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Platz des Himmlischen Friedens in Peking © MrRadar/Flickr

Die Wahrheit über das Pekinger Tiananmen-Massaker

Peter G. Achten /  Ich hatte es 1989 mit eigenen Augen mitverfolgt: Damals wie heute verbreiten westliche Medien viele Gerüchte und Falschmeldungen.

Vor 22 Jahren wurden die Ereignisse sensationslüstern aufgebauscht. Heute werden sie verniedlicht: Das Massaker auf dem Platz vor dem Tor des Himmlischen Frieden Tiananmen in der Nacht vom 3. auf den 4. Juni 1989 habe nie stattgefunden, berichteten kürzlich mehrere Medien. Unkritisch verbreiteten sie Aussagen des australischen Diplomaten Gregory Clark, der damals in der chinesischen Hauptstadt stationiert war. Clark schrieb in einem Artikel der «Japan Times» von einem «Mythos der westlichen Medien». WikiLeaks hatte die Nachricht sensationslüsternd bereits Wochen zuvor als Scoop verbreitet.
Das Beispiel Tiananmen 1989 illustriert das Versagen vieler Medien. Mit dem Internet, Youtube, Facebook oder Twitter verbreiten sich nicht nur Nachrichten schneller, sondern auch Gerüchte, Falschmeldungen und on-dits. Vorsicht also beim Nachrichtenkonsum auf dem Internet, dem Handy, dem Fernsehen, dem Hören von Radionachrichten aber auch beim Lesen von Zeitungen, Qualitätsblätter eingeschlossen.
Dabei ist der Sachverhalt im Fall Tiananmen seit über zwanzig Jahren klar.
In der fraglichen Nacht gab es keine Toten, sondern es kam zum friedlichen Abzug der Studenten
In der Nacht vom 3. auf den 4. Juni 1989 kam auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking tatsächlich niemand ums Leben. Das ist trotz WikiLeaks Sensationsmache und trotz des Artikels des australischen Diplomaten keinesfalls neu.
Die wenigen noch ausharrenden Studenten konnten mit der Volksbefreiungsarmee einen friedlichen Abzug aushandeln. Ein Korrespondent der britischen Nachrichten-Agentur Reuters und ein Korrespondent des spanischen Fernsehens waren vor Ort und haben das damals so berichtet.
Andere Journalisten freilich weit von Schuss – unter anderem von der amerikanischen Radiostation VOA (Voice of America) und der britischen BBC – hatten von Hunderten und Tausenden von Toten, von einem Massaker berichtet.
Ein «Tiananmen-Massaker» im engeren Sinne hat tatsächlich nie stattgefunden. Auch ich selber kann das bestätigen. Ich hatte in jener Nacht gut versteckt in einem Busch, am Rande des Tiananmen-Platzes den Abzug der Studenten verfolgt.
«Ein Beispiel für die Voreingenommenheit westlicher Medien»
Natürlich stürzten sich die von der KP Chinas gesteuerten Medien mit Hochgenuss auf die aus westlichen Quellen stammenden Einschätzungen. Seht her, so etwa der Tenor, derart «fälschen» die westlichen Journalisten die Ereignisse, damit sie in ein vorgefasstes Schema passen. China Daily, das Regierungs-Sprachrohr fürs Ausland, urteilte, dass mit diesen Berichten das «falsche Bild einer brutalen chinesischen Regierung» gezeichnet werden sollte. Die «Global Times», ein Ableger der Parteiblattes «Renmin Ribao» (Volkszeitung) setzt noch eins drauf: Das «Tiananmen-Massaker» sei ein «klassisches Beispiel für die Seichtheit und Voreingenommenheit der meisten westlichen Medien».
Tatsächlich starben Hunderte, nur nicht auf dem Tiananmen-Platz
Allerdings ist der Ausdruck «Tiananmen-Massaker» unterdessen zur Metapher geworden für die damaligen Ereignisse insgesamt. Was nämlich die chinesische Regierung und Chinas Medien seit jeher verschweigen, ist die Tatsache, dass in jener Nacht in der Umgebung des Tiananmenplatzes und darüber hinaus viele Protestierende starben.
Es waren zwar nicht Tausende, wie VOA und andere westliche Medien damals vorschnell verbreiteten. Nach Quellen des chinesischen Roten Kreuzes und eines damals in Peking weilenden Vertreters des IKRK mit guten Kontakten zu Spitälern waren es aber mehrere hundert.
Was ich mit eigenen Augen beobachten musste
Mit eigenen Augen hatte ich gesehen, wie Soldaten der Volksbefreiungsarmee im Qianmen-Quartier wahllos in die Menge schossen, wie an der Jiangoumenwai-Brücke ein Panzer zwei Zivilisten überfuhr und tötete. Und wie dann eine aufgebrachte Menge von Pekinger Bürgern zwei Soldaten gefangennahm, anzündete und an einer Fussgängerüberführung brennend aufknüpfte. Der Ausdruck «Tiananmen-Massaker» wird heute also für all diese schrecklichen Ereignisse verwendet. Kein Mythos also.
Viele hergereiste Medienleute kannten die Verhältnisse in China kaum
Die Berichterstattung der westlichen Medien damals war gewiss keine Sternstunde der Pressefreiheit und des Qualitäts-Journalismus. Das gilt freilich nicht nur für die Ereignisse jener schicksalhaften Nacht vom 3. auf den 4. Juni 1989.
