Der Justiz-Skandal nach dem Lockerbie-Drama
Mit dem Krieg um Gaddafis Libyen wecken auch die terroristischen Aktivitäten, mit denen Muammar Gaddafi in Verbindung gebracht wird, neues Interesse. Dazu gehört vor allem das Attentat auf die Boeing 747 über Lockerbie.
Dieser Bombenanschlag auf den Pan Am Flug 103 über Schottland forderte Ende 1988 insgesamt 270 Todesopfer. Der Libyer Ali Mohamed Al Megrahi wird 2001 als Bombenleger schuldig gesprochen – und verurteilt. Der Schweizer Edwin Bollier wird als Zeuge gegen ihn montiert – und ruiniert. Inzwischen scheint klar: Beide waren Opfer eines Geheimdienst-Schwindels. Renommierte Juristen bezeichnen den Fall als «Justiz-Skandal».
Der Sündenbock
Das Grässliche geschah vor mehr als 20 Jahren: Über dem schottischen Dorf Lockerbie explodierte Am 21. Dezember 1988 eine Bombe in einem Flugzeug der US-Gesellschaft Pan Am. 270 Menschen kamen ums Leben. Als Bombenleger wurde 2001 der Libyer Abdelbaset Ali Al Megrahi schuldig gesprochen – und zu lebenslänglicher Haft verurteilt.
«Das war ein Fehlurteil», sagt der Zürcher Rechtsanwalt Dieter Neupert (Interview unten): «Herr Al Megrahi war ein Sündenbock, bekäme er ein neues Verfahren, müsste er mangels Beweisen freigesprochen werden.» Neupert (69) ist Anwalt in Küsnacht (ZH), Milizoberst der Schweizer Luftwaffe und Mitglied der Eidgenössischen Luftfahrtkommission. Im Fall Lockerbie vertrat er die Interessen des Schweizer Unternehmers Edwin Bollier.
Der Fall Lockerbie gilt als schlimmster Terroranschlag der Neunzigerjahre: Die Pan-Am-Maschine vom Typ Boeing 747 war von London Heathrow zum Flug 103 nach New York gestartet, als eine Bombe sie in 9000 Metern Höhe über Lockerbie in Stücke riss. 243 Passagiere, 16 Besatzungsmitglieder und 11 Dorfbewohner am Boden kamen ums Leben. Die schottische und die englische Polizei begannen sofort zu ermitteln. Und weil 189 Todesopfer aus den USA stammten, auch das amerikanische FBI.
Ein Vergeltungsschlag Khomeinis?
Doch bald mischten sich zusätzlich US-amerikanische und britische Geheimdienste in die Untersuchung ein. Sie steuerten die Ermittlungen zunächst in Richtung nahen Osten: Das grässliche Attentat sei ein Racheakt der iranischen Ayatollahs, mutmassten sie. Denn: Ein halbes Jahr zuvor am 3. Juli 1988 hatte der Kreuzer USS Vincennes einen Airbus 300 der Iran-Air über dem Golf von Hormuz mit zwei Raketen abgeschossen. Alle 290 Menschen an Bord, die sich auf einer Pilgerreise nach Mekka befanden, wurden getötet. Der Abschuss sei ein Irrtum gewesen, erklärte die US-Regierung. Und Revolutionsführer Ayatollah Khomeini, der damals in Iran herrschte, soll 10 Millionen Dollar Belohnung für die Rache an den 290 iranischen Opfern ausgesetzt haben. Spezialisten hielten dies für glaubwürdig.
Druck mit UNO-Sanktionen
Die Ermittlungen folgten zunächst dieser Spur. Doch plötzlich begannen die Lockerbie-Fahnder überraschend gegen Libyen zu ermitteln. Und am 14. November 1991 erhoben die USA und Grossbritannien Anklage gegen die beiden libyschen Staatsbürger Lamin Khalifah Fhimah (55) und Abdelbaset Ali Al Megrahi (59). Die beiden Beschuldigten bestritten stets jede Verantwortung für den Anschlag. Doch die USA setzten Libyen zusätzlich mit Wirtschaftssanktionen unter Druck, wofür sie auch noch die UNO einspannen konnten. Es folgte ein jahrelanges Hinundher, bis man sich auf einen Prozess in Camp Zeist in Holland einigen konnte: 1999 lieferte Libyen Al Megrahi und Fhimah aus – nicht zuletzt auch im Vertrauen auf einen fairen Prozess im Rechtsstaat Holland. Später zahlte Libyen 2,7 Milliarden Dollar Entschädigung an die Hinterbliebenen der Lockerbie-Opfer.
