute Entsprechung haben. Warum also nicht «zurück auf Feld 1» statt einfach an den Anfang? Vor allem dann, wenn man keinen «Plan B» hat – das klingt doch griffiger als «Alternativplan». Aber wird man wirklich erst «am Ende des Tages» sehen, welcher Plan besser war, oder reicht die Schlussabrechnung?
Ein kurioser Fall ist die «Wolke sieben», auf der seit einiger Zeit schwebt, wer im Glück schwimmt. «In der Vergangenheit», also früher war man da im siebten Himmel. Davon hat sich wenigstens die Zahl erhalten – wahrscheinlich weil «cloud nine» schon durch Englischsprachige besetzt war. Ist die nummerierte Wolke hier zum Bleiben? «Hier zum Bleiben» – sagt man denn das? Wart und sieh!
— Zum Infosperber-Dossier «Sprachlust»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor ist Redaktor der Zeitschrift «Sprachspiegel» und schreibt für die Zeitung «Der Bund» die Kolumne «Sprachlupe», die auch auf Infosperber zu lesen ist. Er betreibt die Website Sprachlust.ch.

Zum Infosperber-Dossier:

Portrait_Daniel_Goldstein_2016

Sprachlupe: Alle Beiträge

Daniel Goldstein zeigt, wie Worte provozieren, irreführen, verharmlosen – oder unbedacht verwendet werden.

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