Der ganze Studentenprotest wurde mangelhaft begleitet, nicht zuletzt deswegen, weil sich sehr viele Journalisten aus dem Ausland aus einem ganz anderen Grund in Peking aufhielten. Im Mai nämlich war der sowjetische Parteichef Gorbatschow auf Staatsvisite in Peking, um das sino-sowjetische Schisma nach dreissig Jahren zu beenden. Gorbatschow konnte von der chinesischen Führung nicht wie andere hohe Staatsgäste auf dem Tiananmen empfangen werden, vielmehr musste der sowjetische Gast die Grosse Halle des Volkes durch eine Hintertüre betreten. Die chinesische Führung verlor das Gesicht, ein nicht unwesentlicher Faktor in China, der zur Unbeugsamkeit der roten Mandarine fuehrte.
Ein gefundenes Fressen
Für die angereisten westlichen Medienleute waren die Ereignisse während Gorbatschows Besuch natürlich ein gefundenes Fressen. Nach dem Motto «bad news is good news». Viele eingeflogene Korrespondenten berichteten ohne jede Sachkenntnis sensationsgeil vom Platz vor dem Tor des Himmlischen Friedens. Dan Rather, der berühmte Moderator der amerikanischen Fernsehkette CBS, stapfte in gleissender Hitze in Anzug und Krawatte durch die gutgelaunten, aufgestellten Studenten auf dem Tiananmen-Platz und stellte dumme Fragen.
Zur «Demokratie-Bewegung» hochstilisiert
Die Studenten-Proteste wurden und werden bis auf den heutigen Tag fälschlicherweise als «Demokratie-Bewegung» dargestellt. Der Protest begann ganz banal als Kampf für bessere Studienbedingungen und besseres Essen in der Uni-Kantine. Wegen der damaligen überhitzten Wirtschaft und einer galoppierenden Inflation erhielten die Studenten bald Unterstützung von Arbeitern, Angestellten, Regierungsbeamten und Parteikadern.
Deng wollte seine Reformen nicht durch ein «Chaos» gefährden
Das Politbüro, das alles entscheidende Organ in der Volksrepublik, war gespalten. Der grosse Reformer und Revolutionär Deng Xiaoping fällte schliesslich den Entscheid, dem Protest Manu Militari ein Ende zu setzen. Wie bereits die Kaiser seit Jahrhunderten fürchtete auch Deng und das Politbuero ein «Chaos» und mithin den Verlust des «Mandats des Himmels», also der Macht. Ohne Stabilität, so Dengs Argumentation, kein Wirtschaftswachstum und mithin keine Verbesserung des Lebensstandards für die «Massen».
Schon vorher mit harter Hand gegen Politische Opposition
Was westliche Beobachter und Korrespondenten in den 80er-Jahren ebenfalls sträflich vernachlässigten, war die politische Analyse. Geblendet bereits damals vom wirtschaftlichen Erfolg der «sozialistischen Marktwirtschaft chinesischen Prägung» glaubten viele, dass in China mit dem Kapitalismus fast automatisch auch westliche Demokratie Einzug halten werde.
Das war eine grobe Fehleinschätzung, denn Deng hatte nie etwas mit Demokratie am Hut. Die «Mauer der Demokratie» in Peking verbot er Ende der 70er-Jahre, und die Studentenproteste in Hefei (Provinz Anhui) liess er im Winter 1986/87 niederknüppeln. Dengs handverlesener, äusserst populärer Parteichef Hu Yaobang verlor darüber seinen Job. Doch von Dengs knallharter Haltung wollte im Westen in der ersten China-Euphorie niemand etwas wissen, auch Redaktionen von Qualitätsblättern nicht – bis der Tod Hus 1989 dann der Auslöser war für die Pekinger Studentenproteste.
Kein Aufarbeiten der blutigen Tatsache
Der Entscheid Dengs, die Volksbefreiungsarmee einzusetzen, war im Rückblick wohl konsequent, wenn die wirtschafltiche Entwicklung und das «Wohl der Massen» als wichtigster Massstab angelegt wird. Aber es war eine Tragödie. Im offiziellen China wird das bis heute bestritten und verdrängt. Es war parteiamtlich ein «konterrevolutionärer Aufstand». Was für ein Unsinn. Das «Tiananmen-Massaker» als Metapher genommen ist kein Mythos sondern blutige Tatsache. Dass sich aber ein australischer Diplomat und WikiLeaks von der allmächtigen Kommunistischen Partei Chinas im Jahre 2011 instrumentalisieren lassen, ist eine Schande.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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Hohe Wachstumszahlen; riesige Devisenreserven; sozialer Konfliktstoff; Umweltzerstörung; Herrschaft einer Partei

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Eine Meinung zu

  • am 3.06.2014 um 17:23 Uhr
    Permalink

    Letztes Jahr pilgerten 5 Schweizer Bundesräte ins Reiche der roten Mandarine und hofierten den chinesischen Parteibonzen. SVP-Bundesrat Ueli Maurer, der in der Schweiz gerne das Loblied auf die demokratischen Traditionen der Schweiz singt, meinte gar, man müsse «endlich einen Schlussstrich unter diese Angelegenheit» ziehen. Mit der Angelegenheit meinte er das Tiananmen-Massaker. Verlogener ist wohl kaum möglich.

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