Der Prozess begann am 3. Mai 2000. Und sofort zeigten sich Ungereimtheiten: Hinweisen auf terroristische Kreise in Deutschland war niemand nachgegangen. Zeugen der Anklage verhedderten sich in Widersprüche. Die Regierung in London hielt wichtige Dokumente zurück. Und schliesslich blieben nur zwei Hinweise auf eine Täterschaft der angeklagten Libyer:
° Ein Schweizer Zeitschalter: Die Ankläger sagten, ein in Lockerbie gefundenes Stück Kunststoff stamme von einer Schaltuhr vom Typ MST13, welche die Zürcher Firma Mebo Jahre zuvor an Libyen geliefert hatte. Al Megrahi habe den Mebo-Timer in Malta mit dem Zünder, mit 400 Gramm Sprengstoff und Kinderkleidern in einen Koffer gepackt – und diese Höllenmaschine in ein Flugzeug geschmuggelt.
° Und der Ladenbesitzer Toni Gauci: Er beschwor als Hauptzeuge, er habe dem Angeklagten Al Megrahi am 7. Dezember 1988 in Malta jene Kinderkleider verkauft, die dann im Sprengstoffkoffer über Lockerbie mit explodiert sein sollen.
Manipulierte Spur in die Schweiz
Erst nach dem Prozess fand dann eine schottische Kommission heraus, dass Gauci durch US-Behörden mit 2 Millionen Dollar für seine Aussage entschädigt worden war. Und der frühere CIA-Mitarbeiter Bob Bear, der selber jahrelang für diesen US-Geheimdienst Bomben gebaut hatte, sagt: «Dass eine Zeitbombe in Malta ins Flugzeug geschmuggelt, in Frankfurt und Heathrow zweimal umgeladen wird und erst viel später explodiert – das ist Unsinn.» Die fatale Bombe müsse direkt in Heathrow ins Flugzeug gelangt – und nicht mit einer Schaltuhr, sondern mit einem Höhenmesser gezündet worden sein. Genau zur fraglichen Zeit war in den Gepäckbereich von Heathrow eingebrochen worden. Diese Tatsache wurde Jahre lang verheimlicht – und kam im Prozess nicht zur Sprache.
Dafür spielte vor Gericht das fingernagelgrosse Fragment der Mebo-Schaltuhr eine zentrale Rolle. Dabei hatte der Schweizer Mebo-Besitzer Edwin Bollier schon den schottischen Ermittlern dargelegt, er habe an Libyen nicht Schaltuhren auf brauner Grundplatte geliefert – sondern auf grüner. Und als der Zürcher Unternehmer während dem Prozess das Beweisstück erneut genau anschaute, war dieses nun derart verkohlt, dass man seine Farbe nicht mehr erkennen konnte. Bollier merkte auch, dass plötzlich ganz andere Fotos bei den Akten lagen. Er empörte sich sofort: «Ich schwöre, dass das alles manipuliert worden ist!» Umsonst: Der Gerichtspräsident unterbrach ihn barsch.
Erstaunliches Urteil
Urheber der Manipulationen war offenbar der FBI-Mann Thomas Thurman, der behauptete, er habe das Fragment des Schweizer Timers bei Lockerbie im Wald gefunden. Der Mann ist später wegen anderen Beweisfälschungen aus dem US-Polizeidienst entfernt worden. Und Bollier erhob Klage. Diese wurde jedoch abgewiesen. Bolliers Firma Mebo wurde ihrerseits durch die Pan Am auf Schadenersatz verklagt. Sie verlor alle Aufträge – und war bald ruiniert.
Am 31. Januar 2001 erfolgte das überraschende Urteil: Fhimah wurde freigesprochen, Al Megrahi hingegen für schuldig befunden – und zu lebenslanger Haft verurteilt. Dies sei «ein Fehlurteil», sagt der prominente schottische Jurist Robert Black, im Chor mit anderen Rechtsgelehrten. Der international bekannte Schweizer Rechtsprofessor Stefan Trechsel sieht im Fall Lockerbie «mehr als nur einen Justizirrtum». Es sei ein «Justiz-Skandal als Folge einer undurchsichtigen Intrige, ein richtiger Sumpf», sagt Trechsel.
Freilassung gegen Verzicht auf Berufung
Gestützt auf solche Einschätzungen, kämpfte der verurteilte Libyer Al Megrahi jahrelang ebenso unermüdlich für seine Rehabilitierung und für die wirkliche Wahrheitsfindung im Fall Lockerbie, wie der Schweizer Edwin Bollier und auch Vereinigungen englischer und schottischer Angehöriger der Lockerbie-Opfer.
Erst 2007 jedoch hatten sie erstmals Erfolg: Die Schottische Berufungskammer (Review-Board, SCCRC) gab Megrahi recht. Das Fehlurteil wurde damit zwar nicht aufgehoben – eine Neuauflage des Prozesses jedoch angemahnt.
Doch im August 2009 wurde Megrahi plötzlich begnadigt, frei gelassen – und durfte nach Libyen ausreisen. Aus «humanitären Gründen», wie es offiziell hiess. Weil der seit bald zehn Jahren Inhaftierte an Krebs leide. Eine Bedingung stellten die Briten indes: Megrahi musste seine aussichtsreiche Berufung zurückziehen. Für Kenner des Falles, wie den Ex-CIA-Mann Robert Baer war damals klar warum: «Meghari bekam nie einen fairen Prozess», sagte er. «Und jetzt wird er frei gelassen, damit die Manipulationen und Fälschungen in einem neuen Verfahren nicht aufgedeckt werden.»
Unterschiedliche Entschädigungen
Libyens Entschädigung von 2,7 Milliarden ist inzwischen verteilt: Die Hinterbliebenen der 270 Lockerbie-Opfer haben je 8,5 Millionen Dollars bekommen. Ihre Anwälte insgesamt mehrere hundert Millionen. Die Angehörigen der über Hormuz abgeschossenen 290 iranischen Pilger wurden von den USA auch entschädigt – mit insgesamt 61,8 Millionen Dollars. Die Offiziere des Kreuzers USS Vincennes, von dem aus die fatalen Raketen abgeschossen worden waren, wurden alle befördert. Der Kapitän des Schiffes erhielt den Legion-of Merit-Orden für «ausserordentliche Pflichterfüllung im Einsatz».
(Der holländisch-israelische Filmregisseur Gideon Levy hat 2009 mit seinem preisgekrönten Dokumentarfilm «Lockerbie Revisited» den Lockerbie-Schwindel dokumentarfilmisch aufgearbeitet.)
«Sie suchten einen Sündenbock»
INTERVIEW
Herr Neupert, Sie kennen den Fall Lockerbie als Luftfahrtexperte und Jurist gut. War die Verurteilung des Libyers Ali al Megrahi als Bombenleger ein Justizirrtum?
Dr. Dieter Neupert: Ja. Davon bin ich überzeugt. Namhafte britische Juristen und der bekannte Schweizer Rechtsgelehrte Stefan Trechsel kommen zum selben Schluss. Das Schottische Review-Board, also die Revisionskammer, hat ja entschieden, dass eine Beweisführung wie in diesem Prozess nicht geht. Würde der Prozess neu aufgerollt ohne dass die Anklage neue Beweise brächte, müsste Herr Al Megrahi mangels Beweisen freigesprochen werden. Ich verstehe darum nicht, wie es gelingen konnte, Herrn Al Megrahi zum Rückzug seiner Berufung zu überreden.
Sie sind sicher, dass Al Megrahi und Libyen mit dem Terroranschlag von Lockerbie nichts zu tun haben?
Sicher ist ein Anwalt nie. Als Vertreter der Schweizer Firma Mebo war ich jedoch seit 1989 bei den ersten Untersuchungen in diesem Fall mit dabei. Und damals war nie die Rede von Libyen.
Wovon denn?
Von Iran, Syrien und der palästinensischen PLO. Vor dem Zürcher Bezirksgericht befragten damals US-Ermittler die Direktoren und Angestellten der Schweizer Firma Mebo. Doch es war nie auch nur im Entferntesten die Rede von Libyen.
Warum denn plötzlich der Schwenker in Richtung Libyen?
Die USA suchten einen anderen Sündenbock. Weil sie damals gleich ihre «Koalition der Willigen» für ihren ersten Angriff auf den Irak, den «Desert Storm» zusammenstellten, wollten sie nicht noch einen frontalen Krach mit anderen Volkern der Region Nahost – also mit den Syrern, Iranern oder Palästinensern – vom Zaun reissen. Libyen und Ghaddaffi, der in Sachen Terror schon Dreck am Stecken hatte, boten sich an.
Sie haben für die Firma Mebo und Herrn Bollier Strafklage erhoben, weil ein Beweisstück, das für den Zusammenhang mit Libyen entscheidend ist, manipuliert worden war. Was ist aus dieser Eingabe geworden?
Dieser Criminal Complaint, wie er genau hiess, wurde abgelehnt, weil Herr Bollier nicht Angeklagter, sondern nur Zeuge war. Aber das erwähnte Fragment einer Mebo-Schaltuhr scheint mir für das Fehlurteil in dieser Sache weniger entscheidend.
Was war denn entscheidend?
Wie das Schottische Rewiew-Board, so bin auch ich der Meinung, dass die wesentliche Fehlleistung des Gerichts mit dem Hauptzeugen, dem maltesischen Ladenbesitzer Tony Gauci zusammenhängt…
…der von US-Behörden mit 2 Millionen Dollar geschmiert wurde.
Scheinbar. Aber da kursieren viele Gerüchte. So soll Gauci auch ein Foto vom Angeklagten Al Megrahi gezeigt worden sein, bevor er diesen dann auch prompt erkannt haben will. Sicher ist, dass da vieles nicht sauber lief. Auch die Sache mit dem Koffer: Er soll mit der Zeitbombe drin von Malta über Frankfurt und Heathrow zweimal umgeladen worden sein, bevor er dann die Pan Am Maschine über Lockerbie zum Absturz gebracht hätte. Auf eine so lange Strecke würde auch der dümmste Geheimdienst nie eine Zeitbombe aufgeben. Das widerspricht einfach der allgemeinen Erfahrung. Die Untersuchung ging auch von einer Verschwörung aus. Den einen der beiden angeblichen Verschwörer musste das Gericht jedoch sofort freisprechen. So geht es wirklich nicht.
Warum hat denn Libyen 2,7 Milliarden Dollars Schadenersatz an die Angehörigen der 270 Opfer gezahlt?
Das ist ganz klar: Weil Libyen wieder mit den USA ins Geschäft kommen wollte. Die Amerikaner hatten ja das Land mit einem Embargo unter Druck gesetzt, das sehr schmerzlich war. Trotz der Milliarden-Entschädigung haben Al Megrahi und Libyen immer sämtliche Verantwortung für den Anschlag abgelehnt. Aber die Amerikaner waren ihrerseits schlau genug, von Ghaddaffi den Verzicht auf eventuelle Rückforderungen zu verlangen, falls Al Megrahi doch noch freigesprochen werden sollte.
Denken Sie, dass er je noch freigesprochen wird – und die Wahrheit in diesem Fall doch noch ans Licht kommt?
Man muss unterscheiden. Es laufen noch polizeiliche Untersuchungen. Und die Angehörigen der Opfer in England und Schottland wollen wissen, wer wirklich die Täter waren. Sie drängen auf Wahrheitsfindung. Dass aber Herr Al Megrahi noch freigesprochen und rehabilitiert werden könnte, daran glaube ich nach seinem Verzicht auf die Berufung 2009 nicht mehr. N.R.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
http://www.lockerbie.ch
The legal delays in the «Lockerbie case» – will prove herself shortly, as law-crime !
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Die Rechts Verzögerungen im «Lockerbie Fall» – werden sich in Kürze, als Rechts-Verbrechen erweisen !
by Edwin Bollier, MEBO Ltd. Telecommunication Switzerland. Webpage: http://www.lockerbie.ch
http://www.lockerbie.ch
! Zu Anmerkung:
Libya’s gewesener neue «Rebel Leader», Mustafa Abdel Jalil (NTC) hatte mit der schwedischen Zeitung «Expressen» (2011) in einem Interwiew behauptet: «Ich habe Beweise dafür, dass Gaddafi den Befehl für «Lockerbie» gab. Die Beweise konnte Jalil nie erbringen !
Seine lapidare Rechtfertigung, nach dem Tode von Leader Gaddafi war, dass die Medien falsch berichtet haben…
Abdel Jalil ist mit seiner widerwärtigen Äusserung mitschuldig am Erfolg im Krieg gegen das Gaddafi Regime, weil damit ein weltweiter Zorn gegen Gaddafi aufgefrischt wurde und der NATO-Krieg gegen Gaddafi pauschal akzeptiert wurde.
Mustafa Abdel Jalil bleibt von der «Bildfläche» verschwunden….
by Edwin Bollier, MEBO Ltd. Telecommunication Switzerland. Webpage. http://www.lockerbie.ch